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16. Februar 2012
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Gefährten (Steven Spielberg)
Gefährten (Steven Spielberg)
Gefährten (Steven Spielberg)

Bildmaterial © DreamWorks II Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.
Gefährten (Steven Spielberg)
Gefährten (Steven Spielberg)
Gefährten (Steven Spielberg)

Gefährten
(Steven Spielberg)

USA 2011, Originaltitel: War Horse, Buch: Lee Hall, Richard Curtis, Lit. Vorlage: Michael Morpurgo, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Michael Kahn, Musik: John Williams, Production Design: Rick Carter, Supervising Art Director: Neil Lamont, Kostüme: Joanna Johnston, mit Jeremy Irvine (Albert Narracott), Peter Mullan (Ted Narracott), Emily Watson (Rose Narracott), Niels Arestrup (Grandfather), David Thewlis (Lyons), Tom Hiddleston (Captain Nicholls), Benedict Cumberbatch (Maj. Jamie Stewart), Celine Buckens (Emilie), Toby Kebbell (Geordie Soldier), Patrick Kennedy (Lt. Charlier Waverly), Leonard Carow (Michael), David Kross (Gunther), Matt Milne (Andrew Easton), Robert Emms (David Lyons), Eddie Marsan (Sgt. Fry), Nicolas Bro (Friedrich), Rainer Bock (Brandt), Hinnerk Schönemann (German Soldier in No Man's Land), Gary Lydon (Si Easton), Geoff Bell (Sgt. Sam Perkins), Pip Torrens (Maj. Tompkins), Maximilian Brüeckner (German Artillery Officer), 146 Min., Kinostart: 16. Februar 2012

Es gibt Leute (nicht nur Kritiker), die verehren Steven Spielberg abgöttisch, und andere, die hassen ihn und alles, wofür er steht. Ich bin da eher »unentschieden«. Bei meinem ersten im Kino gesehenen Spielberg-Film, der Materialschlacht 1941 (von 1979), dachte ich wahrscheinlich noch, dass es an mir und meinen nur zwölf Jahren liegen muss, wenn mir einiges etwas seltsam vorkam, doch schon bei Raiders of the Lost Ark und der hanebüchenen Szene um die Bundeslade erlangte ich die Kenntnis, dass auch der bekannteste und erfolgreichste Regisseur seiner Generation mitunter als Filmemacher Fehlentscheidungen trifft. Auch wenn Spielberg selbst heutzutage manchmal noch Erstaunliches leistet, so habe ich mittlerweile einen gewissen Sicherheitsabstand aufgebaut. Selbst in den Filmen von ihm, die mir gut gefallen (zuletzt etwa Catch me if you can und War of the Worlds) gibt es Szenen, die komplett wahnwitzig sind (die Familienvereinigung), und sein Hang dazu, Filme mit mehreren, aufeinanderfolgenden Enden zu versehen, beschert mir mitunter Kopfschmerzen.

Einige seiner Filme habe ich gar gemieden und ich verspüre auch kein Bedürfnis nach einer nachträglichen Sichtung (The Color Purple, The Terminal), und wenn ich mehr über War Horse gewusst hätte oder den Titel nicht metaphorisch aufgefasst hätte, wäre dies wahrscheinlich auch hier die beste Wahl gewesen. Stattdessen kam ich in den Genuss des schlechtesten Spielberg-Films seit Hook (der allerdings auch nahezu unschlagbar ist).

War Horse erzählt die Geschichte eines Pferdes (der Film beginnt mit der Geburt), das im ersten Weltkrieg mehrfach den Besitzer wechselt und dadurch dem Betrachter ein Kriegspanorama zwischen den Fronten ermöglicht. Außerdem (wie auch der deutsche Titel »Gefährten« verdeutlicht) geht es um den jungen Mann (konturenlos, aber gutaussehend: Jeremy Irvine), der zunächst als Kind mit und für das Pferdchen kämpft, und schließlich sogar frühzeitig in den Krieg zieht, um mit »Joey« wiedervereinigt zu werden. Da es sich um eine Jugendbuch-Verfilmung von Steven Spielberg handelt, mag man erahnen, ob dies gelingt.

