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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




9. November 2016
Thomas Vorwerk
für satt.org


Cinemania-Logo 156:
Biopixies und Komiker-Filme



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  Paula (Christian Schwochow)


Paula
(Christian Schwochow)

Deutschland 2016, Buch: Stefan Kolditz, Stephan Suschke, Kamera: Frank Lamm, Schnitt: Jens Klüber, Musik: Jean Rondeau, Kostüme: Frauke Fürl, Production Design: Tim Pannen, Art Direction: Silvia Fischer, Anna-Maria Otto, mit Carla Juri (Paula Modersohn-Becker), Albrecht Abraham Schuch (Otto Modersohn), Roxane Duran (Clara Rilke-Westhoff), Joel Basman (Rainer Maria Rilke), Stanley Weber (Georges), Nikki von Tempelhoff (Fritz Mackensen), Jonas Friedrich Leonhardi (Heinrich Vogeler), Marco Massafra (Hans am Ende), Dominik Weber (Fritz Overbeck), Michael Abendroth (Carl Woldemar Becker), Bella Bading (Elsbeth, 8 Jahre), Peter Brachschoss (Pfarrer Brüntjes), 123 Min., Kinostart: 15. Dezember 2016

Das Leben der Paula Modersohn-Becker (1876-1907, hier gespielt von der aus Feuchtgebiete bekannten Carla Juri) ist ein Lobgesang auf die Emanzipation. Nicht nur auf eine Frau, die sich im Patriarchat halbwegs durchsetzt, sondern vor allem, weil Paula als Künstlerin ihren eigenen Weg geht und sich nicht beirren lässt von altbackenen Traditionen. In diesem Punkt (und bei den Bildern auch ein wenig stilistisch) erinnert sie mich an Frida Kahlo, auch wenn die chronologisch klar später kam.

»Frauen können keine Maler werden!« - das Urteil ihres Vaters ist klar, während Paula in der ersten Szene des Films fast zögerlich hinter einem Bild hervorlugt. Ihre Antwort »Du traust es mir nicht zu, aber ich« ist als Filmdialog so unbeholfen, dass es schon fast authentisch wirkt. In der Künstlerkolonie Worpswede hat auch ihr »Lehrer« Mackensen ganz klare Ansichten: »Die Natur exakt nachbilden«. Er führt sogar ihren Pinsel und urteilt deutlich über Paulas »Stil«: »Damit verschwenden wir unsere Zeit! Viel zu grob.« Wenn er den allgemeinen Notstand zusammenfasst (»Die Jugend von heute - kein Respekt vor den alten Meistern!«), klingt es ein wenig so, als sehe er sich bereits auf der Seite der alten Meister.

Immerhin findet Paula eine Weggefährtin, die (deutlich weniger begabte) Clara Westhoff (Roxane Duran), die sich als »emanzipiertes fin de siècle-Malweib« einstuft (klingt ein wenig nach einem rückwirkend erstellten Prädikat). Und Paula lässt sich in ihrem Weg nicht beirren, auf einem ärmlichen Bauernhof zwischen Pennern und einem nackten duschenden Mann sucht sie Modelle, die definitiv nicht irgendwelchen Schönheitsidealen nachempfunden sind. Berührungsängste hat sie keine.

Der Film erzählt stringent die Biographie herunter, nebenbei gibt es noch eine Liebesgeschichte mit dem frisch verwitweten Otto Modersohn (Albrecht Abraham Schuch), die aus zwei Gründen, die gemeinsam den wichtigsten Konflikt des Films bilden, interessant ist. Zum einen wurde Otto erst vor kurzem zum (jungen) Witwer, er hat seine Frau bei einer missglückten Geburt verloren und hat deshalb (ich greife mal ein paar Jahre vor) gewaltige Angst davor, auch Paula auf diesem Weg zu verlieren. Zum anderen hat man ein wenig das Gefühl, dass Paula auch über Ottos kleine Tochter Elsbeth den Weg zu ihm findet (ungeachtet der romantischen Ruderfahrt, bei der die Hände der Liebenden im Wasser aufeinandertreffen). Paulas Kinderwunsch wird deutlich ausgesprochen, mit dem Vorwissen, dass die Künstlerin ihren 32. Geburtstag nicht erleben wird, haben die Drehbuchautoren, die laut Presseheft schon vor immerhin 27 Jahren - noch zu DDR-Zeiten - ihre Arbeit an dem Stoff begannen, dem Film das Motto »Mein Leben soll ein Fest sein« mitgegeben. »Drei gute Bilder - und ein Kind. Dann gehe ich gern!«

Einerseits pittoresk versöhnlich, andererseits hat man hier natürlich auch den Grund, warum die Ehe zum Scheitern verurteilt ist. Denn wie man mit nach einigen Jahren erkennt, war Paulas Antwort auf die Frage des Gatten in der Hochzeitsnacht »Gibst du mir Zeit?« ein wenig voreilig. »Ein ganzes Leben« ist irgendwie nicht drin, wenn man irgendwo in der Walachei hockt mit einem Kerl, der einen nicht anzurühren wagt. Und man sich die fast bescheidenen Lebenswünsche so nicht erfüllen kann. Also folgt die Reise nach Paris, die in den drei Biopics dieser Wochen fast obligat wirkt.

