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8. März 2009 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||||||||||||||||
Watchmen
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Im Fall von Watchmen, einer 12teiligen Comicserie von Alan Moore und Dave Gibbons, hätte man sich vielleicht entsprechend eine 12teilige Serie von Filmen gewünscht, gerade weil die Einzelhefte trotz der fortlaufenden Handlung immer stark in sich abgeschlossen sind. Streng genommen gehöre ich aber zu den Fans dieses Werks, die eigentlich auf eine Verfilmung auch gern verzichtet hätten, weil es von vornherein unmöglich schien, der Komplexität des Werkes gerecht zu werden. Als es mal hieß, Terry Gilliam sei interessiert an einem Watchmen-Film, war man zumindest interessiert, was Gilliam daraus machen könnte, doch schnell folgten dann die Horrorgeschichten, dass irgendwelche Studiobosse Rorschach einen kleinen Hund zur Seite stellen wollten (besonders blödsinnig angesichts der Ereignisse in Heft 6), und schon bald kümmerte sich Gilliam wieder um andere Dinge. Eine ganze Zeit später war dann von Darren Aronofsky die Rede, doch wirklich glaubhaft wurde das Projekt erst, als Zack Snyder damit verbunden wurde. Snyders 300 war bekanntlich ein immenser Erfolg, und wer aus solch einem Stoff mit größtenteils unbekannten Darstellern einen Film machen kann, der laut imdb mehr eingespielt hat als The Matrix und Gladiator (weltweit fast eine halbe Milliarde Dollar), dem traut man offenbar auch zu, dass er ein Millionenpublikum für einen Watchmen-Film mobilisieren kann.
Moore, der nach recht missratenen Filmversionen von The League of Extraordinary Gentlemen oder From Hell bereits bei V for Vendetta komplett seinen Namen aus dem Filmprojekt zurückgezogen hatte, verfolgte diese Politik auch bei Watchmen, Zack Snyder hingegen verkündete schon sehr früh, dass eines seiner Ziele sei, einen Film zu drehen, der Alan Moore gefallen könne ("We all want to please Alan"). Wie er seine hehren Ziele allerdings im weiteren formulierte, gab eingeweihten Beobachtern eher den Grund für erste Befürchtungen, denn Snyder schraubte seine Hoffnung insofern zurück, als dass Alan Moore (der die Verfilmungen seiner Werke ganz bewusst gar nicht mehr sehen will) nun nach einer womöglichen Sichtung des Films auf DVD (bereits das Trägermedium birgt eine gewisse Einschränkung) sagen möge "You know, they didn’t fuck it up that bad." Nicht nur wirkt diese Formulierung nicht eben wie ein Lob, auch dass Snyder Moore Worte in den Mund zu legen versucht (oder "zu hoffen versucht"), die den Unterschied im verbalen Duktus der beiden Herren überdeutlich demonstrieren, ließ einen daran zweifeln, wie ernst Snyder seine ursprüngliche Zielsetzung noch nahm.
Als man Moore zu Zack Snyder befragte, äußerte sich dieser wie folgt:
He may very well be [a nice guy], but the thing is that he's also the person who made 300. I've not seen any recent comic book films, but I didn't particularly like the book 300. I had a lot of problems with it, and everything I heard or saw about the film tended to increase rather than reduce them: it was racist, it was homophobic, and above all it was sublimely stupid. I know that that's not what people going in to see a film like 300 are thinking about but ... I wasn't impressed with that ... I talked to Terry Gilliam in the '80s, and he asked me how I would make Watchmen into a film. I said, “Well actually, Terry, if anybody asked me, I would have said, 'I wouldn't.'” And I think that Terry eventually came to agree with me. There are things that we did with Watchmen that could only work in a comic, and were indeed designed to show off things that other media can't.
Vorfreude ist die schönste Freude
Wie Snyder und seine Helfer die Massenmedien nutzten, um die nicht wenigen Fans des Comics für Werbezwecke zu nutzen, war immerhin beachtlich. Wie bei vielen Comic (beispielsweise The Sandman) ereiferten sich die Fans schon sehr früh über das Casting einer möglichen Verfilmung. Wenn man den perfekten Athleten Adrian Veidt sieht, mag man an den jungen Paul Newman denken, und jeder Fan hat da so seine eigenen Wunschträume. Als Snyder noch weit entfernt davon war, sich um die Besetzung zu kümmern, entdeckte Jackie Earle Haley in einem Internetforum, dass einige Fans ihn für die perfekte Besetzung von Rorschach hielten. Der Schauspieler kannte den Comic damals noch nicht, besorgte ihn sich aber und setzte sich im weiteren (offensichtlich mit Erfolg) dafür ein, diese Rolle zu bekommen. Solche Mythen nähren natürlich den Eindruck, man arbeite "für die Fans" und für den bestmöglichen Film - und nicht etwa nur für das Geld.
Es folgte dann ein Trailer, der vielen Fans das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ (mich ließ er eher kalt), und neben der konkreten Einbindung von Zeichner Dave Gibbons (dessen luxuriös ausgestattetes Begleitwerk zum Comic namens Watching the Watchmen relativ zeitnah zum Filmstart erschien) war wohl eine der besten Ideen, dass man nicht nur den Schriftzug und das (beispielhafte) Design übernahm (ähnlich wie bei Sin City oder 300) sondern auch Begleitmaterial wie die ursprünglichen Promo-Poster zur Comicserie mit den Schauspielern nachstellte und so der Anspruch der Authentizität, den 300 und vor allem Sin City in die Waagschale der Comicverfilmungen einbrachten, zu Genüge befriedigt wurde, um den Hype ins Rollen zu bringen.
