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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen





6. April 2008






italo.log
Die wöchentliche
Gedichtanthologie
aus Italien.

Herausgegeben
von Roberto Galaverni
und Theresia Prammer.
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111: Andrea Ponso
110: Paolo Bertolani
109: Andrea Temporelli
108: Ermanno Krumm
107: Patrizia Cavalli (3)
106: Vivian Lamarque
105: Giancarlo Majorino
104: Toti Scialoja
103: Emilio Rentocchini
102: Eugenio Montale (4)
101: Maria Luisa Spaziani
100: Ignazio Buttita
099: Simone Cattaneo
098: Nanni Balestrini
097: Nino Pedretti
096: Marco Giovenale
095: Valentino Zeichen
094: Elio Pagliarani
093: Bartolo Cattafi
092: Luciano Cecchinel
091: Eugenio de Signoribus
090: Guido Ceronetti
089: Andrea Zanzotto (4)
088: Matteo Marchesini
087: Nicola Gardini
086: Attilio Bertolucci (2)
085: Flavio Santi
084: Gesualdo Bufalino
083: Gherardo Bortolotti
082: Giuliano Mesa
081: Albino Pierro
080: Beppe Salvia
079: Ottiero Ottieri
078: Eugenio Montale (3)
077: Antonio Riccardi
076: Amelia Rosselli (2)
075: Nelo Risi
074: David Maria Turoldo
073: Pier Paolo Pasolini (3)
072: Franco Scataglini
071: Patrizia Vicinelli
070: Milo de Angelis (2)
069: Umberto Piersanti
068: Giorgio Orelli
067: Elisa Biagini
066: Remo Pagnanelli (2)
065: Carlo Bettocchi
064: Vittorio Sereni (2)
063: Giorgio Bassani
062: Federico Italiano
061: Gabriele Frasca
060: Andrea Zanzotto (3)
059: Patrizia Cavalli (2)
058: Antonio Porta
057: Vincenzo Frungillo
056: Gianni D'Elia
055: Gregorio Scalise
054: Giorgio Caproni (2)
053: Stefano Dal Bianco
052: Biagio Marin
051: Elsa Morante
050: Franco Buffoni
049: Franco Loi (2)
048: Ferruccio Benzoni
047: Eugenio Montale (2)
046: Adriano Spatola
045: Dario Bellezza
044: Tonino Guerra
043: Luciano Erba
042: Jolanda Insana
041: Mario Luzi
040: Primo Levi
039: Valerio Magrelli (2)
038: Paolo Volponi
037: Alda Merini
036: Pier Paolo Pasolini (2)
035: Patrizia Valduga
034: Aldo Nove
033: Raffaello Baldini
032: Maurizio Cucchi
031: Piero Bigongiari
030: Andrea Zanzotto (2)
029: Gerhard Kofler
028: Remo Pagnanelli
027: Andrea Gibellini
026: Fabio Pusterla
025: Michele Sovente
024: Anna Maria Carpi
023: Gian Mario Villalta
022: Edoardo Sanguineti
021: Roberto Roversi
020: Patrizia Cavalli
019: Giuseppe Conte
018: Giovanni Giudici
017: Valerio Magrelli
016: Giorgio Caproni
015: Andrea Zanzotto
014: Attilio Bertolucci
013: Emilio Villa
012: Giampiero Neri
011: Giovanni Raboni
010: Amelia Rosselli
009: Sandro Penna
008: Antonella Anedda
007: Pier Paolo Pasolini
006: Fernando Bandini
005: Milo de Angelis
004: Vittorio Sereni
003: Franco Fortini
002: Franco Loi
001: Eugenio Montale