Paris bedeutet hier: viele Kostüme, Nutten und Luftballons in den Nationalfarben. Oft macht es sich der Film viel zu einfach, die Story entspricht so einem Bild, wo man die numerierten Zahlen verbinden muss - für große Kunst reicht das nicht unbedingt. Ein kleines Beispiel, dass zeigt, dass man kaum über das Niveau von Bildungsfernsehen herauskommt, ist ein Auftritt von Rainer Maria Rilke. Clara schwärmt schon zu Beginn davon, dass der Dichter ein Buch »über uns«, also über Worpswede geschrieben hat, und die Paar-Konstellation wirkt »wie geschaffen« für den Film. Aber obwohl Rilke durchaus eine Rolle im Film spielt, war man wohl der Meinung, noch dem hinterletzten Zuschauer den Zugang erleichtern zu müssen. Und so wird dann auch »Der Panther« erwähnt. Und man liefert gleich noch eine traurige Pointe mit, wenn Rilke, vom Blick der Nachwelt später quasi auf ein paar Zeilen reduziert, erklärend hinzufügt »Ja, ich war im Zoo«.

Auf diesem Level bewegt sich der an sich nicht komplett misslungene Film leider häufiger. In einer Bar trifft man auf eine Bildhauerin, deren Name Camille kurz erwähnt wird - und der halbgebildete Bildungsbürger darf wieder ein mentales Häkchen machen, dass man einen »Gag« verstanden hat. Paula sieht ein Cezanne-Gemälde und weint vor Glück etc. Selbst, wenn man jede einzelne dieser zu kurz gekommenen Anekdoten historisch belegen kann, wünscht man sich von so einem Film einfach mehr. Gut zwei Stunden, die man herunterbrechen kann auf Sprüche, wie man sie in Poesiealben finden könnte: »Einsamkeit ist der Quell der Kunst«, »Paula, Du malst wie keine Frau zuvor« oder - konfrontiert mit einer Leiche als Modell: »Wie schnell alles vorbei sein kann.«

Und hier und da gibt es dann auch (filmische) Bilder, die aber nach dem selben Prinzip funktionieren (und oft eher peinlich wirken), aber dem Film fehlt einfach die Geschlossenheit. Carla Juris hübsches Lächeln, das mich in Morris from America noch verzückte, passt hier einfach nicht zum Martyrium der PMB, die im Film selbst noch Armut und Verzweiflung wie ein kleines Abenteuer durchlebt oder selbst zu ihrer Ehe ein gefälliges Schlussfazit liefert. Er meint »Ich war nervös«, sie dazu »Fünf Jahre? Das ist Tierquälerei!« Und zu diesem im negativen Sinne »pointierten« Dialogstil (»Ah, schnibbeldipapp - Bart ab!«) fehlt dann einfach die stimmige Charakterentwicklung (Drehbuch und Darsteller sind leicht überfordert, und der Regie gelingt es nicht, alles zusammenzubringen), am deutlichsten zum Schluss des Films, der fast wie eine Romantic Comedy strukturiert ist: Verzeihen, aufeinanderzulaufen, Orgasmus und Schwangerschaft obligatorisch.

Drei gute Bilder und ein Kind reichen einfach nicht für einen guten Film.


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  Café Society (Woody Allen)


Café Society
(Woody Allen)

USA 2016, Buch: Woody Allen, Kamera: Vittorio Storaro, Schnitt: Alisa Lepselter, Kostüme: Suzy Benzinger, Production Design: Santo Loquasto, Art Direction: Michael E. Goldman, Doug Huszti, Set Decoration: Regina Graves, Nancy Haigh, mit Jesse Eisenberg (Bobby Dorfman), Kristen Stewart (Vonnie), Steve Carell (Phil Stern), Jeannie Berlin (Rose Dorfman), Ken Stott (Marty Dorfman), Blake Lively (Veronica), Parker Posey (Rad), Paul Schneider (Steve), Sari Lennick (Evelyn), Stephen Kunken (Leonard), Corey Stoll (Ben Dorfman), Anna Camp (Candy), Edward Hyland (Neighbor), Tess Frazer (Phil's Secretary), Sheryl Lee (Karen Stern), Don Stark (Sol), Shae D'lyn (Carlotta), Douglas McGrath (Norman), Kat Edmonson (Les Tropiques Singer), Brendan Burke (Joe), Raymond Franza, Michael Elian (Joe's Kidnappers), Woody Allen (Narrator), 96 Min., Kinostart: 10. November 2016

Bei Woody Allen, einem Regisseur, den ich in den 1980ern vergötterte und vor dem ich noch in den 1990ern einen Heidenrespekt hatte (ja, das religiöse Wortspiel war beabsichtigt), ist es inzwischen so, dass ich immer noch mit einem gewissen Pflichtbewusstsein alle Filme schaue (nur Interiors und September habe ich mal vor langer Zeit auf Video ausgeliehen und nicht zuende geschaut), aber mittlerweile ist nur noch ca. jeder vierte Film halbwegs erträglich.