"I want a bloody costume!" (Colin Farrell als Bullseye in Daredevil)
Innerhalb des offiziellen Pressematerials gibt es somit auch einige Gegenüberstellungen von Comic und Film, die die Nähe zum Original demonstrieren sollen, wobei der Vergleich vor allem über die Kostüme stattzufinden scheint, wo gerade hier auffällige Unterschiede auszumachen sind, denn einige der Designs von Dave Gibbons waren nie dafür gedacht, in so etwas wie Realität umgesetzt zu werden. So ist der Eulenanzug der Nite Owl (II) im Comic eher etwas behäbig anzuschauen, was durchaus zum Bauchansatz von Daniel Dreiberg passt. Im Film wird Dreiberg von Patrick Wilson (der Nachbarschafts-Stecher von Kate Winslet in Little Children) dargestellt, bei dem man diesen Bauchansatz allenfalls sieht, wenn er ein Kostüm (mit eingebauten Minimal-Fatsuit) trägt. Das Kostüm der Nite Owl im Film hingegen wirkt weitaus martialischer als im Comic, vom Autor akademischer Schriften wie "Blood from the Shoulder of Pallas" (Bonusmaterial in Heft 7) und der damit einhergehenden Mentalität der Figur merkt man im Film recht wenig. Auch bei Adrian Veidt, der anderen einer klassischen Bildung verpflichteten Figur aus Watchmen, gibt es ein sehr klassischen violettes Gewand mit goldenen Accessoires, das er im Comic sowohl als im Fernsehen auftretender Kunstturner als auch als Verbrechensbekämpfer trägt, und an das sein Dress Code als Geschäftsmann stark angenähert ist. Im Film hingegen gibt es eine strikte Trennung zwischen zwei Kostümen (der Turnauftritt entfällt ganz), wobei der Superheld Ozymandias in einem Kostüm auftritt, in dem man noch Aspekte der Comic-Vorlage wiedererkennen kann, das aber eher an den Gummianzug von Michael Keaton in Batman erinnert. Und als Geschäftsmann trägt Veidt einen unauffällig geschnittenen lila Anzug, wobei man auch kurz darauf eingehen könnte, dass violett, wie man es in Comics vor allem im Wechselspiel mit (gift)grün bei psychisch zerrissenen Figuren wie Hulk oder dem Joker kennenlernte, heutzutage im Filmbereich durch die Auftritte von Samuel L. Jackson in Unbreakable und The Spirit Assoziationen mit sich bringt, die in diesem konkreten Beispiel nicht von Vorteil sind.
Beim "Comedian" vollzieht sich während der langen Karriere der Figur im Comic ein Kostümwechsel, der eigentlich einen Schutzfaktor mit sich bringen soll, im gleichen Atemzug aber die unangenehmen Charakterzüge der Figur in einer Sado-Maso-mäßigen Maske nach außen kehrt, wie man sie in Comics ansonsten höchstens von Kevin O'Neills "Marshall Law" und Rick Veitchs "Dr. Blasphemy" (aus Brat Pack) kennt, also von zwei offensichtlichen Parodien bzw. Satiren auf das Superhelden-Genre. Im Film hingegen wird die Figur weitaus positiver gezeichnet (was auch einher geht mit der Besetzung des Frauenschwarms Jeffrey Dean Morgan), selbst ein im Film recht eindeutiger Hinweis darauf, dass der "Comedian" sogar hinter dem Attentat auf John F. Kennedy steckt (und zwar nicht als Drahtzieher, sondern als Heckenschütze), kann den schelmischen Charme dieser Figur nicht überdecken, der an Darsteller wie Jack Nicholson oder Robert Downey jr. erinnert, denen man auch die schlimmste Missetat verzeihen würde.
Wo das Lack-und-Leder-Kostüm des "Comedians", das durchaus an den "Gimp" in Pulp Fiction erinnert, im Film ausgespart wird, da wird aus der Figur, die im Comic mit gutem Grund "Silk Spectre" heißt, so etwas wie eine "Latex Spectre". Doch zum Thema Sex werde ich an späterer Stelle noch ausführlicher kommen.
Die anderen zwei Kostüme sind hingegen großartig gelungen. Dr. Manhattan hat im besten Fall nur einen kleinen Fetzen Stoff um die Lenden geschlungen, der sein Geschlechtsorgan verbirgt, und bei diesem hat man sich ganz an das minimalistische Design von Gibbons gehalten. Und bei den (nicht wenigen) Szenen, wo man den Penis von Dr. Manhattan im Comic relativ keusch eher symbolhaft andeutete, da nutzt Zack Snyder ganz die Freiheit eines ohnehin nicht jugendfreien Films und bestückt den blauen Riesen mit einem beachtlichen Gehänge, was man aus Sicht der PR auch noch mit einem entsprechenden "Dr. Manhattan-Kondom" thematisierte. Sicher einer der nützlichsten Merchandise-Artikel, die man so bekommen kann.
Bei Rorschachs Maske, die man in den 1980ern wohl als filmisch unumsetzbar eingestuft hätte, haben sich die Effect-Experten viel Mühe gegeben. Nicht nur ist das Rorschach-Muster an Stelle des Gesichts jederzeit in Bewegung, was im Comic natürlich immer nur angedeutet wurde, man kann als Zuschauer sogar erkennen, dass sich die schwarzen und weißen Flächen auf dem Tuch, das das wahre Gesicht dieser Person verbirgt, schneller bewegen, wenn Rorschach erregt ist. Dies ist eines der wenigen Details des Films, wo man die Vorgabe des Comics durchaus noch auf kongeniale Weise ausgebaut hat.
