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April 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Chiko (R: Özgür Yildirim)
Chiko (R: Özgür Yildirim)
Chiko (R: Özgür Yildirim)
Fotos: Maria Krumwiede / corazón international
Chiko (R: Özgür Yildirim)
Chiko (R: Özgür Yildirim)
Chiko (R: Özgür Yildirim)

Chiko
(R: Özgür Yildirim)

Deutschland 2008, Buch: Özgür Yildirim, Kamera: Matthias Bolliger, Schnitt: Sebastian Thümler, Musik: Darko Krezic, mit Denis Moschitto (Chiko / Isa), Volkan Özcan (“Tibet”), Moritz Bleibtreu (Brownie), Fahri Ogün Yardim (Curly), Reyhan Şahin (Meryem), Lilay Huser (Tibets Mutter), Philipp Baltus (Scholle), Hans Löw (Sascha), Lucas Gregorowicz (Tonton), Pheline Roggan (Jill), 92 Min., Kinostart: 17. April 2008

Denis Moschitto kennt man vor allem als kreativen, freundlichen Vorzeigetürken in harmlosen Migrationskomödien wie Kebab Connection oder Süperseks, etwas mehr Bandbreite demonstrierte er in den Filmen von Benjamin Quabeck (Nichts bereuen, Verschwende deine Jugend), doch nun zeigt er mal ein ganz anderes Gesicht. Als Chiko will er ganz groß herauskommen, nimmt auf der Karriereleiter der Drogenkriminalität lieber zwei als eine Stufe, und Regisseur Özgür Yildirim zeigt zwar Spuren eines Spaßmachers wie Anno Saul (insbesondere in den Männergesprächen) oder eines Humanisten wie Fatih Akin (der hier auch mitproduzierte), doch stärker als sein Hamburger Umfeld scheint ihn Martin Scorsese beeinflusst zu haben, dessen Mean Streets hier die Atmosphäre vorzugeben scheint. Die Figur des zumeist unberechenbaren, manchmal geistig etwas zurückgebliebenen Kumpels oder Sidekicks kennt man auch von Scorsese, sei es Joe Pesci in Goodfellas oder Robert De Niro in Mean Streets. Diese Rolle füllt hier Volkan Özcan als “Tibet” aus, während als die (zumindest in Ansätzen) in die Bürgerlichkeit zu rettende Prostituierte (vgl. Jodie Foster in Taxi Driver) Reyhan Şahin alias “Lady Bitch Ray” fungiert. Sogar die katholischen Wurzeln Scorseses kann man hier wiederfinden, denn die Namen Isa und Meryem entsprechen in etwa Jesus und Maria.

Die ersten zwei Drittel des Films entsprechen in etwa dem geradlinigen Karrierespurt von Al Pacino als Scarface (etwas weniger brutal), doch dann meldet sich der Debütregisseur aus dem Anleihen-Geflecht zurück und drückt dem Ganzen doch noch seinen ganz eigenen Stempel auf, teilweise kompromissloser als man Scorsese oder De Palma lange nicht mehr erlebt hat.

Chiko ist ein Film, der trotz vieler Parallelen zu ähnlichen Stoffen seine eigene Nische fordert, wie seine Titelfigur erarbeitet er sich den “Respekt” mit manchmal unvorhergesehenen Mitteln. Und dafür verzeiht man auch kleine Kinderkrankheiten in der Dramaturgie, die allzu wacklige Handkamera oder die Konzession an den Kinomarkt in Form der Nebenrolle von Moritz Bleibtreu. Je mehr Özgür Yildirims nächster Film in der Lage sein wird, neue Wege zu beschreiten, umso genauer sollte man den Emporkömmling im Auge behalten. Brutal und hungrig, so waren auch Scorsese und De Palma mal - lange ist es her.