Bei Café Society fand ich schon das Plakat reichlich abschreckend, obwohl ich vor gar nicht langer Zeit eigentlich ein Fan von Jesse Eisenberg war. Aber dessen gefühlt letzte vier Filme (so was wie American Ultra oder Night Moves, seinen Auftritt als Lex Luthor habe ich bisher umkurven können) waren fast noch gräßlicher als das durchschnittliche Allen-Output. Irgendeine Kollegin meinte aber, der neue Woody soll wieder besser sein.

Dem war leider nicht so. Quasi von Anfang an stieß mich die Kombi der reichlich überflüssigen Erzählerstimme mit den angeberischen, aber billig wirkenden Bildern ab. Erst viel später erfuhr ich, dass der legendäre Kameramann Vittorio Storaro (Apocalypse Now) für seine erste Zusammenarbeit mit Allen den Regisseur wohl überreden konnte, erstmals mit digitalem Material aufzunehmen. Die Entscheidung, gleich noch eine weitere Zusammenarbeit folgen zu lassen, bestätigt mal wieder meinen inzwischen auch schon alten Senilitätsvorwurf an den 80jährigen Filmemacher. Dass Woody in seinen Filmen oftmals ihm komplett unbekannte Darsteller aufspielen lässt, die seine Casting-Beauftragten offenbar für angesagt erachten, prägt seit einem guten Jahrzehnt seine Filme. In diesem Fall will man uns weismachen, dass Jesse Eisenberg und Kristen Stewart eine besondere Chemie besitzen, denn sie spielen ja schon zum dritten Mal ein Paar vor der Kamera (dummerweise habe ich aber American Ultra gesehen, und das war ehe ein Gegenbeispiel). Und auch Steve Carell, der definitiv mehr kann (Foxcatcher), wird hier in der Rolle eines Filmproduzenten eigentlich verschenkt.

Die gesamte Story ist eigentlich verschenkt und unnötig kompliziert aufgebaut (die große Anzahl an Nebenfiguren soll die Komplexität eines Romans andeuten, doch wenn man für jede Figur nur vier bis fünf Sätze Charakterbeschreibung übrig hat, funktioniert das nicht recht). Der unerfahrene Bobby (Eisenberg) soll irgendeinen Job bei seinem erfolgreichen Onkel Phil (Carell) abgreifen, was zunächst zu einer langen Wartezeit und einer reichlich in Länge gezogenen Szene mit der Prostituierten Candy (Anna Camp) führt. Aus solchen Prämissen hat Allen früher ganze Filme gezimmert (Mighty Aphrodite), hier wundert man sich nur noch, was das eigentlich soll.

Die Erzählerstimme, die Woody diesmal selbst abliefert, ist vor allem damit beschäftigt, Abkürzungen zu filmischen Storytelling zu liefern, eine Fitzgerald-Atmosphäre zur Mitte der 1930er-Jahre zu schaffen, die sich aber in (größtenteils fiktivem) Name-dropping wie aus den Klatschspalten erschöpft - und der Vorstellung von Bobbys Familie, den Dorfmans. Während der Film damit ringt, seine auch nicht unbedingt bahnbrechende Hauptstory anzutriggern, erfährt man immer mal wieder, was so in der Familie passiert. Was sich größtenteils darauf beschränkt, dass Bobbys großer Bruder Ben (Corey Stoll) ein Gangster ist - und sich auch exakt so verhält. Daraus bastelt man dann ein paar allzu typische, aber nur eingeschränkt zündende Judenwitze und das vielleicht interessanteste Element des Films: Dass die Story öfters den bevorzugten Kinogenres der 1930ern entspricht - während Bobby und seine neue Möchtegern-Freundin Vonnie (Stewart) eben die Filme dieser Zeit im Kino sehen.

Ich will nicht die gesamte Story spoilern, aber wenn man mal davon absieht, dass Fred MacMurray nicht den Onkel von Jack Lemmon spielte, ist ein Großteil der Handlung aus Billy Wilders The Apartment übernommen (ganze Szenen wirken nachgespielt, nur mit weniger Verve und Emotion), nur dass das (reichlich aufgesetzt wirkende) Ende eher aus diversen anderen Filmen übernommen wurde, von denen mir als erster Les parapluies de Cherburgh einfällt. Und dass Woody mittlerweile bevorzugt seine eigenen Filme recyclet, sieht man an einem kaum überzeugenden Abstecher zu den Zeiten von Crimes and Misdemeanors.

