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14. August 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Bling Ring (Sofia Coppola)
The Bling Ring (Sofia Coppola)
Bildmaterial © TOBIS Film
The Bling Ring (Sofia Coppola)
The Bling Ring (Sofia Coppola)
The Bling Ring (Sofia Coppola)


The Bling Ring
(Sofia Coppola)

USA 2013, Buch: Sofia Coppola, Vorlage: Nancy Jo Sales (Artikel im Vanity Fair), Kamera: Harris Savides, Christopher Blauvelt, Schnitt: Sarah Flack, Musik: Brian Reitzell, mit Israel Broussard (Mark), Katie Chang (Rebecca), Emma Watson (Nicki), Claire Julien (Chloe), Taissa Farmiga (Sam), Georgia Rock (Emily), Leslie Mann (Laurie), Gavin Rossdale (Ricky), 90 Min., Kinostart: 15. August 2013

Bisher war jede Regiearbeit von Sofia Coppola mindestens etwas besonderes. Ihr Debüt The Virgin Suicides konnte Jeffrey Eugenides' Romanvorlage zwar nicht ganz gerecht werden (der kollektive Erzähler, der hier in Anlehnung an Faulkners A Rose for Emily perfektioniert wurde, fällt in der Verfilmung nicht weiter auf), doch der Film ebnete nicht nur die Karrieren für Kirsten Dunst und Josh Hartnett, auch Eugenides selbst hätte ohne die Verfilmung niemals ein Millionenpublikum erreicht.

Lost in Translation machte dann aus Scarlett Johansson einen Superstar, doch noch interessanter waren die Guerilla-ähnlichen Filmaufnahmen. Mit einem kleinen Team und einem fast perfekten Drehbuch brach Ms. Coppola nach Tokio auf und schuf einen Instant-Klassiker, einen Film, der Komik und melancholische Traurigkeit in der High Society verschmelzen ließ wie zuletzt vielleicht Blake Edwards' Capote-Aufguss Breakfast at Tiffany.

Nachdem die Erwartungen nun unerreichbar hoch waren, besaß Coppola die Chuzpe, mit einem punky-quirligen Kostümfilm um Marie Antoinette die Verrisse der Kritiker nur so herauszufordern, doch trotz der quietschbunten Bonbonfarben und der historischen Persönlichkeit, die in eine unreife, verwöhnte Teenagerin transformiert wurde, zeugte auch dieser Film von einer erstaunlichen Reife, Besinnung und vor allem Beharrlichkeit.

Der vierte Film, Somewhere, schaltete dann in Budget und Aufsehen mindestens zwei Gänge zurück, war aber gleichzeitig auch der bisher persönlichste Film der Regisseurin, deren eigene Kindheit in Prominentenkreisen wohl so ähnlich verlaufen sein muss wie die der jungen Protagonistin in diesem sehr relaxten, zurückhaltenden Film, der wie eine Kulmination der bisherigen Regielaufbahn Coppolas wirkte.

Und jetzt The Bling Ring, wie Marie Antoinette auf einer wahren Geschichte beruhend (und dem Vanity-Fair-Artikel »The Suspects wore Louboutins« von Nancy Jo Sales) und in ähnlicher Art sehr ergriffen von den Möglichkeiten eines Luxuslebens, das Frau Coppola bereitwillig in Bilder kleidet, die neben Pink und Gold diesmal auch gern in Leopardenfell gehalten sind.

Angesichts der kurzen zeitlichen Distanz zwischen den Filmen und der bekanntlich langen Vorbereitungsphase der Regisseurin kann man ihr keinen direkten Vorwurf machen, dass ihr Film an Harmony Korines Spring Breakers erinnert. Aber es einfach ignorieren kann man auch nicht. Die auffälligste Übereinstimmung neben dem jeweils ein Leben der Kriminalität austestenden Quartett junger Frauen ist die Strategie, wie man durch Casting eines Teenie-Idols das junge Publikum erreicht. Anfang des Jahres probierte man es mit Selena Gomez, die bei ihrer Rolle ein sehr unschuldiges Image einbringt, gleichzeitig aber auch den Off-Kommentar liefert, der Spring Breakers in der Schlussphase in ein kleines Kunstwerk verwandelt. Sofia Coppola setzt dem Emma Watson entgegen, die abermals auch einen Kommentar abliefert, den man – je nach Herangehensweise – als weitaus dümmer oder noch perfider als bei Spring Breakers einstufen könnte.