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07:
Pier Paolo Pasolini


Testamentarische Verse

Die Einsamkeit: man muß sehr stark sein,
um die Einsamkeit zu lieben; man muß gute Beine haben
und eine Widerstandskraft außerhalb des Gewöhnlichen; man darf
keine Grippe, keine Erkältung, kein Halsweh riskieren; man darf
keine Diebe und keine Mörder zu fürchten haben, wenn es darum geht
auf den Beinen zu bleiben, den ganzen Nachmittag, vielleicht den ganzen Abend lang
und man sollte sich dessen nicht einmal bewußt sein. Hinsetzen kann man sich nirgends,
vor allem im Winter; bei diesem Wind, der übers nasse Gras streicht,
bei diesen feuchten Steinen, zwischen Schmutz und Schlamm; wirklich
es gibt keinen, zweifellos überhaupt keinen Trost, außer jenem vielleicht,
einen ganzen Tag und eine ganze Nacht vor sich zu haben,
ohne Verpflichtungen oder Beschränkungen jeglicher Art.
Sex ist nur ein Vorwand. Denn wie viele einem auch begegnen mögen
– und es sind nicht wenige, auch winters, auf diesen an den Wind abgetretenen Straßen,
zwischen fliehenden Häusern, endlosen Mülldeponien –
sie alle liefern doch nur neue Einsamkeitsmomente;
wärmer und lebendiger ist da schon der reizende Körper,
der mit seinem Samen salbt und weiterzieht,
kälter, sterblicher geworden die geliebte Wüste um uns;
sie ist es, die uns froh macht, wie ein wunderbarer Wind,
nicht das Unschuldslächeln oder die finstere Anmaßung desjenigen,
der dann fortgeht; im Schlepptau seine Jugend, unvergleichlich
jung. Und eben das macht ihn unmenschlich,
daß er keine Spuren hinterläßt oder besser nur eine einzige Spur
die sich immer hält, durch alle Jahreszeiten.
Ein Knabe, an der Schwelle seiner ersten Lieben
ist nichts andres als die ganze Fruchtbarkeit der Welt.
Und die Welt ist es, die sich mit ihm zusammen einstellt; auftritt und verschwindet,
wie eine sich wandelnde Form. Alle Dinge bleiben intakt,
und du magst die halbe Stadt nach ihm ablaufen, du findest ihn doch nicht wieder;
der Akt ist vollzogen; seine Wiederholung ein Ritus. So ist
die Einsamkeit noch viel größer, wenn eine ganze Horde darauf wartet,
daß sie an die Reihe kommt: tatsächlich steigt die Zahl der Abgängigen ständig –
Fortgehen ist Fliehen – und über dem Gegenwärtigen droht das Kommende
wie eine Pflicht, ein Opfer, dargebracht der Todesneigung.
Doch mit zunehmendem Alter macht sich Müdigkeit bemerkbar,
zumal im Augenblick, in dem man gerade zu Abend gegessen hat,
und alles ist beim Alten geblieben; da trennt dich vom Schreien vom Weinen nur mehr ein Hauch.
Und all das wäre ungeheuerlich, wär’ es nicht eben reine Müdigkeit,
vielleicht mit etwas Hunger aufgemischt. Ungeheuerlich, denn es bedeutete
daß dein Verlangen nach Einsamkeit nicht mehr gestillt werden kann,
und was erwartet dich also, wenn das, was nicht als Einsamkeit bezeichnet wird
die eigentliche Einsamkeit ist, jene, die nicht hinzunehmen wäre?
Da ist kein Mittag- und kein Abendessen, keine Genugtuung auf Erden,
die sich mit einem solchen Fußmarsch messen könnte, endlos, durch die Elendsstraßen,
dort, wo man stark sein muß, abgebrüht, mit den Hunden verbrüdert.

(übertragen von Theresia Prammer)


