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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




April 2006
Christina Mohr
für satt.org


Swayzak:
Route de la Slack

Remixes & Rarities DCD
!K7 2006
   » amazon

Voom Voom:
Peng Peng

!K7 2006
   » amazon

Electroluvs:
Bubblewrapped

Ninthwave Records 2006
   » Mailorder

Elektrowilli und Sohn:
Töne in Dein Haar

Under Cover 2006
   » elektrowilli

Wohnzimmerclub
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Wohnzimmerclub
– Part Two –

Der Wohnzimmerclub lädt ein zur zweiten Runde! Diesmal mit frühlingsfrischen tanzbaren Erzeugnissen aus dem Hause !K7 und Kuriositäten vom schottischen Elektrowave-Duo Electroluvs und dem Aachener Familienbetrieb Elektrowilli. Los geht's!

Cover

Eröffnet wird der tanzbare Reigen mit dem feinen Remix- und Raritätenalbum Route de la Slack des britischen Mixerduos Swayzak. Mit Swayzak kann man im besten Sinne nichts falsch machen – und das Label !K7 verspricht zusätzlich Qualität, aber das haben wir ja schon öfters erwähnt.

James Taylor und David Brun Brown aka Swayzak begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 1993, seitdem sind nicht nur 13 Jahre, sondern auch vier Alben, dreißig Singles und unzählige Remixe ins Land gegangen, die den Ruf der beiden als unkonventionelle Minimal-House-Spezialisten festigten. Swayzak stehen für zurückhaltende, aber stilistisch wegweisende Remixes, kein Wunder also, daß so viele Künstler ihre Tracks in Taylor und Browns gute Hände legten – auf CD 1 dieses Sammlerstücks sind einige Höhepunkte dieser Remixarbeiten versammelt. Den Anfang macht „Acoustiques Paralleles“ von Quark, darauf folgt der Will-Saul-Hit „Tic Toc“ mit Ursula Rucker als Gastsängerin. Der düstere „Big Smoke Re-work“ von Slams „Human“ entwickelt einen kühlen unheimlichen Sog, doch die Stimmung klart umgehend auf, sobald Senor Coconuts „Smoke on the Water“ in Swayzaks federnder, klickender, zwingender Bearbeitung ertönt. George Sarahs „Sonata for Petra“, ohnehin schon ein sehr sparsames, zurückgenommenes Stück, gerät durch Swayzaks Behandlung zum elegischen Soundtrack. Und spätestens beim flummihaften Darkfarmer-Remix von Tahiti 80's „Changes“ - pingpongende Effekte, clubhousige Details – dürfte der Wohnzimmerteppich eingerollt werden, um den Tanzwütigen Platz zu schaffen. Apropos Details und Platz: Swayzak überladen die Tracks niemals, geschmackvoll wählen sie die Gimmicks aus, mit denen sie die ihnen überlassenen Stücke aufpolieren. Brown und Taylor agieren sanft, spülen aber nicht weich – Bergheim 34's Klassiker „Random Access Memory“ mit dem feenhaften weiblichen Gesang bekommt einen schönen Achtziger-Basslauf untergeschoben, überhaupt verteilen Swayzak gerne Eighties-Referenzen, die zum Beispiel New Orders Bedeutung für Minimal und House in neuem Licht erscheinen lassen. Aber auch Dub geht gut bei Swayzak: mit Systemwides „People of the Book“ kann Babylon brennen! CD Nummer zwei wirft einen tiefen Blick in Swayzaks Vergangenheit, zehn eigene Tracks, die zwischen 1994 und 2005 aufgenommen wurden, zeichnen die verschiedenen Schaffensperioden der beiden Tüftler auf: von Minimal bis zu tiefem House haben Brown und Taylor alles ausprobiert und doch von Anfang an einen unverwechselbaren, warmen Sound geschaffen. Swayzak verbraten keine Klischees, ihr Techno haut nicht prollig in die Magengrube, sondern federt elegant aus den Boxen.

Damit der durch Swayzak aufgelockerte Knie- und Hüftbereich nicht wieder versteinert, sollte man nun direkt mit

