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22. Juli 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Hangover (R: Todd Phillips)
Hangover (R: Todd Phillips)
Hangover (R: Todd Phillips)
Bilder © 2009 Warner Bros. Ent.
Hangover (R: Todd Phillips)
Hangover (R: Todd Phillips)
Hangover (R: Todd Phillips)


Hangover
(R: Todd Phillips)

Originaltitel: The Hangover, USA / Deutschland 2009, Buch: Jon Lucas, Scott Moore, Kamera: Lawrence Sher, Schnitt: Debra Neil-Fisher, Musik: Christophe Beck, Production Design: Bill Brzeski, Supervising Art Director: Andrew Max Cahn, mit Bradley Cooper (Phil Wenneck), El Helms (Stu Price), Zach Galifianakis (Alan Garner), Justin Bartha (Doug Billings), Heather Graham (Jade), Sasha Barrese (Tracy Garner), Jeffrey Tambor (Sid Garner), Ken Jeong (Mr. Chow), Rachael Harris (Melissa), Mike Tyson (Himself), Mike Epps (Black Doug), Faleolo Alailima (Tyson's Bodyguard), Jernard Burks (Leonard) Rob Riggle (Officer Franklin), Cleo King (Officer Garden), Nathalie Fay (Lisa, Receptionist), Dan Finnerty (Wedding Singer), Nicholas Furu (Stun Gun Boy), Angelica Flameno (Stun Gun Girl), Todd Phillips (Mr. Creepy), 100 Min., Kinostart: 23. Juli 2009

Regisseur Todd Phillips kreierte mit Filmen wie Road Trip oder Old School fast ein eigenes Genre, denn auch Männer in mittlerem Alter erinnern sich gern an die Erlebnisse, die sie in der Jugend hatten oder verpasst hatten, und so gibt es nun analog zu Highschool-Sexkomödien wie Porky's oder American Pie ebenso infantil-pubertäre verfilmte Vatertagstouren, bei denen auch sein neuester Film The Hangover anschließt. Interessant ist hierbei aber schon mal, dass die absurden Erlebnisse eines leicht entgleisten Junggesellenabschieds nicht einfach chronologisch erzählt werden, sondern der Film eigentlich mit einem "Filmriss" beginnt, und einige ziemlich abgehalfterte Herren aus der Wüste die Braut-in-spe anrufen, um sie zu informieren, dass die Hochzeitfeierlichkeiten durch ein gewisses Dilemma erschwert werden: "Wir haben Doug verloren." Schon in diesen ersten Minuten waren die Filmemacher immerhin geistesgegenwärtig genug, das sich abzuzeichnende Thema bereits visuell einzuarbeiten, denn The Hangover beginnt mit vielen Unschärfen und Details, die durch unzureichend transparente Kulissen davor bereits den Informationsnotstand der Protagonisten ankündigen. Da Erinnerungskomödien wie Groundhog Day oder 50 First Dates mitunter ganz gut funktionieren, deutet sich hier schon durch den Trailer an, dass die Mischung aus Memento und Road Trip vielleicht sogar mehr als eine Standard-Komödie zu bieten hat.

Doch der Film beginnt nach diesem kurzen Prolog erstmal erneut, zwei Tage zuvor, um die vier Protagonisten vorzustellen. Da ist der Bräutigam Doug (Justin Bartha), ein eigentlich ganz vernünftiger Knabe. Sein bester Freund Phil (Frauenschwarm Bradley Cooper in der wenig kaschierten Hauptrolle) ist bereits verheiratet und mit Kind, und erwartet sich darob von dem gemeinsamen Trip nach Las Vegas eine gewisse "Auszeit". Gleiches kann man auch über den Zahnarzt Stu (Ed Helms, der hier ähnlich verpieft wie Bastian Pastewka oder Alan Ruck wirkt) sagen, der zwar noch nicht verheiratet ist, aber von seiner Freundin Melissa an der weitaus kürzeren Leine gehalten wird. So gab es wohl schon Fälle von domestic violence, und während Melissa auf irgendeiner Kreuzfahrt mit einem Pagen fremdging, verkauft Stu die geplante feuchtfröhliche Tour vorsichtshalber als harmlosen Ausflug in ein Weingebiet. Wodurch sich spätere Probleme bereits andeuten. Der vierte im Bund ist Dougs neuer Schwager Alan (Zach Galifianakis wirkt vom Typ her wie ein junger John Goodman), der mit einigen sehr seltsamen Verhaltensweisen auffällt, und seine mitunter galoppierende Dummheit gerne stolz vorführt, indem er beispielsweise nachfragt, ob der "Caesar's Palace" in Las Vegas denn eigentlich das "Original" ist, also der römische Feldherr hier auch wirklich Vorbesitzer war. Er trainiert sich auf den Vegas-Besuch mit einem Fachbuch über das Kartenzählen, als die anderen drei ihn darauf hinweisen, dass dies verboten sei und zu Problemen führen dürfte, klärt er sie auf, dass die legale Situation so sei, dass Kartenzählen lediglich "verpönt" sei, ähnlich wie das Masturbieren in Flugzeugen. Dies sollte die Figur ausreichend charakterisieren.

Man borgt sich den teuren Wagen des Schwiegervaters (Jeffrey Tambor) und landet sehr bald in Vegas, wo man auf dem Dach des Hotels einen gemeinsamen Toast ausspricht: "Auf eine Nacht, die wir vier niemals vergessen werden!". Woraufhin drei der vier in der komplett vernichteten Luxus-Suite erwachen (Stu wusste von Anfang an, dass er die Buchung nicht über seine Kreditkarte laufen lassen sollte), in der unter anderem ein unbekanntes Baby liegt. Und ein ausgewachsener Tiger das Badezimmer unbenutzbar macht.

Und die daran anschließenden Unternehmungen, herauszubekommen, was in dieser Nacht geschah und wo Bräutigam Doug abgeblieben ist, sind wirklich erstaunlich unterhaltsam, denn dadurch, dass sich immer größere Probleme auftun (u. a. Kidnapping, Autodiebstahl, zwei Geldtaschen, eine Wette über zahnmedizinische Fertigkeiten, Mike Tyson und eine Spontanheirat), kann der Film eine gelungen Spannungskurve anbieten, und selbst der aufgeweckteste Zuschauer wird immer über drei bis vier Details im Dunkeln gehalten, ehe sich das Puzzle nach und nach zusammensetzt.

Auch die Besetzung ist ein Glücksgriff. Bradley Cooper, den man sonst nur in Nebenrollen kannte (He's just not that into you, Yes Man), bewährt sich als straight leader, Ed Helms und Zach Galifianakis sind echte Entdeckungen, und gerade die Nebenrollen sind liebevoll besetzt, wobei ich hier vor allem auf meinen neuen "Schnuckel" Ken Yeong (spielte zuvor u. a. einen Gynäkologen in Knocked Up und den King Argotron in Role Models) hinweisen möchte, der eine "Intro" in den Film hat, von der man noch lange reden wird ...

Der eingehend angestellte Vergleich mit Memento hinkt gewaltig, aber The Hangover ist trotz überschaubarer Ambitionen wahrscheinlich einer der witzigsten und unterhaltsamsten Filme des Jahres.