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31. August 2016 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||||
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Extreme contra Middle of the RoadMike and Dave need Wedding Dates
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USA 2016, Buch: Jon Lucas, Scott Moore, Kamera: Jim Denault, Schnitt: James Thomas, Emma E. Hickox, Musik: Christopher Lennertz, Kostüme: Julia Caston, Ausstattung: Marcia Hinds, mit Mila Kunis (Amy Michell), Kathryn Hahn (Carla Dunkler), Kristen Bell (Kiki), Christina Applegate (Gwendolyn James), Oona Laurence (Jane Mitchell), Jay Hernandez (Jessie Harkness), Jada Pinkett Smith (Stacy), Annie Mumolo (Vicky Latrobe), David Walton (Mike Mitchell), Emjay Antony (Dylan Mitchell), Lyle Brocato (Kent), Clark Duke (Dale), Wanda Sykes (Dr. Karl), Wendell Pierce (Principal Burr), JJ Watt (Coach Craig), 100 Min., Kinostart: 22. September 2016
Inhalt
Das Leben von Amy (Mila Kunis) könnte perfekt sein, es entspricht jedenfalls allen Statistiken, mit denen man eine erfolgreiche Mittel- bis Oberschichtenfamilie umschreiben würde. Dabei entwickelt sich gerade das Wort »perfekt« zu einem roten Tuch für die junge Frau, die unter dem Druck der Erwartungen nicht etwa zusammenbricht, sondern plötzlich entdeckt, dass es auch etwas anderes geben muss. Ihr Gatte ist beispielsweise alles andere als perfekt, und deshalb überdenkt sie auch ihre Ambitionen, eine perfekte Frau und Mutter zu sein - und nebenbei auch noch im Job erfolgreich zu sein.
At least once a week I feel like the worst mom in the world. And I cry in my car.
Dabei findet sie zwei neue Freundinnen, ebenfalls Mütter, die links und rechts von ihr die Extreme abstecken. Kiki (Kristen Bell) ist ein verschüchtertes Jung-Hausmütterchen, das sich komplett dem (ebenfalls nicht perfekten) Alphamännchen unterordnet hat, das sie geheiratet hat. Carla (Kathryn Hahn) indes hat sich längst von ihrem Partner emanzipiert, widmet sich ganz dem Singledasein und gerät eher in Gefahr ihren Sohn zu vernachlässigen.
Bildmaterial: © TOBIS Film GmbH
Diese drei feierlustigen Furien machen jetzt gemeinsam die Bars unsicher - und treten zum ultimativen Machtkampf an: gegen die fast diktatorisch auftretende Präsidentin der PTA (parent-teacher-association), Gwendolyn (Christina Applegate), die übrigens ihrerseits zwei andere Mütter zur Seite stehen hat, wobei dieses Trio aber weniger dem Tatbestand einer Freundschaft entspricht, sondern jenen Triumviraten, wie sie auf High Schools (also ca. 20 Jahre jünger) oft »Queen Bees«, »Heathers« oder »Barbies« genannt werden: Vollblutzicken in Designerklamotten, die in ihren hochhackigen Schuhen über Leichen gehen und sich in fadenscheinigen Wohltätigkeitsveranstaltungen ergehen, wobei es aber mehr um die Machtausübung geht als um »das Wohl der Kinder« oder ähnliches.
The Good
Das Spannendste am Film war für mich - und das werden nur wenige nachvollziehen können - die gerade mal 14jährige Oona Laurence in der (nicht besonders großen) Rolle der 12jährigen Mila-Kunis-Tochter Jane. Oona ist wohl schon vor einigen Jahren für ihre Rolle im Broadway-Musical Mathilda ausgezeichnet worden und fiel ferner in Southpaw als Tochter von Jake Gyllenhaal positiv auf. Ich kenne sie eigentlich nur aus Pete's Dragon, wo sich ihre Rolle eigentlich darin erschöpft, eine potentiell perfekte Schwester für den im Wald aufgefundenen Pete abzugeben: lieb, nett, aufgeweckt, ein typisch unrealistisches Filmkind halt. Umso mehr verblüffte es mich, als ich sie ca. zwei Wochen später wieder im Kino sah, und zwar in der Rolle der überdrehten und reichlich neurotischen Jane, die zunächst so wirkt wie ein echtes Überflieger-Kind (»This will look so good on my college application«), aber im Verlauf des Films erkennt man, wie sehr sie ihrer Mutter ähnelt und unter dem selben Druck leidet - bis die beiden dann irgendwann wieder zueinander finden und sich gegenseitig stärken, anstelle getrennt am Erwartungsdruck zu zerbrechen (ja, das hört sich reichlich konstruiert an, nimmt aber im Film wirklich nur wenige Momente ein).
Das einzige offizielle Pressefoto mit Oona Laurence © TOBIS Film GmbH
Ich weiß ja, worum es im Schauspielberuf geht (um die Erstellung komplett eigenständiger Figur, die sich auch gern mal krass unterschieden dürfen zu früheren Rollen), aber wie Oona in so jungen Jahren zwei wirklich kaum über einen Kamm zu scherende Darstellungen meistert, obwohl sie hier wirklich nur so am Rande des Geschehens steht und »mitspielen« darf, das fand ich schon bemerkenswert. Gerade auch, wenn man es mit den anderen »großen« Darstellern vergleicht, die - mit Ausnahme von Kathryn Hahn und der aber nicht wirklich überzeugenden Christina Applegate - eigentlich nur ihr Standardprogramm abfahren.