Aller Anfang ist gelb
Was man dem Film Watchmen durchaus attestieren kann, ist, dass er sehr stark beginnt. Schon die Logos der Produktionsfirmen sind in schwarz auf gelb gehalten, und aus diesem Gelb entwickelt sich dann jener Smiley-Button, der zu Zeiten der Erstveröffentlichung des Comics einen seltsamen Hype im Zusammenhang mit Raves und Ecstasy-Pillen (ebenfalls durch ein Lächeln verziert) erfuhr. Die Struktur der Geschichte wird zwar schon zu Beginn des Films geringfügig umgestaltet, aber dies macht aus Sicht des Mediums Film, wo man nicht zwischendurch noch mal nachschauen kann, was vier Seiten zuvor passierte, durchaus Sinn. Der stilprägende Sturz des "Comedian" findet sich natürlich zu Beginn des Films wieder, selbst wenn die Kampfszene etwas ausgewalzt scheint, und das Timing zwischen Aufditschen des Smiley-Buttons und Ausbreiten einer Blutlache bereits etwas argwöhnisch stimmt.
Dann folgt der Vorspann, der zwischen Bullet-Time und Zeitlupe so etwas wie ein historisches Bild dieses Parallel-Amerikas zu erzählen versucht, in dem Superhelden eine wichtige Rolle spielten - auch bei Ereignissen, die sich in unserer realen Welt durchaus ähnlich abspielten. Hierbei drängt sich aber der Verdacht auf, dass die Filmemacher beim Anblick des Smileys an Forrest Gump erinnert wurden, den vermeintlichen Erfinder dieses Signets. Denn den Handschlag mit Präsident Kennedy und die Blumenkinder gegenüber der Polizeimacht haben im Watchmen-Comic ebensowenig eine Rolle gespielt, wie man dort eine Nachstellung des letzten Abendmahls von da Vinci mit einer schwangeren Superheldin anstelle von Jesus findet. Oder eine lesbische Version des berühmten Fotos von Alfred Eisenstaedt, auf dem ein Matrose der Navy nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs am Times Square eine Krankenschwester küsst. Vielleicht wollte Snyder, dem man nach 300 ein fehlendes Gespür für Politik nachsagte (um es mal nett zu formulieren), hier etwas auftrumpfen, doch ähnlich wie die Nummernrevue der unzähligen Cameo-Auftritte bekannter Persönlichkeiten (ein Großteil davon ist in den Stabangaben oben aufgeführt) wirkt dies etwas beliebig. Wenn Alan Moore in Watchmen ein historisches Ereignis einbaute, dann eigentlich immer, um die Geschichte voranzutreiben, und dieser durch den Metatext der historischen Hintergründe zu noch mehr Komplexität zu verhelfen. Davon kann bei den geschilderten Szenen nicht die Rede sein.
The devil is in the detail
Ein bedeutender Faktor beim Erfolg der Comicserie Watchmen war auch die Detailgenauigkeit, und die Aussage hinter den Details. Alan Moore ist für seine akribischen Panelbeschreibungen bekannt, und Dave Gibbons könnte sowas wie das Superhelden-Pendant der ligne claire sein. Und so kann man noch beim zehnten Lesen kleine Details erkennen, jeder Manschettenknopf oder Zuckerwürfel kann eine Funktion besitzen.
Die berühmte Szene mit Dr. Manhattans Manschettenknopf findet sich immerhin im Film wieder - nur leider mit abgeschwächtem Effekt.
Als Rorschach festgenommen wird, findet man in seiner Hosentasche Würfelzucker, was durch einen findigen Polizisten die Verbindung zu Daniel Dreiberg (alias Nite Owl) verstärkt. Im Film sieht man keinen Würfelzucker, und den Polizisten sieht man auch nur zu Beginn in der Wohnung von Edward Blake. Wie überhaupt die "normalen" Menschen im Film größtenteils ausgespart werden.
Die Eheprobleme von Rorschachs Psychiater: man weiß nicht mal, dass er eine Frau hat. Der Tod von Hollis Mason: soll in einem Director's Cut nachgeliefert werden. Der Strassenkiosk, das narrative Zentrum des Comics, an dem viele immer wieder auftauchende Figuren, die oft auch für die Geschichte von Bedeutung sind, miteinander kommunizieren: wird (abgesehen von einer winzigen Szene) später nachgeliefert, wie auch die für die DVD angekündigten Tales of the Black Freighter (der Comic im Comic, zugegebenermaßen kaum umsetzbar - und als Animationsfilm für das Bonusmaterial sehr fragwürdig). Viele Details des Comics tauchen zwar im Film auf, werden aber nicht im geringsten aufgeklärt. So zum Beispiel der Herr mit dem Schild "The End is nigh", den man im Film immerhin zweimal erhaschen kann. Selbst der aufmerksamste Zuschauer wird ohne Kenntnis des Comics nicht auf die Idee kommen, dass diese Figur eine besondere Bedeutung hat.
Der Comicleser hingegen weiß, dass diese hässliche Gestalt beispielsweise den "New Frontiersman" liest, eine Publikation, deren politische Richtung sich für den uneingeweihten Kinogeher allenfalls über den Titel erahnen lässt. Im Comic wissen wir, wer dieses Blatt liest (neben dem Schildträger auch der "Comedian"), wir haben Einblicke in einige Seiten des Frontiersman (Bonusmaterial in Heft 8), wir wissen, was so in der Redaktion vor sich geht. Im Film hingegen gibt es nur ein drangepapptes Ende, bei dem die Publikation zum ersten Mal auftaucht (meines Wissens, habe den Film wie gesagt bisher nur einmal gesehen), und dann folgt auch bereits der Schlussgag, der dadurch (und wegen eines anderen Versäumnisses, das später erklärt wird) nicht annähernd so gut funktioniert.