Cover

VoomVoom, Peng Peng
weitermachen. Bitte hier nicht vom beknackten Projektnamen/Albumtitel verunsichern lassen: hier rulen Geschmack und Style, die Namensgebung ist wahrscheinlich ein champagnerbeeinflußter Scherz. Egal, hinter diesem Projekt stecken Herr Kruder (ohne Herrn Dorfmeister), Herr Prommer und Herr Appel (Trüby Trio/Fauna Flash) und toben sich gehörig aus. Laut Roland Appel wollten die sich die drei Buddies gegenseitig mit ihrem neuen Equipment beeindrucken und mal so richtig voreinander angeben. Das jungstypische Posing hat zu einem supertanzbaren Ergebnis geführt, hier trifft House auf Detroit Techno, bounct Funk auf Ambient, alles geht, alles funktioniert. James-Bond-Film-Vocals blinken im House-Track „All I Need“ auf, gut Kopfnicken kann man beim metallisch hallenden „Keep the Drums Out“, das ganz klar von Aphex Twin beeinflußt ist, ein technoider Dancefloor-Stomper ist „Logan“, sexy und deep wird's bei „Best Friend“, das aber auch ein wenig an Steely Dan erinnert - das Label erfindet für die stilistische Fülle VoomVooms den Begriff „intelligent electronic body music“, den man aber nur ungeschickt und unelegant mit „IEBM“ abkürzen kann. Dieses Kürzel klingt nach Fachmesse für Elektronikbedarf, aber nichts wäre unpassender: der Luxusclub von Kruder/Prommer/Appel ist geräumig, elegant, weltoffen und smart. Da kann auch der grenzwertige Name nichts vermasseln.

Cover

electroluvs are a boy/girl, electronic/electric duo from
Scotland who love analogue noise and soaring melodies.

Viel mehr Info gibt es nicht zum schottischen Duo Electroluvs, deren famose Platte Bubblewrapped zu Büchsenbier genauso paßt wie zu schrillbunten Cocktails.

Billy und Kaye lassen die Synthesizer fiepen und piepsen, jagen Gitarre und Percussion durch die Programmiermaschinen und fabrizieren eine Mixtur, wie sie nur Menschen von der Insel hinbekommen. Electroluvs kombinieren Achtzigerjahre-Wavepop-Elemente, stimmig bis ins Artwork, und klingen dabei wie die B-52's, Altered Images, die Primitives und – ja – The Fall in einem. Der Boy-Girl-Gesang mit dm schottisch-näselnden Tonfall gibt dem Ganzen den besonderen Charme, wild, trashig, verrückt und irgendwie altmodisch klingt Bubblewrapped und wird so zur perfekten Partyplatte. Aus der Wundertüte purzeln zehn hemmungslos künstliche und eklektizistische Synthieperlen, sehr charmante wie die Coverversion von „Spooky“ oder der Titeltrack, bei dem sich ein Banjo und das Tick-Tick-Tack-Motiv der „Schwarzen Hand“ hallo sagen. „Teenage Timebomb“ ist ein wildes Ding mit flach-flappender Synthiepeitsche, treibendem Bass und aah-haa-haa-Backgroundgesang. „Wicked Girl“ sollte man hören, während man mit seiner neuen Bekanntschaft den weiteren Abend plant: „Take some time, work it out, do you want me as your lover? I'm not gonna live in the kitchen and I'm not gonna be your mother“ singt Kaye, antifeministische Tendenzen dürften sich so schnell erledigt haben. Auch wenn Electroluvs keine ausgesprochene Dancefloormusik machen, kann man sich zu allen Tracks entweder ungelenk-eckig oder entfesselt-wild bewegen. Es gibt sogar einen eingebauten Engtanz, bei „Over + Over“ mit twangender Teenage-Opera-Gitarre kann man sich vortrefflich aneinanderschmiegen. Bubblewrapped wird schwer erhältlich sein (in Deutschland über x-mist.de, bei Amazon ist die Platte nicht gelistet), aber der Beschaffungsaufwand lohnt sich, versprochen!

Cover

Nach Electroluvs paßt nichts besser als Elektrowilli. Die Legende erzählt folgendes: Elektrowilli und sein Sohn betreiben einen kleinen Waschmaschinenladen in Aachen. Willi bastelt aus den Trommeln ausrangierter Waschmaschinen Synthesizer und Klangmodulatoren und hat vor einigen Jahren das kleine Elektroniklabel modul8 gegründet. Unter den Namen „Aeric“ und „Alphawezen“ konnten erste Achtungserfolge erzielt werden. Willis Sohn Klaus (oder Daniel?) schreibt in seiner knappen Freizeit Gedichte, die er in seiner Literaturzeitschrift (SIC) veröffentlicht. Einiges von dieser Geschichte ist wahr, anderes erstunken und erlogen – aber was Dichtung, was Wahrheit ist, wird völlig egal, wenn man zu treibendem Klickklack-Electro „Du hast mir Töne in mein Haar geschmiert, doch meine Kopfhaut ist rasiert“ skandiert. In dieser kleinen Klangwäscherei spielen sich Punk, Disco, Subversion und Irrsinn die Megaperls zu, tanzen kann man garantiert noch vor dem Schleudergang. Elektrowilli und sein Sohn brainwashen Euch porentief rein: „Du bist das Knacken in der Rille, du bist der Knopf an meinem Kittel“. Diese fette Wahnsinnsbeute hat schon den Pudels Club gerockt und bald kommen sie auch zu Euch nach Hause! Mit Mangelservice!