Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




25. März 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)


The Return of the
First Avenger
(Anthony & Joe Russo)

Originaltitel: Captain America: The Winter Soldier, USA 2014, Buch: Christopher Markus, Stephen McFeely, Comic-Vorlage, Story: Ed Brubaker, Figuren: Joe Simon & Jack Kirby, Kamera: Trent Opaloch, Schnitt: Jeffrey Ford, Musik: Henry Jackman, Kostüme: Judianna Makovsky, Production Design: Peter Wenham, Supervising Art Director: Thomas Valentine, mit Chris Evans (Steve Rogers / Captain America), Scarlett Johansson (Natasha Romanoff / Black Widow), Sebastian Stan (»Bucky« Barnes / Winter Soldier), Anthony Mackie (Sam Wilson / The Falcon), Cobie Smulders (Agent Maria Hill), Frank Grillo (Brock Rumlow / Crossbones), Emily VanCamp (Sharon Carter / Agent 13), Hayley Atwell (Peggy Carter), Robert Redford (Alexander Pierce), Samuel L. Jackson (Nicholas J. Fury), Maximiliano Hernández (Jasper Sitwell), Georges St-Pierre (George Batroc / Batroc the Leaper), Jenny Agutter, Alan Dale, Chin Han, Bernard White (World Security Council Members), Stan Lee (Smithsonian Guard »Lee«), Garry Shandling (Senator Stern), Dominic Cooper (Howard Stark), Toby Jones (Arnim Zola), Gary Sinise (Stimme im Smithsonian Museum), Thomas Kretschmann (Baron Wolfgang von Strucker), Aaron Taylor-Johnson (Pietro Maximoff / Quicksilver), Elizabeth Olsen (Wanda Maximoff / Scarlett Witch), Ed Brubaker (Scientist #2), Alan Davis (National Mall Jogger), Xavier Wolf (Boy in Captain-America-Shirt), 136 Min., Kinostart: 27. März 2014

Nachdem schon aus Thor: The Dark World für den deutschen Markt »The Dark Kingdom« wurde, fährt man fort mit dem »Erfinden« eigener Titel. Captain America: The Winter Soldier fasst titeltechnisch eigentlich sehr gut zusammen, worum es im Film gibt. Doch stattdessen heißt der Streifen in Deutschland »The Return of the First Avenger«, vermutlich, weil man einen Bezug zu den Avengers-Filmen haben will und der Meinung ist, dass nicht nur der »Winter Soldier« hierzulande zu unbekannt ist ... offenbar nimmt man auch an, dass »Captain America« als Titelfigur sich eher negativ als positiv auf den Zuschauerzuspruch auswirken könnte. Da betont man lieber die Mitwirkung von Scarlett Johansson, die hier zum dritten Mal als »Black Widow« auftreten darf. In mindestens einem der Trailer ist sie auch doppelt so oft zu sehen wie der Titelheld. Die größte Dummdreistigkeit am nichtssagenden »deutschen« Titel ist aber, dass die »Rückkehr« von Captain America sich eigentlich schon in The Avengers sowie ansatzweise in Captain America: The First Avenger abspielte. Auf der Jagd nach dem dümmsten deutschen Filmtitel 2014 wird niemand »Der 7bte Zwerg« überflügeln, und auch »Mädelsabend: Nüchtern zu schüchtern« (Originaltitel: Walk of Shame) ist gut im Rennen, aber man gibt sich mit TROTFA (truly rolling on the floor in agony) schon einige Mühe. Und falls weitere Filme mit Cap in der Titelrolle folgen (zumindest »Cap 3« scheint schon abgemachte Sache), heißen die hier dann vermutlich »The First Avenger strikes again«, »The First Avenger ist nicht totzukriegen« oder »The First Avenger jagt Mini-Mädchen«. Aber dafür kann der Film ja nichts.

The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)

Bildmaterial © 2014 Marvel. All Rights Reserved.