Ein anderes Detail, das im Film völlig fehlt, sind die luftgekühlten futuristischen Zigaretten, die zum Beispiel Laurie raucht. Dies dürfte mit der kranken "Political Correctness" in Hollywood zusammenhängen. Nur der moralisch nicht eben einwandfrei erscheinende "Comedian" darf Zigarren rauchen, Laurie als wichtigste weibliche Identifikationsfigur geht plötzlich mit gutem Beispiel voran. Dass dadurch die Szene mit dem Flammenwerfer ziemlich verschenkt wird (wie sie auch aufgrund der fehlenden Polizeibespitzelung nicht annähernd die selbe Dramatik gewinnt), scheint ziemlich wurscht. Und das sind die kleinen Details, die das Lesen des Comics immer wieder zum Vergnügen machen, während der Film selbst beim mehrmaligen Schauen auf DVD nie diese Komplexität entwickeln wird. Wie man beim aufmerksamen Betrachten der Szenenfotos sieht, gibt es zwar beispielsweise auch mal im Bildhintergrund Plakate, auf denen für "Pale Horse" geworben wird, ohne Kenntnis des Comics wird ein Kinozuschauer aber nicht wissen, ob dies ein Comicverlag oder ein Haarshampoo ist. Das Problem der unterschiedlichen Ausnutzung solcher Details liegt zum einen am Medium, zum anderen daran, dass man wohl mit einem 163-Minuten-Film leben konnte, nicht aber mit einem Dreieinhalbstünder, der dann erst durch das Bonusmaterial der DVD nachgeliefert werden wird, auch wenn sich nachträglich der Effekt nicht einstellen wird.
Keep it simple, Stupid
Man hat neben den Tales of the Black Freighter, den Kioskszenen, Hollis Masons Tod und anderen Kleinigkeiten auch das Ende, den "Knalleffekt" der Geschichte, sehr stark vereinfacht. Im Film verschwinden keine Künstler auf eine geheimnisvolle Insel, es gibt keinen Angriff von Außerirdischen, und der Grund, warum Dr. Manhattan die Erde verlässt, ist plötzlich eine ziemlich seltsame Verschwörung, die zwar den Bösewicht noch böser erscheinen lässt, aber als von langer Hand geplante Kausalkette nicht wirklich funktioniert.
Immer dann, wenn Alan Moore im Comic eine besonders subtile Art wählte, die Geschichte voranzutreiben, wird der Kinobesucher an die Hand genommen, weil er ja einige Sachen beim ersten Mal nicht kapieren könnte. Statt der schönen Anfangsszene mit dem Kleiderbügel, die den gewieften Detektiv Rorschach einen doppelten Boden im Kleiderschrank finden lässt, sieht es diesmal so aus, als wüsste Rorschach längst Bescheid, und der rote Knopf, der die Wand zur Seite weichen lässt, muss nur hinter den Hemden gesucht werden.
Wenn Laurie nach ihrer ersten Nacht mit Dan ungalant ihren Ex-Lover ins Spiel bringt, ist dies ein Moment, den viele Comic-Leser übersehen könnten und vielleicht erst später bemerken. Im Film wird alles überdeutlich ausgesprochen, der entsprechende (deutsche) Dialog heißt etwa "Jetzt kann ich mir vorstellen, wie Jon die Welt sieht. Jon sieht sehr vieles, aber mich sieht er nicht mehr." Emotionen werden direkt ausgesprochen wie in einer Daily Soap, damit man der Geschichte selbst dann noch folgen kann, wenn man zwischendurch mal gerade in der "Gala" blättert. Ein ähnlicher Dialogfetzen: "Was ist bloß aus uns geworden und aus dem amerikanischen Traum." Selbst unter Androhung von Folter würde Alan Moore so etwas nicht schreiben.
Ganz ähnlich ist es auch bei Lauries Gespräch mit Jon auf dem Mars. Moore gelingt es, durch subtile Hinweise und immer wieder wiederholte Dialogfetzen, Lauries langsam einsetzendes Verständnis auszudrücken, das der Comic-Leser direkt miterleben kann (und je nach Intelligenz vielleicht auch erst etwas später realisiert). Im Film wird alles direkt ausgesprochen, statt auf eine Offenbarung subtil hinzuarbeiten, ist es wichtiger, dass die Eckpunkte der Geschichte wie auf einer Checklist möglichst schnell abgehakt werden.
Auch die kleinen visuellen Motive, die ohne direkte Funktion Assoziationen und Interpretationsversuche vorantreiben, haben im Film größtenteils nichts zu suchen. Von Adrian Veidts Parfüm-Marke Nostalgia hat man immerhin den Song aus der Fernsehwerbung übernommen, die im Flug rotierende Parfümflasche, die ein gesamtes Heft lang wie ein dräuender Flash Forward Lauries Frust (der sich destruktiv entlädt) repräsentiert, wurde weggekürzt, und mit ihr zusammen viele andere runde Glasobjekte wie die Schneekugel, die ihre Entsprechung in Veidts Hauptquartier findet. Die "Weltuntergangsuhr", die im Comic eigentlich mehr ein visuelles Thema darstellt, das auf den Heftrückseiten über den Verlauf der Serie im Zusammenhang mit dem fortschreitenden Blutstrom plötzlich tatsächlich eine überdeutliche Entsprechung in der Geschichte findet, wird im Film ohne die geringste Ironie wie ein gemeingültiges globales Messinstrument verwendet, wenn aber im Comic schon auf dem Cover des letzten Heftes wie ein ultimativer Schock tatsächlich eine Uhr von Blut überströmt wird, gibt es im Film nur eine austauschbare CGI-Explosion, wie man sie seit Independence Day Dutzende Male gesehen hat (und die mich das letzte Mal in irgendeiner Form berührte, als Bart Simpson einige Megaphone hintereinanderschaltet).