Das Schlimmste am Film ist aber (mal wieder) das sloppy filmmaking. Gevatter Storaro will offensichtlich in irgendwelche goldenen Zeiten anknüpfen, aber wenn gefühlt jede zweite Szene so wirkt, dass man sich den Typen, der die goldene Folie anhebt, damit das Ganze wirkt wie im Golden Twilight (völlig unabhängig von Wetter- oder Uhrzeit-Umständen), kaum wegdenken kann. Ich glaube, es liegt nicht einmal am digitalen Material, sondern einfach an der generischen Arbeitsweise. Alles soll besonders hübsch aussehen - und wirkt dadurch nur umso gleichgültiger. Auch Woody Allen selbst gibt immer mal wieder deutliche Hinweise darauf, dass er seine Filme quasi nur noch auf Autopilot dahinplätschern lässt. Meine absolute Lieblingsszene ist die, wo des großen Bruders Gangsterfreunde mal wieder einen Unschuldigen um die Ecke bringen wollen. Den knallen sie nicht etwa auf irgendeinem Hinterhof ab, sondern zwingen ihn dazu, sich zwischen zwei Goons in Nadelstreifenanzügen auf den Rücksitz einer Limousine zu setzen - und als diese gerade mal zwei Meter weit aus dem Bild gefahren ist, hört man einen Schuss. Sicher, wenn man jemanden erschießt, macht man das immer so, dass möglichst alle Killer und das Fluchtfahrzeug voller Blut enden oder man sich sogar noch gegenseitig verletzt. Die Figuren (und zwar nicht nur die Gangster) haben hier einfach kein Eigenleben, sondern werden wie Bauern auf einem Schachbrett hin und hergezogen und sollen einen dabei als Zuschauer irgendwie in die Geschichte hineinziehen - was aber hier so gar nicht klappt.

Von dem wohl interessantesten Zeitvertreib im Zusammenhang mit dem Film habe ich leider erst zu spät etwas mitbekommen: Mehrere einigermaßen bekannte Seriendarsteller haben kleine Rollen im Film, so Sheryl Lee (Twin Peaks), Don Stark (That '70s Show) oder Shae D'lyn (Dharma & Greg). Dummerweise habe ich auf keinen von ihnen erwartet und sie somit auch alle verpasst. Aber gerettet hätten sie den Film ohnehin nicht. Wie auch Parker Posey oder Ken Stott, die hier zu den lieblos hingeschmissenen Nebenfiguren gehören, von denen mich der intellektuelle Schwager Leonard in seiner »Achtung, jetzt kommt ein Klischee!«-Mentalität (oder wie heißt das Wort für Mentalität, wenn der lateinische Wortstamm mens eigentlich unangebracht ist?) fast schon wieder faszinierte, so stiefmütterlich, wie er aus Woody Allens Tastatur hervorgekrochen kam.

Es soll ja Künstler geben, die ihre besten Ideen mal auf eine halbdurchweichte Serviette niedergekritzelt haben. Bei diesem Film hat man fast den Eindruck, das gesamte Drehbuch stamme aus solchen besseren Rotzfahnen mit Eselsohren, Rotwein- und Lippenstiftflecken, die dann adäquat in Atmosphäre umgesetzt werden.


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  Die Tänzerin (Stéphanie Di Giusto)


Die Tänzerin
(Stéphanie Di Giusto)

Originaltitel: La danseuse, Frankreich 2015, Buch: Stéphanie Di Giusto, Sarah Thibau, Lit. Vorlage: Giovanni Lista, Kamera: Benoït Debie, Schnitt: Géraldine Mangenot, Kostüme: Anaïs Romand, Production Design: Carlos Conti, mit Soko (Loïe Fuller), Gaspard Ulliel (Louis Dorsay), Mélanie Thierry (Gabrielle), Lily-Rose Depp (Isadora Duncan), François Damiens (Marchand), Lois-Do de Lencquesaing (Armand), Amanda Plummer (Lily), Denis Ménochet (Ruben), 111 Min., Kinostart: 3. November 2016

Loïe Fuller (1862-1928) war eine technisch innovative Entertainerin, die vor allem durch ihren Serpentinen-Tanz, bei dem sie lange Stoffbahnen zusammen mit ihrem Körper rotieren ließ und diese durch bunte Scheinwerfer etc. anstrahlen ließ, was selbst heutzutage noch sehr faszinierend wirkt, aber von der Künstlerin ganz andere Talente (und eine starke Konstitution) fordern als andere, grazilere Tanzformen, bei denen der Körper nahezu nie in einem vergleichbaren Maße »versteckt« wird.

La danseuse basiert auf einem Roman, wobei Regisseurin/Drehbuchautorin Stéphanie Di Giusto sich einige Freiheiten herausnahm und nicht daran interessiert ist, ihren Film als Biopic einzuordnen. Dennoch schildert der Film quasi die komplette Karriere seiner Protagonistin, angefangen mit ihrem Verhältnis zu ihrem Vaters (im Film ein Franzose, damit Loïe-Darstellerin nicht mit einem amerikanischen Akzent sprechen muss). Hier gibt man sich reichlich Mühe, die noch Marie Louise heißende junge Frau weit weg von allen Vorstellungen, die man mit Tänzerinnen verbindet, zu etablieren. Was könnte weiter weg sein vom Tanz als die Fesselung eines einzufangenden Rindes in einem Cowboy-Gatter? Marie Louise ist ein burschikoses Bauernmädchen, das anpacken kann, das vorgibt, nicht tanzen zu können (damit man den Vater als wichtigsten Mann in ihrem Leben einführen kann, Kernzitat: »All the girls in the world know how to dance«), nur um ihn ihr dann brutal aus dem Leben zu reißen.