Das Beste am Film sind seine Darsteller. Zu schade, dass dies ausgerechnet für die beiden Hauptfiguren nicht gilt. Joey und sein Junge Albert sind einfach nur heroisch, unbeirrbar, unschlagbar und gutaussehend. Und somit auch todlangweilig wie Micky Maus, wenn sie von Robert Pattinson gespielt werden würde. Aber Joeys Eltern: Peter Mullan und Emily Watson! Der finstere Landlord: David Thewlis! Ausgesuchte Soldaten: Benedict Cumberbatch und Eddie Marsan! (Und meinethalben auch David Kross!) Und in der tatsächlich etwas tiefer gehenden Rolle eines belgischen Großvaters brilliert Niels Arestrup, der in den Film Emotionen einbringt, die über »Stell' Dir vor, es ist Krieg, und alle wollen das Pferd streicheln« hinausgehen.

Spielberg wollte ein Epos wie von John Ford drehen, und irgendwann erinnert er auch an Gone With the Wind. Doch im Gegensatz zu den anderen Retro-Nostalgie-Beiträgen, die wie The Artist und Hugo das Kino vergangener Zeiten zelebrieren, wirkt War Horse nur wie ein Abziehbild. Selbst Baz Luhrmanns Australia mit seinen überhöhten Gesten, der Weinerlichkeit eines Kinderschicksals und den deplazierten CGI-Effekten konnte das epische Kino des frühen Farbfilm-Hollywoods besser wiederbeleben als War Horse, der einfach nur dramaturgisch platt wirkt, nichts mehr vom »Wunder« früherer Spielberg-Märchen in sich trägt, und nur eines aus der guten alten Zeit wiederbringt: Die gänzlich unrealistische Beleuchtung.

Man kennt das aus alten Schwarz-Weiß-Filmen: Eine Frau im Schlafgewand will ein Geräusch in der alten Burg inspizieren und sie zündet eine Kerze an. In diesem Augenblick wird dann ein Scheinwerfer auf sie gerichtet, denn die Kerze als Lichtquelle war vor Kubricks Barry Lyndon (oder dem digitalen Kino) eine Unmöglichkeit. Für Janusz Kaminski, Spielbergs Kameramann seit diversen Jahren, war diese Künstlichkeit, über die man lachen oder sich die Haare raufen kann, offenbar ein Zustand, zu dem man zurückwollte. So wie Spielberg (über die Montage) aus einem leicht bewölkten Himmel innerhalb weniger Dialogsätze einen heftigen Regen zaubert, so kümmert sich sein Kameramann (womöglich auf Anweisung von oben) keinen Deut darum, dass man in unzähligen Landschaftsaufnahmen sehr häufig die Lichtsituation der Außenaufnahmen sehen kann, und tüncht das Bild dann mithilfe künstlicher Beleuchtung ins »Golden Twilight« oder ähnliche ästhetische Gemeinplätze. Was in meinen Augen den ganzen Film kaputtmachte, denn was nützt es mir, wenn ich mich über die Locations und den britischen Akzent freue, wenn die Spielbergsche Kinomaschinerie sie quasi durchpflügt und (für seine Bedürfnisse) fruchtbar macht? John Williams tüncht das ganze in einen süßlichen Musikbrei, und jede Art von Interesse, die ich für den Film hätte entwickeln können, wird schon im Kindsbett gemeuchelt. Ähnliches »gelingt« Spielberg später noch öfter im Film, etwa mit dem Kidnapping eines deutschen Soldaten durch seinen desertierenden Bruder mitten aus einer marschierenden Truppe heraus (muss man gesehen haben, um es zu glauben) oder dem ultimativen Moneyshot des Films, der durch immerhin clevere Montage das Galoppieren Joeys mitten durch das No Man's Land zwischen den Fronten zeigt, dann aber noch eins draufsetzt, wenn man sieht, wie Joey geschätzt vier Stacheldrahtzäune auf zwanzig Metern einfach durch die Kraft des edlen Tieres zusammendrückt, und durch seine missliche Lage dann die internationale Völkerverständigung fördert.

Wer bei diesem Film den mitunter hoch gestapelten Schwachsinn ausblenden kann und dann auch noch Interesse für die hanebüchene Geschichte aufbauen kann, für den bringe ich immer noch mehr Achtung auf als für Spielberg und Kaminski (der unverständlicherweise auch noch von seinen Kollegen für den Kamera-Oscar nominiert wurde).