Versi da testamento

La solitudine: bisogna essere molto forti
per amare la solitudine; bisogna avere buone gambe
e una resistenza fuori del comune; non si deve rischiare
raffreddore, influenza o mal di gola; non si devono temere
rapinatori o assassini; se tocca camminare
per tutto il pomeriggio o magari per tutta la sera
bisogna saperlo fare senza accorgersene; da sedersi non c’è;
specie d’inverno; col vento che tira sull’erba bagnata,
e coi pietroni tra l’immondizia umidi e fangosi;
non c’è proprio nessun conforto, su ciò non c’è dubbio,
oltre a quello di avere davanti tutto un giorno e una notte
senza doveri o limiti di qualsiasi genere.
Il sesso è un pretesto. Per quanti siano gli incontri
- e anche d’inverno, per le strade abbandonate al vento,
tra le distese d’immondizia contro i palazzi lontani,
essi sono molti – non sono che momenti della solitudine;
più caldo e vivo è il corpo gentile
che unge di seme e se ne va,
più freddo e mortale è intorno il diletto deserto;
è esso che riempie di gioia, come un vento miracoloso,
non il sorriso innocente o la torbida prepotenza
di chi poi se ne va; egli si porta dietro una giovinezza
enormemente giovane; e in questo è disumano,
perché non lascia tracce, o meglio lascia una sola traccia
che è sempre la stessa in tutte le stagioni.
Un ragazzo ai suoi primi amori
altro non è che la fecondità del mondo.
E’ il mondo che cosi’ arriva con lui; appare e scompare,
come una forma che muta. Restano intatte tutte le cose,
e tu potrai percorrere mezza città, non lo ritroverai più;
l’atto è compiuto, la sua ripetizione è un rito. Dunque
la solitudine è ancora più grande se una folla intera
attende il suo turno: cresce infatti il numero delle sparizioni –
l’andarsene è fuggire – e il seguente incombe sul presente
come un dovere, un sacrificio da compiere alla voglia di morte.
Invecchiando, però, la stanchezza comincia a farsi sentire,
specie nel momento in cui è appena passata l’ora di cena,
e per te non è mutato niente; allora per un soffio non urli o piangi;
e ciò sarebbe enorme se non fosse appunto solo stanchezza,
e forse un po’ di fame. Enorme, perché vorrebbe dire
che il tuo desiderio di solitudine non potrebbe esser più soddisfatto,
e allora cosa ti aspetta, se ciò che non è considerato solitudine
è la solitudine vera, quella che non puoi accettare?
Non c’è cena o pranzo o soddisfazione del mondo,
che valga una camminata senza fine per le strade povere,
dove bisogna essere disgraziati e forti, fratelli dei cani.

(Aus: Trasumar e organizzar, 1971)


Pier Paolo Pasolini
© Giovanni Giovannetti/effigie

Pier Paolo Pasolini wurde 1922 in Bologna geboren. Seine Kindheit war geprägt von zahlreichen Umzügen innerhalb Norditaliens (Städte in den Regionen Emilia und Veneto). Literatur- und Kunstgeschichtestudium in Bologna (bei Roberto Longhi). Von 1943-1949 lebte er in Casarsa (Friuli), der Heimat der Mutter, wo er sich, während er sein Studium in Bologna abschloß, als Lehrer verdingte. Intensive literarische Produktion im Dialekt und in der Hochsprache; philologische Studien, Militanz in der „Academiuta de lenga friulana“. Lehramtsenthebung aufgrund des öffentlichen Bekanntwerdens seiner Homosexualität; Ausschluß aus der kommunistischen Partei. Gegen Kriegsende Nachricht vom Tod des Bruders, der bei Partisanenkämpfen ums Leben kam. 1949 Umzug nach Rom, wo er als Dichter, Kritiker und Herausgeber tätig ist. In dieser Zeit entstehen zwei Anthologien mit Dialektlyrik sowie die Aufsatzsammlung Passione e ideologia (1960). Arbeiten als Erzähler (der Roman Ragazzi di vita entstand 1955) sowie in zunehmendem Maße als Filmregisseur (Debütfilm Accattone, 1961). Mitherausgeber bzw. Mitarbeiter der Zeitschriften „Officina“, „Paragone“, „Nuovi Argomenti“ etc.; zahlreiche filmtheoretische und gesellschaftspolitische Schriften. Im Rahmen der Studentenunruhen um 1968 sorgt Pasolini mit eigenwilligen heretisch-kommunistischen Positionen und Polemiken für Aufsehen. Im November 1975 wird Pier Paolo Pasolini, unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen, brutal ermordet. Lyrikbände, u.a.: Poesia a Casarsa (1942, im friulanischen Dialekt), La meglio gioventù (1954, friulanisch und venetisch), L’usignolo della Chiesa Cattolica (1958), Le ceneri di Gramsci (1975, dt. Gramscis Asche, 1980, übersetzt von Sabina und Toni Kienlechner), La religione del mio tempo (1961), Poesia in forma di rosa (1964), Trasumar e organizzar (1971).