Da ich nicht im Vorfeld über den Soundtrack informiert war, habe ich die hin und wieder seltsam erscheinende Musik nicht detailliert seziert, aber es scheint so, dass insbesondere im Westernteil des Films ein größerer Teil des Soundtracks von Nick Cave und Warren Ellis zu The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford »recyclet« wurde, vor allem später angereichert mit Max Richter und klassischer Musik. Wenn ich mit meiner Zuordnung nicht komplett falsch liege, hat das natürlich auch geholfen, ein ähnlich schonungsloses Bild des alten Westen zu zeichnen, bei dem man sich fast schon wundert, dass die Killer des Vaters die Tochter komplett ignorieren. Aber so ein Film geht natürlich meist mit einer Dramatisierung Hand in Hand, hier vor allem im symbolhaft überzeichneten Bild eines Metallzubers, in dem der Vater sein letztes Bad nahm, und aus dem nun durch einige Einschusslöcher rosafarbenes Wasser austritt. Die Regisseurin kleckert nicht, sie klotzt.

Die zweite Etappe im Leben der jungen Künstlerin hängt dann mit ihrer Mutter (Amanda Plummer) zusammen, die im Brooklyn des Jahres 1892 Teil einer puritanischen Prohibitionsbewegung ist (abermals frei dazugedichtet). Eine klare Abgrenzung zum alkoholkranken Vater, wobei die Mutter aber viel negativer gezeichnet wird. Die mittlerweile 30jährige Tochter rebelliert. Sie wäre zwar gerne Schauspielerin (schon beim Vater rezitierte sie mit einem Kaninchenkopf in der Hand aus Oscar Wildes Salome, »Lift up thine eyelids, Jokanaan!«, übrigens eine weitere Freiheit des Films, weil Wilde die Zeilen erst im November/Dezember 1891 schrieb und die erste englischsprachige Buchausgabe von 1894 stammt), landet aber stattdessen bei einem Erotikfotografen, was zu einer der seltsamsten Szenen des Films führt.

Obwohl Marie Louise sich zwar gut mit ihrer freizügiger veranlagten Kollegin zu verstehen scheint, kritisiert der Fotograf ihr schamhaftes Auftreten: »Don't tell me you're a virgin - with an ass like that?«, woraufhin sie - wohl besorgt? - nachfragt »Are you going to rape me?«. Aber es stellt sich heraus, dass die erste Penetration für die junge Frau wohl in die Kategorie »Was man hinter sich bringen muss« gehört.

An dieser Stelle will ich mal etwas vorgreifen (auch, weil ich nicht den gesamten Pariser Teil nacherzählen will) und auf den wohl deutlichsten Eingriff in die Geschichte zu sprechen kommen, die Figur des Louis Dorsay (Gaspard Ulliel), über den die Regisseurin sagt:

Ich brauchte eine männliche Präsenz im Film, der ansonsten hauptsächlich mit Frauen bevölkert ist. Loïe Fuller war lesbisch, und mir war es wichtig, dass dies nicht zum Sujet des Films wird.

An dieser Stelle will ich mal aus der Rolle des Wikipedia-Klugscheissers aussteigen und den Film so beschreiben, wie ich ihn erlebt habe: Wenn man mal die gesamte künstlerische Laufbahn von Miss Fuller außen vor lässt, das Selbstzerstörische, das Innovative, das Selbstbewusste und das manchmal ziemlich fett aufgesetzte (durch einen Kruzifix kommt sie auf die Idee, ihrem im Stoff verborgenen Arme mit Stöcken zu verlängern), so ist es vor allem so, dass diese »männliche Präsenz« zwar für fotogene Momente sorgt, aber diese vermeintliche Liebesgeschichte wie ein Fremdkörper - ein Splitter, der bald zu eitern beginnen wird - im Film wirkt.