Die Form des Blutflecks auf dem Smiley taucht im Comic sehr auffällig immer wieder auf, im Film hingegen kaum, wie man auch auf die schönen Match Cuts (eines der filmischen Stilmittel, die Alan Moore zu einem Markenzeichen seiner Kunst umfunktionierte) verzichtet hat die Übergänge beim Rorschachtest erstaunlich versiebt hat. Ich sehe ein, dass der Blutfleck in seiner eher abstrakten Form im Comic besser wiedererkennbar ist (gerade auch, wenn er sich schon auf dem Cover findet), aber ist der Film nicht ein visuelles Medium, das so etwas umsetzen können sollte? Man hätte ja auch ein musikalisches Thema andeuten können, wann immer eines dieser Motive auftaucht, und zumindest unbewusst hätte der Zuschauer dieses registriert - doch Zack Snyder ist für solche filigranen Feinarbeiten einfach nicht die richtige Ansprechperson.
Sex und Gewalt
Weiter oben berichtete ich von Snyders Variation des Fotomotivs von "The Kiss at Times Square". Alan Moore hat im Comic auch einiges über gleichgeschlechtliche Liebe zu berichten, aber jeweils nur am Rande. So ist eine der Stammkundinnen des bereits erwähnten Kiosk offensichtlich lesbisch, und auch einer der Superheldinnen früherer Zeiten namens Silhouette hatte Probleme mit ihrer Sexualität. In Hollis Masons Autobiographie "Under the Hood" (Seite 8, abgedruckt in Watchmen Heft 2) heißt es:
Everybody knows what became of Silhouette and although it would be tasteless to rehash the events surrounding her death in this current volume, it provides proof for those who need it that for some people, dressing up in a costume did have its more libidinous elements.
Im Film sieht man bereits im Vorspann für einen kurzen Moment den Ort eines grausamen Verbrechens. In einem Bett liegen die übel zugerichteten Leichen zweier Frauen, an die Wand steht mit Blut geschmiert: "Lesbian whores". Als Kenner des Comics mag man jetzt kombinieren, dass dies den Tod von Silhouette zeigt, die am Times Square so was wie ein Coming Out (oder zumindest eine öffentlichkeitswirksame Bestätigung ihrer Sexualität) gehabt haben könnte (ich bin mir nicht im geringsten sicher, ob die zwei Szenen eine oder zwei gleiche Darstellerinnen zeigen), doch das war's dann auch. Bei 300 musste sich Zack Snyder den Vorwurf der Homophobie machen lassen (auch, wenn bereits Frank Miller hier einiges ins Arge bewegt hatte), und nun folgt ein Film, wo zwei Frauen sich küssen, und weniger als eine Minute später zeigt man uns zwei Frauen, die sich offenbar liebten, und dafür massakriert wurden. Was will uns der Künstler damit sagen?
Schon in 300 (hierbei nie vergessen, dass Frank Miller eine mindestens 70prozentige Teilschuld trifft) gab es Szenen, die Sex und Gewalt auf effekthascherische und zynische Weise verbanden ("This will not be over quickly. You will not enjoy this"), leider setzt sich der Trend in Watchmen fort. Lauries Latexkostüm hatte ich bereits erwähnt, bei der Szene, in der ihre Mutter (und Vorgängerin als Silk Spectre) vom "Comedian" beinahe vergewaltigt wird, gibt es im Comic vor dem Auftauchen des Missetäters zwei eher biedere Panels, bei denen nur der aufmerksame Leser feststellt, dass Sally im "Gutter" wohl ihren BH gewechselt (oder neu angezogen) haben muss (ihr Kleid ist schulterfrei, der BH hat Schulterträger). Im Film gibt es hier einige Close-Ups von Sallys Strapsen, die bei mir das unschöne Gefühl erzeugten, man wolle andeuten "Sie hat es ja nicht anders gewollt." Auch fehlt im Film (zumindest in der deutschen Synchro) Sallys Hinweis, dass sie beabsichtigt, sich umzuziehen. Auf jeden Fall wird hier auf unterschwellige und infame Weise der Sachverhalt geringfügig geändert. Dass die Figur des "Comedian" im Film (trotz der Kennedy-Erschießung) positiver wirkt, liegt natürlich nicht nur an Jeffrey Dean Morgan und dem freundlicheren Kostüm. Es sind auch diese unschönen Details, die dazu führen.
Nicht ganz so schlimm, aber dennoch ärgerlich ist auch die Umsetzung der Sexszene an Bord des Luftschiffes Archie. Moore arbeitet hier mit einer komplizierten Bilderfolge, die den Sex (gerade im Gegensatz zur vorherigen, eher missglückten Vereinigung auf dem Sofa) romantisiert und idealisiert, dabei aber nicht effekthascherisch wirkt. Snyder macht daraus die übliche Anderthalb-Minuten-Hollywood-Nummer draus, mit viel Gestöhne, einer Menge Einstellungen, die Brüste oder Hintern zeigen - kurzum: fast eine Fortsetzung zur orgiastischen Tempeldienerin in 300. Alan Moores aktuellstes Werk mag der großformatige Comic-Porno Lost Girls sein, aber selbst da verkommen die detailfreudigen Darstellungen sexueller Tätigkeiten nicht zu einer Pin-Up-Nummer, wie sie sich bei Frank Miller seit Sin City immer wieder in den Vordergrund drängt. Für Miller-Comics mag Snyder der richtige Mann sein, aber Watchmen ist eben nicht von Frank Miller.Auch bei der Darstellung von Gewalt ist Alan Moore keineswegs zartbesaitet, aber er macht daraus keine Verherrlichung, sondern betont immer auch die Konsequenzen. Man denke an die Szene mit Barbara Gordon in The Killing Joke: Eine Frau wird brutal durch einen Glastisch geworfen, spätere Fotos implizieren eine Vergewaltigung, doch das Ganze ist keine Lachnummer und kein Fleischbeschau: Barbara ist danach querschnittsgelähmt, entwickelt sich aber zu einer der stärksten Frauenfiguren im DC-Universum (auch wenn diese Entwicklung in keinem direkten Kausalzusammenhang zur Arbeit Moores steht).