The Bad
Das Autorengespann der Hangover-Trilogie weiß natürlich, wie Komödien funktionieren, und mit weiblichen statt männlichen Hauptfiguren ändert sich an bewährten Strukturen doch eigentlich nicht viel, oder?
Bildmaterial: © TOBIS Film GmbH
Leider doch, denn wenn Männer über die Stränge schlagen, wird das immer noch anders bewertet als bei Frauen. Wobei Filme wie Bridesmaids bewiesen haben sollten, dass man das Hangover-Prinzip auch mit Frauen durchspielen kann. Leider wird das hier aber gar nicht gemacht, denn man könnte den Inhalt des Films auch ganz anders zusammenfassen: Amy merkt, dass ihr Mann ein Arsch ist und serviert ihn ab. Dann gibt es eine Zwischenphase, in der sie sich zu einer vermeintlich starken Frau entwickelt, aber letztlich scheint das Eingehen einer neuen Beziehung mit einem potentiell geeigneteren Partner das eigentliche Happy End des Films darzustellen. Das Image der selbstständigen Frau wirkt im Rückblick nur wie eine Utopie, erst durch die neue Beziehung, für die sie eigentlich alles vergisst, was sie im Verlauf des Films gelernt hat, wird Amy zum (unglaublich rückständigen) Idealbild einer Frau.
Bei Carla und der verbesserten Beziehung zu ihrem Sohn funktioniert der Film zumindest halbwegs (wenn sich das Ganze auch ausschließlich auf Nebenschauplätzen abspielt), aber fast noch befremdlicher ist die Beziehung zwischen Kiki und Kent, denn sie unterjocht ihren Partner am Schluss genauso, wie der es zuvor mit ihr hielt. Dass es zu keiner Scheidung kam, wird wie ein Sieg dargestellt, dass die Ehe abgesehen von den vertauschten Rollen genauso misslungen ist wie zu Beginn des Films, wird einfach unter den Teppich gefegt.
The Ugly
Ich bin mir diesmal nicht sicher, ob ich die Kategorien »Bad« und »Ugly« nicht andersherum hätte verteilen können, aber heute bin ich mal so gestellt, dass ich inszenatorisch Verbrechen als noch schlimmer einordne als rein politische. Wobei noch dazu kommt, dass der locker-flockige Sexismus »just for fun« hier noch untergemischt wird.
Bad Moms ist weit entfernt davon, inszenatorisch zu begeistern. Die Story entspricht einfach zu sehr den hundertmal wiedergekäuten Strukturen ähnlicher Filme, wobei man nur so tut, als sei man »revolutionär«, im gleichen Atemzug aber vieles noch schlimmer macht und sich hinter einem wenig überzeugenden fröhlichen Ausgang versteckt.
Die Szenen für sich funktionieren aber, und auch der Humor wird clever eingesetzt. Bis auf einige Szenen, die ich als besonders ärgerlich empfand. Es gibt weniges, was mich mehr nervt als schlecht gespielte Lebensfreude. Ein aufgesetztes Lachen, wenn gar nichts witzig war, sich im Sonnenlicht umarmende Menschen, die das offenbar nur tun, weil es so im Drehbuch stand usw.
Bildmaterial: © TOBIS Film GmbH
In Bad Moms gibt es von knalliger Musik unterlegte Montagesequenzen, in denen ähnliches passiert, wobei es hier aber vorrangig darum geht, das Publikum durch überzogene Szenen zu erheitern. Aus irgendwelchen Gründen denke ich dabei an die im Nachspann offenbarten Fotos in Hangover. Hier jagt man die reichlich angeschickerten drei Freundinnen durch einen Supermarkt, wo sie eine Riesensauerei anstellen, die man in Zeitlupe quasi zelebriert. Das ist zum einen nicht halb so witzig, wie es sein soll. Und zum anderen sabotiert es auch die Handlung, denn insbesondere diese Supermarkt-Passage hat keinerlei Konsequenzen. Die Spritdrosseln, die »ihre Freiheit« entdeckt haben, gehen gefühlt jeden Gang des Supermarkts ab, schmeißen hier was um, verlustieren sich dort durch sexuelle Übergriffe und gebärden sich so, als gehöre ihnen der gesamte Laden - und keiner scheint darauf auch nur zu reagieren. Es wird dann zwar noch eine Pointe nachgeliefert (»We may need to find a new supermarket«), aber die gesamte Szene ist einfach nur bescheuert. Es ist anzunehmen, dass Zuschauergruppen, die selbst etwas angeschickert sind, gerade diese Szene super finden und dabei mit ihren Nachos und den reingeschmuggelten Prosecco-Flaschen im Kino eine ähnliche Sauerei anrichten, aber ich habe mich zu keinem Zeitpunkt so von den Figuren und dem gesamten Film distanziert wie hier.
Ein schönes Beispiel für die verlogene Scheinheiligkeit des Films ist übrigens die Rückseite des Presseheftes, auf der die drei Hauptfiguren Stinkefinger zeigen - die aber verpixelt wurden. Wer in Todesmissachtung vom Zehn-Meter-Turm springt, sieht dabei mit Schwimmflügeln an dem Armen reichlich deppert aus.
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