Auf der anderen Hand gibt es zwei weibliche Figuren, die im Film eine große Rolle spielen: Zum einen Gabrielle (Mélanie Thierry), die von der Assistentin des Direktors der Folies Bergère zu einer wichtigen Vertrauten Loïes wird, und zum anderen die junge Balletttänzerin Isadora Duncan (Lily-Rose Depp), die in einen intriganten bis offenen Kampf mit ihrer Mentorin Fuller einsteigt. Dafür, dass Fullers Homosexualität »nicht zum Sujet des Films« werden sollte, ist es doch selbst für den uneingeweihten Betrachter kaum zu übersehen, dass die Beziehungen zu diesen beiden Frauen viel wichtiger sind für Loïe als die gelegentlichen Zusammenkünfte mit dem immerhin prominent besetzten, aber ansonsten so überflüssigen wie die Substanz des Films zersetzenden Dorsay, der hier verschleiert, was man hätte betonen sollen, weil die Konstellation Gabrielle - Loïe - Isadora leicht verhärmt von zwei großen unerfüllten Lieben erzählt, wo der mehrfach exerzierte heterosexuelle Akt nur wie eine Konzession an ein imaginiertes Publikum wirkt, die dem ganzen Brimborium mit der »männlichen Präsenz« vermutlich ähnlich ratlos gegenüber steht wie Zuschauer, die kein Problem damit haben, dass eine Figur, die historisch für die Rechte der Frauen (in der patriarchalen Theaterszene) kämpft, vielleicht auch im Schlafzimmer mal ihr Recht einfordert.

Dafür, dass Regisseurin Di Giusto Fuller als die Inspiration aufführt, die sie dazu motivierte, sich an ein Spielfilmdebüt zu wagen, geht sie eindeutig zu zaghaft und im wahrsten Sinne des Wortes »rückständig« vor.

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  Marie Curie (Marie Noëlle)


Marie Curie
(Marie Noëlle)

Deutschland / Polen / Frankreich 2016, Originaltitel: Marie Curie et la lumière bleue, Buch: Marie Noëlle, Andrea Stoll, Kamera: Michal Englert, Schnitt: Isabelle Rathery, Marie Noëlle, Lenka Fillnerova, Hans Horn, Musik: Bruno Coulais, Kostüme: Florence Scholtes, Cristobal Pidre Fernandez, Szenenbild: Edouard Krajewski, mit Karolina Gruszka (Marie Curie), Arieh Worthalter (Paul Langevin), Charles Berling (Pierre Curie), Izabela Kunia (Bronia), Malik Zidi (André Debierne), André Wilms (Eugène Curie), Daniel Olbrychski (Émile Amagat), Marie Denarnaud (Jeanne Langevin), Samuel Finzi (Gustave Téry), Piotr Glowacki (Albert Einstein), Jan Frycz (Ernest Solvay), Sabin Tambrea (August Gyldenstolpe), 95 Min., Kinostart: 1. Dezember 2016

Ich muss zugeben, dass ich bei Marie Curie (ich verkürze ausnahmsweise mal den »Originaltitel«, den der Film beim Filmfest Hamburg noch trug, weil der inzwischen glaube ich auch wieder vergessen wurde) zu Beginn noch große Erwartungen hatte. Zum einen erkannte man sehr schnell und sehr deutlich, dass die Regisseurin etwas größeres mit dem Film vorhatte (siehe auch den eigentümlichen Titel, der bei der Pressevorführung noch auf der Leinwand prangte), zum anderen faszinierte mich die interessante Lichtsetzung und Fotografie.

Aber die Handlung wurde parallel zu diesen Hoffnungsschimmern in geschwätzige wissenschaftslastige Dialoge gezwängt. Zu einem Zeitpunkt, als ich noch darüber nachdachte, ob das unterschiedliche Wachstum zweier Begonien-Töpfe im Labor den dräuenden Tod der Marie Curie (Karolina Gruszka) ankündigen soll, sieht man in einer ambitioniert, aber unnötig verwirrenden Szene, wie er Mann Pierre (Charles Berling) Opfer eines Verkehrsunfalls wird.

Erst nach dem Film (bzw. sozusagen während) erfuhr ich, dass dieser »Liebesfilm« nicht etwa das gesamte Leben der Marie Curie nachzeichnet, sondern vor allem die Lebensphase zwischen ihrem ersten und zweiten Nobelpreis (also 1903 - 1911 von den gesamten Lebensdaten 1867 - 1934). Und die »Liebe« bezieht sich auch weniger auf die zwischen Marie und Pierre (ich gebe zu, dass ich vor dem Film keinen Schimmer hatte, wie viel Zeit die beiden miteinander verbracht haben oder wie lange es gedauert hat, bis die Radioaktivität bei Madame Curie ihren Tribut forderte), sondern um die »skandalöse« Beziehung, die sie später mit ihrem Kollegen, dem verheirateten (!) Paul Langevin (Arieh Worthalter) eingeht.

Die Sache mit dem »Liebesfilm« stand schon in der Presseeinladung, ich nahm das aber nicht für voll. Und ich muss sagen, meine Erwartungen an den Film waren komplett andere als Zeuge ein paar adrett ausgeleuchteter Bettszenen zu werden, eine idealisierte Liebesgeschichte zu erleben, bei der die betrogene Ehefrau (Marie Denarnaud als Jeanne Langevin) ungeachtet einer früheren Freundschaft zur Antagonistin aufgeblasen wird, und man das Ganze mit ein paar weiteren Intrigen würzt (besonders nervig: Samuel Finzi als Gustave Téry), während Marie mit Albert Einstein scherzt und diverse »Zum ersten Mal in der Geschichte«-Rekorde aufstellt.

