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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

Januar 2004
Andreas Platthaus
für satt.org


Joann Sfar:
Le Chat du Rabbin 3:
L’Exode

Dargaud, Paris 2003

Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

46 S., vf, geb.
EUR 9,00

sattLINK:
Besprechung zu
Le Chat du Rabbin
Band 1 und 2

von Ekkehard Knörer

VENTIL:
1: Mawil: Wir können ja Freunde bleiben

2: Emmanuel Moynot: L'Enfer du jour

3: Yoann, Vermot-Desroches, Sfar, Trondheim: Donjon Monsters 5,6

4: Jason: Hey, warte mal …

5: Anke Feuchtenberger, Katrin de Vries: Die Hure H | Diceindustries: Rimini Redux

6: Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

7: Ulf K.: Titus von Götheborg | Uli Oesterle: Hector Umbra. Der halbautomatische Wahnsinn

8: Craig Thompson: Carnet de Voyage

9: Moebius, Stéphane Cattaneo: Beautiful Life

10: Neil Gaiman, P. Craig Russell: Mordmysterien

11: David B.: Babel

12: Baru: Wut im Bauch

13: Georges Abolin, Olivier Pont, Jean-Jacques Chagnaud: Jenseits der Zeit


Andreas Platthaus'
VENTIL No. 6


Joann Sfar:
Le Chat du Rabbin 3:
L’Exode




Zu den denkbar reizvollen, aber leider unmöglichen Vorhaben eines passionierten Comiclesers müßte es gehören, sämtliche Arbeiten von Joann Sfar zu verfolgen. Diese Kolumne wird sich in Zukunft darum bemühen, zumindest einen Überblick über das aktuelle Schaffen des zweifellos derzeit besten europäischen Szenaristen und eines der begabtesten französischen Zeichner zu verschaffen, doch wenn man bedenkt, daß allein seine beim Verlag L’Association binnen eines einzigen Jahres veröffentlichten Notizbücher „Harmonica“, „Ukulélé“, „Parapluie“ und „Piano“ zusammen rund 1200 oft engbeschriebene Seiten umfassen und 95 Euro kosten, dürften Zeit- und Finanzbudget für die meisten Leser bereits überstrapaziert sein. Zumal das ja nur einen Teil der Sfarschen Publikationen im Jahr 2003 ausmachte. Denn es erschienen unter anderem auch noch neue Alben seiner Serien „Donjon“, „Petit Vampire“ und „Grand Vampire“, „Professeur Bell“, „Les Olives Noirs“ und „Le Chat du Rabbin“.

Von all diesen Arbeiten erscheinen aktuell auf deutsch nur „Donjon“ (gegenüber dem französischen Erscheinungsrhythmus deutlich verlangsamt) und neuerdings „Les Olives Noirs“ (bei Epsilon ist gerade der erste der bislang drei Bände verlegt worden). Angekündigt ist aber auch eine hiesige Ausgabe der ungewöhnlichsten Serie von Sfar, „Le Chat du Rabbin“, die Kai Pfeiffer für den Berliner Avant Verlag übersetzen soll. Deren erster Band, 2001 als „La Bar-Mitsva“ erschienen, war ein Paukenschlag. Er erzählt aus der Sicht eines sprechenden Katers dessen Dasein bei einem algerischen Rabbi und dessen schöner Tochter Zlabya. Dabei verband Sfar seine amüsante Handlung mit Erörterungen jüdischer Riten und Lehren (Sfar ist Jude), die von tiefer Einsicht des Zeichners in die religiösen Praktiken zeugen – und von einem gehörigen Schuß Selbstironie. Der zweite Band, „Le Malka des Lions“, fiel dagegen ab, doch der nun erschienene dritte, „L’Exode“, darf wiederum als Meisterwerk gelten.

Joann Sfar: Le Chat du Rabbin 3: L’Exode

Er ist vor allem äußerst komisch. Nach ihrer Verheiratung mit einem jungen französischen Rabbiner folgt Zlabya ihrem Gemahl nach Paris. Begleitet werden sie vom Kater und dem Vater der Braut, der sich sofort nach seiner Ankunft lautstark am Wetter der französischen Hauptstadt und den Gepflogenheiten der dortigen Juden stört. In einer verzweifelten Versuchung Gottes verstößt der algerische Rabbi am Sabbat gegen sämtliche Ernährungsgebote seiner Religion und wird dafür zu seinem Entsetzen nicht einmal bestraft. Sein Neffe, den er in Paris wiederzusehen hoffte und den er als Strenggläubigen in Erinnerung hatte, entpuppt sich als Straßensänger, der sich mit schlüpfrigen Liedern und als Araber verkleidet über Wasser hält. Doch schließlich arrangiert sich der alte Rabbi mit allen Unbilden und kehrt, in seinem Glauben leicht erschüttert, nach Algerien zurück.

Wie Sfar die Kapriolen des Parisbesuchs, die Ehekrisen zwischen Zbalya und ihrem Mann, die Streunereien des Katers durch die nächtliche Stadt in seinen schwungvollen Bildern, die keine einzige gerade Linie enthalten, in Szene setzt, ist großartig. Die Dialoge sind von unerreichter Prägnanz, und Brigitte Findakly hat die Geschichte in dunklen warmen Tönen koloriert – kurz: ein perfektes Album. Man kann nur hoffen, daß der waghalsige Avant Verlag alsbald tatsächlich den ersten Band auf deutsch herausbringt. Wenn diese Serie hierzulande kein Publikum findet, darf man für anspruchsvolle Comics getrost schwarzsehen.