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Iqura Sugimoto: Variante. requiem for the world. Übersetzt von Josef Shanel und Matthias Wissnet. Egmont Manga & Anime, je ca. 196 S., € 7,00 » Verlag
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„Ich bin aber doch noch
immer ein Mensch, oder?“
Variante
requiem for the world
Die Zeichnerin mit dem Pseudonym Iqura Sugimoto hat sich in Deutschland bereits mit Titeln wie A lollypop or a bullet und der Manga-Adaption des erfolgreichen Anime-Kinofilms Summer Wars einen Namen gemacht. Nachdem diese Werke positiv aufgenommen wurden, hat Egmont Manga & Anime im vergangenen Jahr ihre bereits 2004 in Japan publizierte, vierbändige Reihe Variante. requiem for the world veröffentlicht.
Anders als die oben genannten Titel versucht sich Sugimoto in Variante am Horrorgenre. So öffnet die Geschichte an einem blutigen Tatort und leitet über in den Erzählbericht der jungen Aiko: „In meinem 15. Frühling starb ich. Damit fing alles an.“ Aiko erwacht nur wenige Stunden nach ihrem Tod – eigentlich wurde sie gemeinsam mit ihren Eltern von einem riesigen Monster getötet –, kurz vor der angesetzten Obduktion ihres vermeintlichen Leichnams. Als sie auf ihren linken Arm blickt, befindet sich dort aber ein neues Körperteil: Ein vernarbter, riesiger Arm, der sich später als Hort einer Chimäre herausstellt. Immer dann, wenn Aiko in Gefahr gerät, etwa durch den Angriff einer anderen Chimäre, bricht das Monstrum aus ihrem Arm heraus und bekämpft seine Gegner. Die Chimären sind „als Ergebnis der Vermischung unterschiedlicher Genotypen“ entstanden, sprich leichtsinnige Wissenschaftler sind schuld. Aiko ist zunächst nicht in der Lage, ‚es‘ zu kontrollieren, ist ihm hilflos ausgeliefert und muss dabei zusehen, wie ‚es‘ blutige Kämpfe führt. Dass sie nie wieder in ihre altes Leben zurückkehren kann, wird ihr auf grausame Weise bewusst, als ihr Arm zunächst den Hund ihrer ehemals besten Freundin zerfleischt und besagte Freundin nur wenige Zeit später selbst von einer anderen Chimäre auseinander gerissen wird. So mündet der erste Band in den Zwiespalt Aikos, ob sie sich dem Forschungslabor Atheos unterordnen und dort bei der Beseitigung der Chimären aushelfen, oder sich als Forschungsobjekt zur Verfügung stellen will, was gleichermaßen ihren Tod bedeuten würde. Aiko entscheidet sich zu kämpfen und somit zu leben, ist sie doch – ganz klassisch adoleszenz-typisch – auf der Suche nach „ihrem Platz in der Welt“.
Es ist dies zugleich ein Topos, der den Manga nebst den überaus blutigen, fast schon splatter-artigen Sequenzen dominiert: In Rückblenden zu Aikos Vergangenheit wird permanent darauf verwiesen, dass die junge Frau enorm unter dem Leistungsdruck durch ihre Eltern litt und entgegen ihrer eigentlichen Wünsche all das erfüllte, was man von ihr erwartete: „Ich muss stärker werden und anderen nützlich sein.“ Die thematisierten Ängste und der (nicht nur) schulische Leistungsdruck durch die Eltern, die Suche nach der eigenen Identität jenseits der Erwartungen der Gesellschaft ist kein untypisches Thema für den Manga für Jugendliche. Dass es sich bei der Amputation von Aikos Arm auch um eine metaphorische Zerstückelung des Körpers handeln könnte, verdeutlicht die Fokussierung auf ihre Hände im ersten Band der Reihe: Der Druck durch ihre Eltern entstand vor allem in Bezug auf ihr Talent als Klavierspielerin – ohne ihre eigene Hand ist dies nun nicht mehr möglich; die Ablösung von den Erwartungen der Eltern erfolgt somit nicht nur durch deren Tod, sondern zugleich durch die Entmündigung der autonomen Bewegungen ihrer Hände. Dies bestätigt sich darin, dass Aiko im zweiten Band von großer innerer Befriedigung erfüllt wird, als sie für ihre Kämpfe gegen die anderen Chimären gelobt wird.
Diese persönlichen, entwicklungspsychologischen Topoi stellen sich dann auch als die Stärke des Manga heraus. Die eigentliche Handlung um die Chimären sind primär angefüllt von pseudo-wissenschaftlichen Begrifflichkeiten, mit denen wohl eher durch Betäubung der LeserInnen eine vermeintliche Authentizität erschafft werden soll. Die Thematisierung der Ambivalenz von (Gen)Forschung und Fragen nach „künstlichen Menschen“ ist bereits derart mannigfaltig in allen Sphären der Populärkultur erfolgt, sodass sie hier nur ermüden können. Generell erinnert die Umsetzung dieser Thematik an bereits dagewesene Manga wie She – The Ultimate Weapon oder auch Elfen Lied das niedliche Mädchen als tödliche Waffe, das Prinzip des „cute, but deadly“ ist keineswegs innovativ. Auch auf der visuellen Ebene ist Variante nicht herausragend: Die Zeichnungen sind akzeptabler Durchschnitt, das character design nicht besonders kreativ; man glaubt, jede der Figuren schon einmal in ‚Varianten‘ in anderen Werken gesehen zu haben.
Es ist dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass das Ende des zweiten Bandes – in welchem intensiver die Figur von Aikos Mentor, dem Ermittler Sudo, und dessen Vergangenheit mit frühen Experimenten an Menschen und Chimären beleuchtet wird – eine gewisse Neugier auf die weitere Handlung aufbaut. Es ist gerade die Frage Aikos, als sie eine der Chimären weinen sieht, die die Leserin weiterhin zu beschäftigen vermag und die hoffentlich in den letzten beiden Bänden beantwortet wird: „Wer ist hier in Wirklichkeit das Monster?“