Zwar stellt sich hier ein experimentierfreudiger Stillwillen gegen das Prinzip Bildungsfernsehen, aber es gab dennoch diverse Kritikpunkte. Am absurdesten fand ich die Streitgespräche an der Akademie, wo immer alle Argumente hübsch hintereinander abgearbeitet wurden und zum Schluss immer brav geklatscht wurde - völlig unabhängig davon, welche zuvor noch unvereinbar wirkenden Standpunkte die unterschiedlichen Parteien einnehmen. Als sehr anstrengend empfand ich auch, dass quasi den gesamten Film über alle Gespräche auf dem selben Lautstärkeniveau abliefen. Jeder kleine Seufzer wird entsprechend hochgefahren und selbst gewaltsame Ausbrüche wie Jeannes mit einem Messer auf den Punkt gebrachtes »Wenn du mir Paul nimmst, bring' ich dich um!« weichen kaum davon ab.

Dasselbe Prinzip hat man auch auf die Fotografie angewendet, die mir zu Beginn des Films noch so gut gefallen hat: Es ist faktisch jede Szene extra hübsch ausgeleuchtet (im Gegensatz zu Café Society aber nur ermüdend, nicht auch noch größtenteils mit Anfängerfehlern), oft mit Kerzenschein, dem titeltragenden blauen Licht des Radiums oder dazu passenden Unterwasseraufnahmen (darunter allerdings die idiotischste Unterwasserkamera seit langem, wo man Marie quasi in ihre Wanne folgt und man dann die Unterwassereinstellung in einem riesigen Becken fortsetzt). Gegen Ende hat mich der Film immer mehr genervt. Diese große Leidenschaft, die in zwei Szenen mit angedeutetem Nasenbluten romantisierte (spätere?) Krankheit und die sich wirklich in die Länge ziehenden 95 Minuten Lauflänge.

Das Schlimmste war aber der Abspann. Erst gibt es einen blauen Radium-Tanz à la Loïe Fuller (die beiden Frauen kannten sich tatsächlich und Fuller war sehr interessiert an dem »blauen« Licht). Und dann sieht man das moderne, heutige Paris, und Marie Curie fährt in ihrem Kostüm auf einem Fahrrad durch diese eigentümliche Kulisse. Naheliegende Aussage: »Sie waren ihrer Zeit voraus und wandeln noch unter uns.« Als komplett misslungene Schlusspointe geht Marie dann noch über einen Rasen, obwohl man deutlich ein Schild »Keep off the grass« sieht.

Ich bin abgesehen vom Anfang nie wirklich warm mit dem Film geworden, aber dass man es ausgerechnet mit dem Abspann schafft, den wenig positiven Eindruck noch fast komplett zunichte zu machen, das passiert eher selten im Kino.


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  Schubert in Love (Lars Büchel)


Schubert in Love
(Lars Büchel)

Deutschland 2016, Buch: Olaf Schubert, Stephan Ludwig, Kamera: Jana Marsik, Schnitt: Steven Wilhelm, Musik: Olaf und seine Freunde, Szenenbild: Alexander Manasse, mit Olaf Schubert (Olaf), Marie Leuenberger (Pamela), Mario Adorf (Olafs Vater), Jochen M. Barkas (Jochen), Herr Stephan (Herr Stephan), Martina Hill (Mandy Hausten), 94 Min., Kinostart: 8. Dezember 2016

Ein Wort vorweg: ich habe kein generelles Problem mit Olaf Schubert. Seine stolprig-linkische Art als Persona ist ganz sympathisch, sein spielerischer Umgang mit der deutschen Sprache ist mitunter durchaus erheiternd. Wenn ich aus der ganzen deutschen Comedian-Rotte jemanden benennen sollte, den ich auch mal gern in einer Quizshow oder ähnlichem mit fachsimpeln sehe (oder der das Pro-Sieben-Turmspringen ko-moderiert), würde ich ihn sogar im oberen Drittel meiner Toleranzschwelle anordnen. Gerade von den Stand-Up-Comedians, die sich hinter einer Art Verkleidung verstecken (Atze Schröder und Cindy aus Marzahn fallen mir ein), macht er zumindest den Anschein, nicht nur ein wandelndes Klischee zu sein, sondern etwas Persönliches mit einzubringen.

Das hat er sich wohl auch bei seinem Kinodebüt überlegt, das vorab schon mal nicht wie diverse andere Kinodebüts deutscher Komiker zu einer bloßen Gagparade verkommt, bei der die Handlung allenfalls Alibi-Funktion besitzt. Schubert (oder wäre hier der Moment gegeben, seinen richtigen Namen Michael Haubold einzustreuen?) hat das Drehbuch erstellt, offenbar bei der Besetzung ein Wort mitzusprechen gehabt und mit seinen alten Weggefährten unter der Marke »Olaf und seine Freunde« auch noch die Musik eingespielt.