Doch kümmern wir uns um den eigentlichen Film. Es fällt auf, dass man nicht wie bei Iron Man 2 wieder auf den selben Regisseur zurückgreift, aber auch Kenneth Branagh durfte für den zweiten Thor-Film nicht zurückkehren. Doch wer mit den TV-bewährten Russo-Brüdern wenig anfangen kann, dem sei zumindest versichert, dass die Drehbuchautoren erneut verpflichtet wurden. Und man bekommt das Gefühl, dass sie ziemlich clever auf den Start des Franchise (und auf The Avengers) zurückgreifen. Hugo Weaving als Red Skull taucht zwar nur auf einigem eher unbewegten Bildmaterial wieder auf, aber während die Geschichte komplett in der Gegenwart spielt, kehren doch erstaunlich viele Figuren aus der Vergangenheit Steve Rogers wieder auf, wobei nicht nur die Alters-Makeup bestrafte Hayley Atwell als Caps große (unerfüllte) Liebe Peggy wohl auch in »Cap 3« wieder einen Gastauftritt haben dürfte, sondern eine ziemlich geniale Idee des Comic-Autoren Ed Brubaker hier zum Kern des Films wird, entsprechend des alten Grundsatzes, dass sich zum Gegenspieler von Superhelden besonders jene Figuren gut eignen, die ähnliche Kräfte und eine ähnliche Herkunft haben, also etwa Antboy gegen den »Floh«, Superman gegen andere Kryptonier oder Spider-Man gegen Dr. Octopus, der zwar kein eigenes Netz spinnt, aber durch mechanische Ergänzung acht Gliedmaßen hat.

The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)

Bildmaterial © 2014 Marvel. All Rights Reserved.

Außerdem besann man sich darauf, dass Captain America als Prototyp des National-Superhelden am besten gegen die natürlichen Feinde der USA antritt. In diesem Fall wird mit dem »Winter Soldier« nicht nur der kalte Krieg reinstalliert, sondern auch die Nazis und der US-Geheimdienst (hier in der Marvelfassung »S.H.I.E.L.D.«) sind quasi-politische Gegner. Im Presseheft rühmt man sich sogar damit, die Polit-Thriller der 1970er als große Inspiration umgesetzt zu haben, doch abgesehen vom Auftritt von Robert Redford kann man diese These nicht unbedingt aufrechterhalten.

Redford als einflussreiches US-Mitglied des »World Security Councils« erweist sich (keine wirkliche Überraschung) als Schurke, der zu einem totalitären Großstreich ausholen will, und ähnlich wie bei The Avengers (oder ansatzweise in Iron Man 2) funktioniert der Film eher nach den Regeln eines Superhelden-Team-Comics, wobei man zunächst das alte Klischee bedient, zwei Superhelden / Teammitglieder gegeneinander antreten zu lassen (zwischen dem Captain und »Black Widow« gibt es über den S.H.I.E.L.D.-Umweg mittelschwere Vertrauensprobleme), ehe man dann die unterschiedlichen Teammitglieder (darunter auch einige »normale« S.H.I.E.L.D.-Agenten wie die wiederkehrende Cobie Smulders als Agent Hill oder den vielversprechenden Neuzugang Emily VanCamp als »Agent 13«) gegen verschiedene Gegenspieler mit entsprechenden Fähigkeiten antreten lässt. Der Showdown spielt sich hier auf mindestens drei (eher fünf) Ebenen / Kampfarenen ab, und wie das Drehbuch diesen Szenenwechsel aufbaut, überzeugt durchaus. Ein neuer Superheld im Marvel-Film-Universum (und Stephen Strange wird hier auch erstmals »nebenbei« kurz erwähnt) wird sogar dem militärischen Hintergrund des »Captain« geschickt angepasst und bereits gleich zu Beginn des Films gut eingebaut: Anthony Mackie als Sam Wilson (Marvelzombies kennen diesen Namen, die anderen sollen sich überraschen lassen) fungiert ähnlich wie die haarscharf am »romantic love interest« vorbeistreifende Scarlett Johansson als Verankerung des »Fossils« Rogers in der neuen Welt. Der Captain führt jetzt beispielsweise ein Block mit sich, in dem er notiert, welche kulturellen Errungenschaften seit Ende des zweiten Weltkriegs er unbedingt auschecken sollte. Und wenn darin »Star Wars / Trek« steht, das »Wars« aber bereits durchgestrichen ist, macht das die Figur in meinen Augen bereits sehr sympathisch (auch, wenn der Tip mit Marvin Gaye etwas zu gefällig daherkommt).

The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)

Bildmaterial © 2014 Marvel. All Rights Reserved.