Auch die Szene oben ist nichts, was man Zehnjährigen zeigen möchte. Die Bluttat findet zwar komplett im "Gutter" und somit im Kopf des Betrachters statt, aber es wird nichts verharmlost. Ähnlich ist es bei der Szene, wo Rorschach dem Hundebesitzer einen Besuch abstattet. Ein wenig überdeutlich bei Mad Max abgeschaut, aber dennoch wirksam.
Zack Snyder konnte damit offenbar wenig anfangen. Wirksame Waffen werden in beiden Fällen ein wenig umverteilt, und plötzlich hat man bei der Hundeszene Momente, wo viele Zuschauer zusammenzucken werden - und im Gefängnis haben die Insassen plötzlich eine hervorragend funktionierende, portable Motorsäge - kann man sich gegen Pfand im Werkraum ausleihen. Offenbar möchte Zack Snyder in jedem seiner Filme eine Szene mit einer Motor- oder Kettensäge haben (das gehört einfach zu seiner Lebensqualität), und dass er sich diese in 300 bisher das einzige Mal verkniffen hat, zeugt immerhin von einer gewissen Restintelligenz.
Auch die Szenen, in denen Laurie und Dan mit einigen Gangmitgliedern kämpfen, sind um etliches brutaler als im Comic. Dan bricht Arme wie Zahnstocher, das Blut spritzt nur so, und Laurie haut einem der Übeltäter mit ziemlicher Wucht ein Messer in den Hals. Das hat nicht nur nichts mit dem Comic zu tun, das verändert auch die Figuren (und in diesem Fall nicht zum Positiven).
Die ärgerlichste Szene in Sachen Gewalt und schlechtem Geschmack ist übrigens das letzte Rorschach-Bild des Films. Wo im Comic allenfalls subtil an eines der wiederkehrenden Motive (der Blutfleck auf dem Smiley) erinnert wird, versucht Snyder, einen menschenverachtenden Schenkelklopfer einzubauen - und der funktioniert (zumindest beim Pressepublikum) erschreckenderweise sogar.
Das größte Problem, das Alan Moore mit der Reaktion seiner Leser hatte, war, dass Rorschach, den er als brutalen, faschistoiden Unsympath ohne soziale Bindungen zeichnete, jemanden, dem man seinem ärgsten Feind nicht als Nachbarn wünschen möchte - dieser Rorschach wurde zum Publikumsliebling. Statt die Dekonstruktion des Superhelden-Genres einzuleiten, brachten Watchmen (und Millers The Dark Knight Returns) einen Boom, der zu immer brutaleren "Helden" (der Punisher hatte plötzlich drei monatliche Serien) führte. Und ähnlich wie bei 300 gelang es Zack Snyder, diese Tendenzen noch zu verstärken. Mr. Moore will not be pleased!
Der Director's Cut von Watchmen soll übrigens noch mehr Sex und Gewalt beinhalten - na vielen Dank!
Transfer Comic / Film und unterschiedliche Inspirationen
Die Comicserie Watchmen wird immer wieder gerne als Citizen Kane des Mediums Comic bezeichnet, oder auch mit Romanen wie Moby Dick verglichen. Im Zusammenhang mit dem Filmstart wurde auch immer gerne im Pressematerial herausgekehrt, dass Watchmen der einzige Comic ist, der er in einer Liste des Time Magazines auftaucht, die die 100 besten Romane seit 1923 (übrigens ausschließlich in englischer Sprache) benennt. Dabei übersehen wird, dass der Comic Watchmen so ausgezeichnet wurde, und nicht die Verfilmung, ganz so wie auch die Verfilmungen von All the King's Men, The Lion, The Witch and the Wardrobe oder 1984 (die Romane sind jeweils auch in der Liste) nicht automatisch Meilensteine der Filmkunst sind.
Bei Citizen Kane bedient sich Moore im Comic übrigens auch. Neben der bereits erwähnten Schneekugel, die auch hier wie ein Spiegelbild der Psyche benutzt wird (und man könnte auch den Xanadu-Zoo mit Veidts Treibhaus vergleichen), übernimmt Moore einen der berühmtesten Schnitte der Filmgeschichte, wenn von einem Bild einer illustren Journalisten-Riege über ein Blitzlicht zu einer neuen Fotosession geschnitten wird, bei der Charles Foster Kane bereits diese Journalisten für sein Blatt verpflichtet hat. In Watchmen gibt es dieselbe Bilderfolge (Heft 2, Seite 4), das Blitzlicht wird sogar über einen Lichtreflex vorweggenommen, einzig auf einen Match-Cut hat Moore hier ausnahmsweise verzichtet. Der Unterschied zwischen Citizen Kane und der Stelle aus dem Comic besteht vor allem darin, dass Welles eine clevere Ellipse einbaut, während Moore einen klassischen Flashback (inklusive "Flash") daraus macht. In der Verfilmung nähert man sich in Sachen Match-Cut sogar wieder Citizen Kane an, was durchaus lobenswert, weil clever ist.