Der nicht für qualitative Konsistenz bekannte Regisseur Lars Büchel (verantwortlich für den ganz charmanten Erbsen auf halb sechs, aber auch den schrecklichen Jetzt oder nie - Zeit ist Geld) hat offensichtlich auch noch ein wenig Persönlichkeit mit einfließen lassen in das Projekt, aber es klappt einfach auf kaum einer Ebene.

Der Einstieg wirkt exakt wie die bereits erwähnte »Gag-Parade«, die der Film nicht ist und nicht sein will, denn Schubert faselt von der großen »Schubert-Dynastie« und der Hauptdarsteller schlüpft in die Rollen prominenter Urahnen, zu denen offenbar Jesus, Spartacus, Mozart oder Beethoven (kleiner Gag am Rande) und Oberst von Stauffenberg gehörten. Und wie nebenbei (aber schon eher doof als witzig) streut man hier noch den handlungstechnisch wichtigen Satz »Frauen waren ja dazu da, Kinder in die Welt zu setzen« mit ein.

Denn Olaf, nicht mehr taufrische Jungfrau aus Überzeugung, soll zum Gefallen des im Sterben liegenden Schubert senior (Mario Adorf) für die Weiterführung der Familienlinie sorgen, und nach einer weiteren kleinen »Gag-Parade« von Kennenlern-Dates (bei dem selbst ein Auftritt von Martina Hill nur die Hilflosigkeit des ganzen Projekts unterstreicht) kommt man dann zum vermeintlichen Kern dieser Romantic Comedy, die leider weder besonders romantisch ist noch mit Ausnahme einzelner Ideen viel Komik mit sich bringt.

Olafs dezidierte Kindsmutter und »große Liebe« Pamela (tapfer ihren Job absolvierend: Marie Leuenberger) erinnerte mich in nicht geringem Maße an Amy Farrah-Fowler aus The Big Bang Theory: Unscheinbar, aber irgendwie liebenswürdig, und als Wissenschaftlerin natürlich Brillenträgerin. Das Problem scheint darin zu bestehen, dass Schubert zwar ein ähnlich nahezu sozial funktionsunfähiger Außenseiter ist wie Sheldon Cooper, er dabei aber schrecklich nervt und die feine Linie an unsozialem Verhalten einfach nicht findet. Bei seinem Job im Sozialzentrum will er vor allem 20.000 Euro für ein absurdes Musical auftun, und wirft einem suizidal veranlagten »Klienten« vor, dass dieser zu sehr an sich selbst denkt, was Schubert durch dessen Satzanfänge mit »ich« quasi »beweist«. Im gleichen Moment ist der »Berater« aber nicht mal in der Lage, sich den simplen Namen des Klienten zu merken. Es mag sein, dass es Leute gibt, die Gags über Selbstmord witzig finden, aber ich gehöre nicht dazu.

Bei seinem Bühnenprogramm fasziniert mich Schubert manchmal mit seinen falsch ausgesprochenen (oder verstandenen) Fremdwörtern, die er dort auch gut in die Rhythmik der Darbietung einbaut. Im Film fehlen diese Elemente leider fast komplett, stattdessen projiziert man sein Pullimuster hier und da an eine auffällige Stelle, erzählt eigentlich eine fast ernstgemeinte Geschichte und streut (zum Wachhalten?) hier und da eher alberne Scherze ein: Mario Adorf popelt in der Nase und mit bunter Kreide hat einer im Proberaum den Schriftzug von AC/DC hingemalt, ehe dann vermutlich jemand anderes daraus »ADHS« gemacht hat.

Dafür, dass sich der Film tatsächlich um seine seltsame Liebesgeschichte dreht, bekommt man eigentlich kaum eine Chance, emotional anzudocken. Die Motivationen von Pamela blieben mir komplett verschlossen (bei Schubert habe ich mich nicht einmal danach gefragt), und wenn sie an einer Stelle voller Wut den pollundertragenden Iltis Iljitsch durch die Wohnung kickt, ist dies der einzige Moment des Films, bei dem ich mal klar durchdrungen habe, was in einer Figur vorgeht.

Wo Sheldon und Amy (hin und wieder als Paar liebevoll zu »Shamy« verkürzt) mittlerweile diverse Staffeln einer der beliebtesten Sitcoms mit ihrer dysfunktionalen Lovestory aufwerten, ist »Schamela« nicht mehr als die totgeborene Pointe eines Sparwitzes - unterlegt mit anstrengend auf witzig getrimmter Plätschermusik.

Den emotionalen Höhepunkt des Films (müsste man eigentlich in Anführungsstriche setzen) habe ich ja schon beschrieben, der beste Witz (noch dazu ein visueller) ist wohl der Moment, wenn Pamela ihre Spirli-Nudeln superakkurat wie eine Pasta-Kompanie auf ihrem Teller drapiert.


Gegen Jahresende in Cinemania 157:
Personal Shopper (Olivier Assayas), Die Taschendiebin (Park Chan-wook) und andere, noch zu sichtende Filme.