Perfidität ist vielleicht das Schlagwort hier. Bei Spring Breakers wurde die Distanz zu den Aktivitäten der Leinwandfiguren bereits mitgeliefert, so dass man sich lange Zeit abgestoßen wirkte, dann aber am Schluss zumindest eingestehen musste, dass Harmony Korine genau wusste, was er erreichen wollte – und das dann auch tadellos umgesetzt hat. Auch Sofia Coppola hat ihr Ziel umgesetzt: doch sie arbeitet mit einer subtileren Art der Satire, wobei die »realen Ereignisse« gar nicht weiter überhöht werden müssen: die hier vorgeführte »Realität« ist bereits satirisch genug in ihrer Undenkbarkeit. Der Verdienst Coppolas besteht darin, dass es ihr gelang, dies auch so zu zeigen. Paradebeispiel ist hierbei Paris Hilton. Ein Übermaß an Intelligenz wurde der Hotelerbin selten unterstellt, innerhalb der verfilmten Geschichte wurde ein gutes halbes Dutzend mal in ihr Haus eingebrochen, jedesmal einiges an Luxusgütern (vor allem Kleidung) fortgeschafft – und entweder hat sie es gar nicht bemerkt oder sie hat zumindest keine Anzeige erstattet. Während alle anderen bestohlenen Promivillen im Film sich dadurch auszeichnen, dass je eine Glastür unverschlossen war (ach nein, einmal zwängt sich jemand durch die Katzentür), nimmt man bei Tante Paris einfach an, sie sei so dumm, ihren Schlüssel unter die Fußmatte zu legen – und liegt damit richtig.

In allen anderen Fällen benutzt der Film die Namen der wirklichen Einbruchs-Opfer, Lindsay Lohan sieht man auch mal in Archivaufnahmen, die der Film mit in seinen Erzählfluss einbaut. Doch Paris Hilton hat nicht nur einen kurzen Gastauftritt, man drehte auch in ihrem Haus. Die Galerie von Titelbildern, die unzähligen Kissen mit ihrem Konterfei in Siebdruck, das »Nightclub-Zimmer« und der riesige begehbare Schuhschrank – das alles hätte mit aufwendigem Production-Design niemals absurder aussehen können als in der freiwilligen Zurschaustellung des zunächst unfreiwilligen Opfers. Laut Presseheft ist es für Paris Hilton »eine Ehre«, in einem Film von Sofia Coppola aufzutreten. »Ich war begeistert über ihren Anruf und darüber, mit dabei zu sein. Ich stand ja tatsächlich in Clubs vor diesen Kids, die gestohlene Klamotten aus meinem Kleiderschrank trugen, und hatte keinen Schimmer«. Bei dieser selbstproklamierten Schimmerlosigkeit muss ich an Verona Pooth denken, die jüngst in einer TV-Show geradezu abfeierte, dass sie eine Antwort auf eine Frage nicht wusste, um dann anzumerken, dass zuviel vorgeführte Intelligenz ja auch ihrem Image schaden würde.

Zurück zum Film. Man erlebt die Einbruchserie erstaunlich nahe an dem, wie es auch im Ursprungs-Artikel dargestellt wird. Interessant sind hierbei die wenigen Unterschiede. Nick Prugo (Filmname: Mark, gespielt von Israel Broussard) wird im Artikel wie folgt beschrieben: »With his prematurely thinning hair, he looked like some former Nickelodeon star who had outgrown his childhood appeal. He had a pencil-thin mustache and a sparse goatee, which complemented his trendy hipster look.« Es wird einem schwerfallen, hier Übereinstimmungen zur Filmfigur zu finden, die außerdem zur Initiation eines Narratifs »der Neue an der Schule« ist, zunächst verlacht und deshalb besonders darum bemüht »dazuzugehören«. Sofia Coppola hatte ja nicht nur den Artikel zur Verfügung, sondern die kompletten Abschriften der Interviews, und so fasst sie ihre Hauptarbeit wie folgt zusammen: »Das alles durchzuarbeiten, zu redigieren, einen Weg zu finden, die Figuren sympathisch und ihre Handlungen nachvollziehbar zu machen [...]« Darin besteht dann auch wieder die Perfidität – und der Ansatzpunkt, an dem der Film ein wenig scheitert. Denn dadurch, dass uns beispielsweise Emma Watsons Figur zunächst sehr sympathisch erscheinen soll, gibt es am Schluss des Films einen umso größeren Bruch. In »The Subjects wore Louboutins« wird Alexis Neiers (die Vorlage für »Nicki«) als frühere Pole-Dancing-Trainerin eingeführt, die eine eigene Reality-Show hat, und dann folgendes Statement abgibt:

»I’m a firm believer in Karma, [...] and I think this situation was attracted into my life because it was supposed to be a huge learning lesson for me to grow and expand as a spiritual human being. I see myself being like an Angelina Jolie, [...] but even stronger, pushing even harder for the universe and for peace and for the health of our planet. [...] God didn’t give me these talents and looks to just sit around being a model or being famous. I want to lead a huge charity organization. I want to lead a country, for all I know.«

Wenn diese Stelle im Film kommt, ist man relativ unvorbereitet auf diesen Riesenschmarrn und versucht nachträglich eine Veränderung in der Figur festzumachen. Und spätestens an dieser Stelle kann man zwar attestieren, dass es Emma Watson vorzüglich gelingt, eine schlechte Schauspielerin darzustellen, aber der Film funktioniert einfach an manchen Stellen nicht. Ähnlich ist das bei der von Leslie Mann gespielten Mutter, die teilweise wie eine Witzfigur daherkommt. Das liegt zum einen daran, dass man Leslie Mann halt aus Komödien kennt und ihre Manierismen wiedererkennt, es aber schwerfällt, sie auf die unterschiedliche Situation umzudeuten. Aber wenn man den Vanity-Fair-Artikel liest, bekommt man auch das Gefühl, eine völlig andere Person kennenzulernen. Eine Person, die vielleicht nicht interessanter oder unterhaltsamer ist, aber in ihren Aktionen nachvollziehbarer. Das fehlt mir im Film an manchen Stellen, und da dies ja laut Frau Coppola exakt ihr Ziel war, muss ich sagen, dass sie da versagt hat.

Was im Film gelungen ist, ist die Darstellung der Partygeneration, die nur für Schönheit und Luxus lebt, und wie sie dies per Twitter und Facebook dokumentiert – nebst der eigenen Beschränktheit, wenn man sich wie Gangsterrapper mit Geldscheinbündeln inszeniert, überall rumerzählt, dass man mal wieder bei Paris Hilton zu Besuch war – und sich dann wundert, wenn die Polizei mit Durchsuchungsbefehl vor der Haustür steht. So gesehen ist The Bling Ring auch eine kongeniale Weiterführung von Marie Antoinette, wo statt der Polizei das Volk vor der Tür stand, und den vermeintlichen Helden ebenfalls die Kombination Luxus und Naivität einen Strich durch die Rechnung machte.

In einer kurzen Filmkritik im Vanity Fair (wo ja der ursprüngliche Artikel erschien) heißt es »The girls make Spring Breakers’ minxes seem well adjusted.« Dem kann ich nur zustimmen. Zum Vergleich kann man sich beide Filme anschauen, interessant ist hierbei auch, wie Harmony Korine mit Gewalt und impliziertem Sex spielt, während Sofia Coppola den Sex quasi komplett ausklammert (dürfte auch kein Teil der Interviews gewesen sein und somit spekulativ), dafür aber den Drogenkonsum als Teil einer degenerierten Luxusgesellschaft überbetont. In beiden Fällen ist interessant, darüber nachzudenken, inwiefern die Filmemacher über ein minderjähriges Publikum und eine pädagogische Botschaft nachgedacht haben mögen. Und gleichzeitig darüber, wie man ein großes jugendliches Publikum erreicht. Letztere Überlegungen prägen The Bling Ring leider stärker als jeden früheren Film Coppolas.