Eine andere Filmanleihe bei Snyder ist der War Room, der sich anders als im Comic direkt an Stanley Kubricks Dr. Strangelove orientiert, was meines Erachtens des Thema des drohenden Weltuntergangs aufgrund des kalten Krieges ein wenig trivialisiert und verharmlost. Auch bei Moore (bzw. Gibbons) wirkt Richard Nixon wie eine Karikatur, im Film ist die entsprechend groteske Nase aber eine echte Lachnummer, ob beabsichtigt, sei dahingestellt.
Eine kurze Exkursion zum Thema "Special Make Up": Warum die Ohren von Moloch im Film immens an Spock erinnern, ist mir ein Rätsel. Sie sind zwar auch im Comic recht spitz, wirken dort aber nicht so unnatürlich. Und eine Figur, die zumindest in der deutschen Synchronisation überhaupt nicht funktioniert, ist die Sally Jupiter aus den Achtzigern. Carla Gugino ist eine ziemlich attraktive Frau, wie jeder schon bei Sin City feststellen konnte (dort ist sie die freundliche Psychaterin, die Marv hilft). In Watchmen sieht man sie aber abgesehen von einigen Pin-Up-Posen und der Fast-Vergewaltigung größtenteils auf alt geschminkt, was nicht unbedingt "state of the art" wirkt, sondern ähnlich unfreiwillig komisch, etwa wie bei Marty McFlys Mutter in Back to the Future II. Daran fühlte ich mich jedenfalls immens erinnert, und auch wenn die deutsche Synchronstimme von Sally (namens Madeleine Stolze, ich habe beim Abspann extra aufgepasst) nicht auch Elisabeth Shue in Back to the Future II sprach, so übernahm sie zumindest Frau Shues Rolle in Link (dt.: Link, der Butler), und ich bilde mir jetzt einfach mal ein, dass diese Stimmen sich zumindest etwas ähneln dürften. Jedenfalls brachte mich das Auftauchen von Jennifer McFly kurzfristig mal "raus" aus dem Film.
Einer der Comic-Effekte, auf dem ich beim Betrachten des Films regelrecht lauerte, war die Neonreklame des "Rumrunner", eines Lokals gegenüber der Wohnung von Edgar Jacobi alias "Moloch". Colorist John Higgins hat hier im Comic großartiges geleistet, in dem er teilweise über Doppelseiten hinweg das "Nine-Panel-Grid" (bei zwei Seiten sind es natürlich 18 Panels) wie ein Schachbrett erscheinen ließ, weil durch die an- und ausgehende Neonreklame nur jedes zweite Comic-Bild in ein rotes Licht getaucht wird. Wie bereits ausgeführt, ist auch dies ein Beispiel für die kleinen Details des Comics, deren Verständnis man sich erst aktiv erarbeiten muss. Im Medium Film kann man dieses krassen Farbwechsel natürlich nicht in der gleichen Prägnanz einbringen, aber dass man es so gar nicht versucht hat, fand ich schon ziemlich enttäuschend.
Auf den Comic im Comic Tales of the Black Freighter kam ich bereits zu sprechen, es gibt aber noch einen weiteren "Comic im Comic", und hierbei handelt sich wohl um die kongenial umgesetzte Stelle der Verfilmung, denn die "Tijuana Bible", in der Sally Jupiter zu ihren schärfsten Zeiten mal in eine Art inoffiziellen Comic-Porno-Star verwandelt wurde (sie fühlt sich geschmeichelt), wird als Comic im Film gezeigt, man kann die Gibbons-Zeichnung ohne Probleme wiedererkennen (auch, wenn es dafür wohl keinen Credit gab).
Weitere Comic-Momente im Film unterstützen einen Trend, den ich bereits ansprach. Wenn Nite Owl und Silk Spectre bei einem Hausbrand mithilfe des Luftschiffes Archie von den Flammen eingeschlossene Mieter retten, sieht man im Comic die gute Zusammenarbeit, Moore parodiert Lauries Beitrag zur Rettungsaktion als eine Art Stewardess (im Film nicht so deutlich), und anstelle des bestens für Löschaktionen ausgerüsteten Luftschiffs im Comic, das Dans hervorragende Ingenieurleistung demonstriert (wie man sie auch von dem Charlton-Vorbild "Blue Beetle" kennt), wird im Film wild geschossen, bis ein auf dem Dach stehender Wasserturm sozusagen durchs Dach bricht und zur Löschung beiträgt (seltsamerweise entwickeln sich durch diese Vorgehensart keine zusätzlichen Gefahrensmomente).
Es gibt zwar ein größeres Panel, das das Luftschiff aus der Vogelperspektive zeigt, auf dem man solche Wassertürme mehr erahnen als wirklich sehen kann, aber für mich sind diese Wassertürme für alle Zeiten mit Frank Millers Darstellung von "Hell's Kitchen" in Daredevil verbunden. Eine wirkliche Beweiskraft können meine Ansätze, dass Snyder eher für Miller- als für Moore-Verfilmungen geeignet ist, vielleicht nicht entwickeln, aber wenn er beim Angriff des SWAT-Teams auf Rorschach die Treppe von oben zeigt, wie man es von Miller aus Elektra lives again und einigen Sin City-Heften kennt, dann drängt sich mir dieser Verdacht erneut auf. Dass man kurz darauf in dieser eigentlich ganz gelungenen Szene einfallslos The Matrix nachäfft ("ich kann schneller laufen als ihr schießen könnt, bzw. eure Schußwaffe rumreißen könnt"), nahm mich hingegen nicht für den Film ein.
