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14. September 2016
Thomas Vorwerk
für satt.org


  SMS für Dich (Karoline Herfurth)


SMS für Dich
(Karoline Herfurth)

Deutschland 2016, Buch: Andreas Willson, Malte Welding, Karoline Herfurth, Sophie Kluge, Anika Decker, Lit. Vorlage: Sofie Kramer, Kamera: Andreas Berger, Schnitt: Simon Gstöttmayr, Musik: Annette Focks, Kostüme: Lisy Christl, Szenenbild: Christian M. Goldbeck, mit Karoline Herfurth (Clara Sommerfeld), Friedrich Mücke (Mark Zimmermann), Nora Tschirner (Katja), Frederick Lau (David), Katja Riemann (Henriette Boot), Enissa Amani (Nikki), Friederike Kempter (Fiona), Samuel Finzi (Wortmann), Uwe Preuss (Kalle), Cordula Stratmann (Verlegerin Volkovicz), Tom Beck (Jonathan), Florian Stetter (Ben), 107 Min., Kinostart: 15. September 2016

In Crazy ist sie meiner Aufmerksamkeit irgendwie entgangen, aber seit Mädchen Mädchen bin ich quasi ein Karoline-Herfurth-Fan und habe sowohl ihren nationalen Erfolg als auch ihre Ausflüge ins internationale Filmgeschäft (The Perfume, The Reader) wohlwollend beobachtet.

Hier und da hat sie sich zwischendurch auch mal unter Wert verkauft oder in Filmen mitgespielt, die man sich hätte sparen können (Zettl), aber fast noch argwöhnischer habe ich beobachtet, wie sie als ihren größten Erfolg ausgerechnet die doch eher simpel gestrickte (insbesondere, was ihre Rolle angeht) Komödie Fack ju Göhte »erlebte« und dabei in der Fortsetzung quasi zum besseren Stichwortgeber degradiert wurde.

SMS für Dich (Karoline Herfurth)

Bildmaterial: © 2016 Hellinger / Doll Filmproduction GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH

Nebenbei gab es aber auch ihr halbstündiges Regiedebüt Mittelkleiner Mensch, das zeigte, was noch alles in ihr steckt (ich mag junge Schauspielerinnen, die die Regie für sich entdecken, beispielsweise Sarah Polley, Isild Le Besco oder Mia Wasikowska), aber als ich dann den Trailer zu SMS für Dich sah, musste ich befürchten, dass sie jetzt exakt in die erfolgreiche, aber komplett redundante Komödienschublade fallen würde, in der die Herren Schweiger und Schweighöfer vegetieren und sich nebenbei als Regisseure abfeiern lassen.

Nichtsdestotrotz wollte ich ihr aber eine Chance geben, und ich muss gleich mal vorwegnehmen, dass der Film um einiges besser ist als sein Trailer (womöglich hat das auch was mit der Warner-Vermarktungsmaschinerie zu tun, die eher den »größten gemeinsamen Teiler« als die individuellen Stärken eines Films propagiert).

SMS für Dich (Karoline Herfurth)

Bildmaterial: © 2016 Hellinger / Doll Filmproduction GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH

Gerade auch die Besetzung von Nora Tschirner (Keinohrhase) und Frederick Lau (Victoria) als Sidekicks wirkt immens gefällig und sich beim Publikum anbiedernd - aber schon anhand dieser beider Darsteller kann man die Klasse des Films herausarbeiten: Nora Tschirner trägt hier einen völlig überzogenen Lippenstift, der ihre Figur gegenüber der Hauptdarstellerin schlecht wegkommen lässt - und sie stellt sich ganz der Aufgabe einer supporting actress. Und Frederick Lau habe ich noch nie sympathischer erlebt als in diesem Film.

Nun ist das Grundgerüst des Films nichts besonderes: Im Grunde ein Mittelding zwischen dem Standard-Repertoire der Romantic Comedy und einer gefühlduseligen Schmonzette à la Nicholas Sparks. Clara (Karoline Herfurth) verliert ihren Freund bei einem Verkehrsunfall, schreibt ihm aber in verletzlichen Momenten weiterhin Kurzmitteilungen - ohne zu ahnen, dass seine Handynummer längst einen neuen Besitzer erhielt. Interessant ist an dieser Nummer, dass der Angesimste zum einen in guten Händen ist und zum anderen eigentlich wenig von solchem romantischen Gedöns hält. Mark (Friedrich Mücke) ist ein Sportjournalist, der auf der Jagd nach seinem großen Lebenstraum, einem Interview mit Messi, von seinem Chef eine Reportage mit einer überschätzten Schlagertante aufgeschwatzt bekam. Und das umschreibt eigentlich auch schon sein kurzfristiges Interesse an poetischen Allegorien, die sich um die Liebe drehen.

SMS für Dich (Karoline Herfurth)

Bildmaterial: © 2016 Hellinger / Doll Filmproduction GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH

Wie sich die Love Story des Films parallel entwickelt zu Marks Treffen mit dem von Katja Riemann wunderschön überdreht gespielten Glamour-Schlagerstar »Henriette Boot« (Vergleiche mit einem realen Vorbild drängen sich auf, aber ich weiß nicht, ob Helene Fischer auch so eine Esoterikhusche ist), das gehört zu den besten Kniffen des Drehbuchs.

Zu den Stärken des Films zählen aber auch die Dialoge, das meist perfekte Comedy-Timing (ohne sich auf das oft vulgäre Niveau der deutschen Erfolgskomödien herabzulassen) und die fast durchgehend begeisternden Nebendarsteller. Samuel Finzi (Kokowääh) hätte es nicht gebraucht und bei Enissa Amini war die Besetzung womöglich ein Freundschaftsgeschenk, aber neben Katja Riemann (die ja nun auch nicht nur tolle Filme dreht) zeigen hier Tom Beck, Friederike Kempter und Cordula Stratmann reichlich Spaß an der Selbstironie, wobei keine dieser Rollen als platte Pointenlieferanten ausgenutzt werden, sondern jeweils ganz die Filmhandlung und die Charakterisierung wichtigerer Figuren unterstützen.

SMS für Dich (Karoline Herfurth)

Bildmaterial: © 2016 Hellinger / Doll Filmproduction GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH

SMS für Dich macht einfach Spaß, wo man sich bei Der Schlussmacher oder irgendeinem Schweiger-Vehikel eher fremdschämt (dass Millionen Deutsche das komplett anders sehen, schert mich wenig). Ich muss zugeben, dass der Film in den letzten zwanzig Minuten allzu sehr den Handlungsregeln einer RomCom folgt und dabei die nachvollziehbaren Motivationen der Haupthandelnden etwas leiden (der typische, verspätet aufgedeckte Vertrauensbruch, gern gefolgt von einem Dauerlauf zum Bahnhof oder ähnlichem), aber dafür gab es vorher genügend Authentizität, Detailfreude und emotionale Anbindung. Sogar die standardmäßige Fake-Fröhlichkeit im Nachspann konnte mein Urteil nicht mehr runterreißen, weil die Figuren (und Darsteller) sich genug an Sympathiebonus erkämpft haben, den man jetzt zum Schluss quasi »einlösen« konnte.

Im nationalen Vergleich liegt SMS für Dich in dieser etwas eingefahrenen Genre-Nische ganz weit vorn, und auch mit der internationalen Konkurrenz kann man sich durchaus messen. Jedenfalls könnte ich allein in diesen Monaten drei Komödien mit »Weltstar«-Beteiligung nennen, die alle noch einiges von dieser Regiedebütantin lernen könnten ...