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8. April 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Bedingungslos (Ole Bornedal)
Bedingungslos (Ole Bornedal)
Bedingungslos (Ole Bornedal)
Fotos: Henrik Saxgren
Bedingungslos (Ole Bornedal)
Bedingungslos (Ole Bornedal)
Bedingungslos (Ole Bornedal)

Bedingungslos
(Ole Bornedal)

Originaltitel: Kærlighed på film, Dänemark 2007, Buch: Ole Bornedal, Kamera: Dan Lautsen, Schnitt: Anders Villadsen, Musik: Joachim Holbek, mit Anders W. Berthelsen (Jonas), Rebecka Hemse (Julia), Nikolai Lie Kaas (Sebastian), Charlotte Fich (Mette), Dejan Cukic (Frank), Ben Mejding (Julias Vater), Ewa Fröling (Julias Mutter), Flemming Enevold (Dr. Dichmann), Kinostart: 9. April 2009

Regisseur Ole Bornedal stützt seine Bekanntheit immer noch auf Nattevagten (1994) und Nightwatch, das Hollywood-Remake mit Ewan McGregor, das er 1997 dann selbst drehen durfte. Wenn man bedenkt, dass das ein Dutzend und mehr Jahre zurückliegt, und man hierzulande danach allerhöchstens seinen reichlich misslungenen I am Dina (wieder international, mit Gerard Depardieu) und den DVD-Start Vikaren (“Alien Teacher”) zu sehen bekam, zeugt das alles eher von einem ziemlichen Absturz der früheren Regiehoffnung, und auch das kleine Detail, dass dieser Film mit ziemlicher Verspätung nur über den Nischen-Verleih MFA+ in die deutschen Kinos kommt, erfüllt einen nicht mit Zuversicht.

Doch schon in den ersten Einstellungen zeigt sich, dass der Film durchaus interessant ist. Über drei sogenannte Liebesszenen, die in zwei Fällen recht blutig enden, und zunächst völlig unerklärt im Raum stehen bleiben, eine Menge Selbstreflexivität in Bezug auf das Medium Film, ein zunächst augenzwinkerndes Kokettieren mit dem film noir und einen Stilwillen bis an die Grenzen des Zumutbaren wird der Zuschauer in den ersten zwanzig Minuten sehr gefordert, bis der Film dann eine sehr viel geradlinigere Erzählweise einschlägt.

Der als Tatortfotograf für die Polizei tätige Jonas (Anders W. Berthelsen, bekannt aus Italiensk for begyndere und Mifune’s sidste sang) steckt in seiner Ehe mit Mette (Charlotte Fich) genauso fest wie in seinem unzuverlässigen Kleinwagen, als die zuvor halbwegs glücklich wirkende Ehe durch einen Autounfall traumatisiert wird, und Jonas sich für die Verursacherin des Unfalls, Julia (Rebecka Hemse, bekannt als Tochter von “Kommisar Beck”) zu interessieren beginnt, die ihn bereits am Unfallort als “Sebastian” anspricht, bevor er beim Krankenbesuch von der gesamten Familie und schließlich auch von der zunächst komatösen und später zu 90% blinden und ihres Gedächtnisses beraubten Julia für eben diesen geheimnisvollen Sebastian gehalten wird, von dem der Zuschauer weiß, dass es sich um den von Nikolai Lie Kaas gespielten Herrn handeln muss, der in einer der Prolog-Liebesszenen von Julia erschossen wurde.

Aus dieser Ausgangssituation à la While you were sleeping bastelt Bornedal keine Romantic Comedy (eine der Prologszenen zeigte auch den in seinem Blut liegenden Jonas, der von seiner Frau Mette betrauert wird), sondern eine diverse Stadien durchlebende Ochsentour, die mal an Angel Heart, dann wieder an Stay oder Vanilla Sky erinnert. Oder halt, schon aufgrund der selbstreflexiven Konstruktion des Films an das dänische Vorbild Reconstruction (auch mit Nikolai Lie Kaas und sehr noir-mäßig) oder den schwedisch-norwegischen Film Reprise.

Wenn man nach den verwirrenden ersten 20 Minuten durch die Geschichte nur noch selten völlig aus der Bahn geworfen wird, und einzig kleine Details wie eine Thailand-Werbung im Supermarkt einen immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass man vielleicht besonders aufmerksam sein muss, um nicht vom Film übertölpelt zu werden wie in Vanilla Sky oder ähnlichem, dann zeichnet sich der Film nach und nach immer mehr dadurch aus (leider eher negativ als positiv), dass er jeden Aspekt der Geschichte und viele Nebenhandlungen immer weiter bis ins Absurde fortspinnt [jetzt folgen dann doch einige geschwächte Spoiler], wodurch aus der anfänglich seltsamen Liebesgeschichte ein Eifersuchtsdrama und ein Verwirrspiel mit Identitäten wird, bevor sich dann die Drehbuchkapriolen in lebensgefährliche Psycho-Spielchen verwandeln, bei denen einige Details leider völlig übersehen werden, ob von den Filmemachern (Schüsse am Strand) oder den Filmfiguren (Mette und der Kofferinhalt). Auch wie eine der abstrusesten Entwicklungen der Story nahezu im Off geschieht, und nicht in geringster Weise thematisiert wird (Julias Schwangerschaft), verleiht dem Film einen bitteren Nachgeschmack, etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche und Herauskürzen einiger Schlenker hätten hier das Endresultat entscheidend verbessern können.