Und als etwas plumpe Überleitung zum Thema Soundtrack will ich noch eine (musikalische) Filmanspielung erwähnen, die mir zu beginn des Jahres in Valkyrie (immerhin auch von einem Experten für Comic-Verfilmungen) noch positiv auffiel: Wenn Dr. Manhattan als Gigant in den Vietnamkrieg eingreift (im Comic schön durch eines der wenigen Fast-Splashpages umgesetzt), ist es schon immens einfallslos, mal wieder Wagner Walkürenritt einzuspielen (Hubschrauber sieht man natürlich auch im Hintergrund). Dies hat für mich weniger mit einer Verwendung eines bestehenden Meta-Textes zu tun, sondern mit Faulheit der Filmemacher.
"Hielten sich für Captain Kirk - Das gab ein großes Feuerwerk"
Eingangs erklärte ich mal, das ein Comic keinen Soundtrack besitzt. Für Watchmen muss man diese Aussage einschränken, denn Moore baut nicht nur Nat King Coles Unforgettable (auch im Film) mal geschickt ein, er stellt den einzelnen Heften / Kapiteln größtenteils (in den Heften noch nicht durchgehend, im Sammelband wurde es aber nachgeholt) ein Zitat ans Ende, das den Titel des jeweiligen Kapitels aufgreift. Die Zitate stammen unter anderem von Blake und Shelley, aus der Bibel, von Einstein, Jung, und Nietzsche, aber eben auch von Elvis Costello, John Cale und Bob Dylan (letzterer sogar zweimal!). Und da freut man sich natürlich, wenn sowas vom Soundtrack des Films zumindest teilweise aufgenommen wird. Jedenfalls weitaus mehr als über The Sound of Silence von Simon und Garfunkel oder Hallelujah von Leonard Cohen, die beide längst totgedudelt sind, und thematisch dem Film nicht unbedingt zu mehr Tiefe verhelfen. Me and Bobby McGee von Janis Joplin verstärkt noch mal den Forrest Gump-Eindruck, aber etwa so ärgerlich wie der Walkürenritt ist die Dauereinspielung von Philip Glass (es kam mir vor wie drei Tracks vom Koyaanisqatsi-Soundtrack, kann aber auch ein extrem langer gewesen sein) bei den Szenen auf dem Mars. Ja ja, das Leben ist im Aufruhr begriffen, aus dem Gleichgewicht geraten, und Dr. Manhattans Mars-Architektur bricht zusammen wie es der ganzen menschlichen Zivilisation mal passieren wird, aber doch bitte keine gefühlte Viertelstunde lang!
Recht clever und für ein deutsches Publikum sehr belustigend (vor allem natürlich in der Originalfassung) war hingegen der Einsatz von Nenas 99 Luftballons. Zum einen ein Song aus der Zeit, in der der Film spielt, zum anderen behandelt der Text natürlich gerade die damalige Weltuntergangsstimmung. Und das dies für das amerikanische Publikum in einer Fremdsprache geschieht, entspricht durchaus Alan Moore, der auch gern mal die Sprachkenntnisse seiner Leser fordert.
Ein Wort zum Schluss
In 300 wurde es Zack Snyder sehr leicht gemacht, die Comicbilder möglichst originalgetreu auf die Leinwand zu zaubern, denn der Comic zeichnet sich dadurch aus, dass viele Doppelseiten für riesige Splash-Pages benutzt wurden, es ist sozusagen ein Widescreen-Comic. Das Nine-Panel-Grid bei Watchmen sorgt dafür, dass die allermeisten Bilder im Hochformat sind, was eine offensichtliche Schwierigkeit birgt. Wie man aber sehen kann, ist es sogar möglich, ein extremes Hochformat wie bei den vertikal noch mal halbierten Bild der Umarmung vor der Atombombenexplosion (hat James Cameron eigentlich auch Watchmen gelesen?) oben ohne Probleme in ein breitformatiges Bild zu verwandeln, ohne den Effekt einzuschränken oder großartig zu verändern (okay, es ist ein sehr spezifisch ausgewähltes Beispiel, aber wer etwas über Schlangen und Begräbnisse hören will, der muss an dieser Stelle enttäuscht werden).
Ein Moment des Comics, den wahrscheinlich niemand vergessen wird, der jemals Watchmen gelesen hat, ist das letzte Bild, das das visuelle Thema des ersten Panels aufgreift, gleichzeitig die Einheit von Wort und Bild über Rorschachs Tagebuch (zu Beginn noch in der "Caption" zitiert, hier als Buch) thematisiert, und dem Comic eine Closure verleiht, deren Bedeutung ich hier nicht genauer erklären möchte - für den Fall, dass es irgendwelche Wahnwitzigen gibt, die diesen Text lesen, bevor sie zumindest Film oder Comic konsumiert haben.
Vor dem Film war für mich klar, dass diese Szene 1:1 mit einem Freeze Frame nachgestellt werden würde (das Verharren in der Bewegung als Entsprechung der möglichen Entscheidung, ein klar "offenes" Ende), im Nachhinein wäre es als Entsprechung des Filmbeginns auch denkbar gewesen, wenn die Kamera sozusagen in das Gelb des Smileys "hineinfährt", bevor dann auf dem Gelb die Credits folgen. Doch - und hier stellt sich kein Ärger ein, sondern einfach nur Unverständnis - man entscheidet sich ausgerechnet in einer Szene, wo jede Entscheidung eigentlich vorweggenommen wird, anders. Schade!
Der Film Watchmen hat Potential, die erste Hälfte funktioniert erstaunlich gut, aber wer sich wie Alan Moore entscheidet, diesen Film nicht anzuschauen (und stattdessen lieber den Comic liest - so noch nicht geschehen), der unterstützt hohe Kunst statt des fortschreitenden Größenwahns von Zack Snyder, der lieber wieder einen kleinen dreckigen Zombiefilm drehen sollte (da beschwert sich auch niemand über politische Unkorrektheiten), statt sich als nächstes womöglich an Elektra: Assassin, Doom Patrol, oder den Preacher zu vergreifen.
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