Weiterhin positiv zu bewerten ist, dass der Film einige Überraschungen eingebaut hat, die teilweise auch für langjährige Comic-Fans funktionieren. Und der Grundton ist auch hier wieder humoristisch verspielt, ungeachtet der »Polit-Thriller«-Elemente. Eine ziemlich zentrale Verfolgungsjagd, bei der Samuel L. Jackson als Nick Fury zur Abwechslung mal tatsächlich in Bedrängnis kommt, betont aber auch einen unerfreulichen Aspekt des Films: Captain America: The Winter Soldier ist ein sehr militaristisch ausgeprägter Film, in dem gerade für einen Superhelden-Streifen erstaunlich viel geschossen wird (und nicht nur daneben), mehr Autos durch Schnellfeuergewehre perforiert werden als in Heat, und gerade der verspielte Tonfall oft darunter leidet, dass unsere »Supersoldaten« oft kurz hintereinander amüsante One-Liner fallen lassen, um dann auf möglichst effiziente Weise als gut geschulte Killer einzugreifen. Natürlich werden ihre namenlosen »Opfer« zuvor als rücksichtslose Söldner, Nazi-Handlanger oder Verräter etabliert, aber wenn beispielsweise Scarlett Johansson bei einer Mission mit aufreizendem Lächeln den Anmachspruch »Hey, Sailor!« benutzt, um in den darauffolgenden ca. 6 Sekunden wie »nebenbei« fast eine Handvoll der »Matrosen« dem hohen Body Count des Films hinzuzufügen, so hinterlässt dies einen bitteren Nachgeschmack. Auch Captain America bekommt einige Szenen, wo er seine physische Überlegenheit einfach mal in einem »Mord-Marathon« beweist. Sicher, die »Opfer« sind allesamt bewaffnete Kidnapper oder Terroristen, aber wenn beiläufiges Töten zur Punchline eines andauernden Scherzes wird, stimmt irgendwas nicht. Man darf ja nicht vergessen, dass die Marvel-Filme jeweils auch versuchen, ein junges Publikum anzusprechen. Oft sind sie zwar erst frei ab 12 Jahren, aber einen Identifikationsmoment für Kinder baut man schon fast obligatorisch in jeden dieser Filme ein. In diesem Fall ist es etwa ein halbwüchsiger Captain-America-Fan, der im Smithsonian Museum den incognito auftretenden Steve Rogers erkennt, und der »Captain« hat einen kurzen Moment des nonverbalen Verständnisses mit ihm.

The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)

Bildmaterial © 2014 Marvel. All Rights Reserved.

Die kritische Hinterfragung des Militarismus ist zwar ein Kernpunkt des Films, aber die Unterscheidung, wann man als Soldat (tödliche) Befehle zu befolgen hat und wann man rebellieren muss, weil die Befehlsgeber falsch handeln, wird hier oft auch sehr verharmlost. Zentraler Dialog im Trailer: »Hey Cap, how do we know the bad guys from the good guys?« – »If they're shooting at you, they're bad!«

Selbst im TV-Spinoff Agents of S.H.I.E.L.D. (auf dessen nächste Folgen ich aufgrund einiger Veränderungen durch den Film sehr gespannt bin) gibt man sich weitaus mehr Mühe, die Kommandokette zu hinterfragen, Captain America hingegen agiert oft einfach zu »soldatenhaft«, um aus meiner Sicht als zeitgemäßer »Held« zu funktionieren. Insbesondere, weil man sich im Film große Mühe gibt, den nationalistischen Aspekt der Figur herunterzuspielen, »Cap« kämpft eigentlich immer für das Wohl der gesamten Welt, dass die USA auch im Marveluniversum mitunter ganz eigene Interessen haben könnten, wird eine Spur zu nonchalant heruntergespielt, und bloß, weil ein fiktiver (und mit Namen versehener!) US-Präsident im Film mal eines der unzähligen Ziele eines Mordkomplotts ist, rechtfertigt das noch lange nicht den promilitaristischen und kaschiert proamerikanischen Grundton des Films. Solange man in die richtige Richtung schießt (Nazis, Russen, Terroristen), ist man ein »guter Amerikaner«! Der große Unterschied zur vermeintlichen »Inspiration«, den Polit-Thrillern der 1970ern, besteht aber darin, dass diese damals fast durchgehend sehr kritisch ihrer Regierung gegenüberstanden. Richard Nixon war damals ein anerkannter Schurke, während Barack Obama aus unerfindlichen Gründen immer noch wie ein Held behandelt wird. Diese irgendwie kranke Sichtweise pervertiert leider auch diesen eigentlich unterhaltsamen und cleveren Film. Aber vermutlich muss man davon ausgehen, dass ein Film über »Captain America« trotz des »World Security Councils« eben doch reichlich patriotisch ausfällt.

The Return of the First Avenger (Anthony & Joe Russo)