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5. Juli 2010
Christina Mohr
für satt.org

Katze: Du bist meine Freunde

»Eine richtige Band ist immer eine Bande.«

Sie sind ein tolles Paar: Klaus Cornfield, spilleriger Comiczeichner und Ex-Throw That Beat-Gitarrist und Super-Catwoman Minki Warhol, »die John Zorn des Stylofon« (Zitat Jens Friebe). Zusammen sind sie Katze und haben vor fünf Jahren mit dem Album »Von Hinten« und Songs wie »Wir machen Lärm und schrei’n dazu« Indiehausen ganz schön aufgemischt. »Du bist meine Freunde«, das neue, hat Tobias Levin produziert. Die beiden Comichelden prangern darauf Social-Network-Terror an, baden am Shampoo Beach und flehen Franzi an, in ihrer Band mitzumachen, weil man mit ihr so gut backstage abhängen kann.

Katze »kindlich« zu nennen, ist für sie keine Beleidigung: Ihre Texte und Musik sind in-your-face, treuherzig, euphorisch, trotzig, lustig, traurig und todernst. Kategorien wie Coolness, In-Sein und Alter sind unwichtig. Mit der Stimme eines Achtjährigen singt Klaus Cornfield: »Bei mir wird immer alles schmutzig und dann geht es kaputt«. Verzweiflung und Drohung sind hier eins. Musikalisch erfinden Katze das Rad nicht neu, aber muss das überhaupt jedesmal sein? Es wird wild gitarrengerockt und stylofoniert, Refrains gehen »lalalala, lalalala« oder »yeah, yeah«. Alle können also mitsingen. Wenn Minki Warhol in bester Old-New Wave-Manier kiekst »Ich bin ein Fabrikmädchen, ich bin für alle da«, dann reichen sich die B-52’s und Hans-A-Plast die Hände. Katze sind Punk, trinken statt Dosenbier aber eher Florida Boy: Wie würde ein Text wie »Komm wir klauen uns Pistolen / und hol’n uns was wir woll’n / wir scheißen auf die Welt und schießen auf die Bullen« wirken, wenn ihn eine gußeiserne Punkband wie Slime brüllen würde? Genau, unerträglich. Bei Katze dagegen will man sofort mitmachen, in dieser Kinderbande, wo niemand cool und erwachsen tun muss. Aber Vorsicht, Kinder und Katzen darf man nicht unterschätzen, weil sie so niedlich sind: Sie wissen mehr. Christina Mohr fragte nach.

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CM: Seid Ihr eigentlich bei Facebook? Wenn ja, wieviele Freunde habt Ihr / hast Du?

Klaus Cornfield: Jeder von Katze ist privat bei Facebook, aber eine Facebook-Seite wird zur Tour auch noch angemeldet. Keiner von uns sammelt Freunde auf seiner Seite auf Teufel-komm-raus. Es sind meistens Leute, die wir wenigstens vom Sehen her kennen. Also hat jeder so etwa 2 - 500 Freunde, je nachdem, wie eng er oder sie das sieht.

CM: Das Freunde-Thema treibt auch internationale Popstars um, Kate Nashs neues Album heißt »My Best Friend Is You« - seht Ihr Parallelen zu »Du bist meine Freunde«?

KC: Ha! Guter Versuch von der lieben Nash, aber da fehlt komplett der Wortwitz. »Du bist meine Freunde« hat eine viel tiefere und leicht frustrierende Komponente, es geht bei uns eher darum, die Vereinsamung des Individuums auf poetische Art auszudrücken.

CM: Irgendwann will ich mal ein Buch über Pop-Duos schreiben und Ihr wärt dann natürlich auch dabei. Was ist das Tolle am Zu-Zweit-Unterwegs-sein und was ist nicht toll? Lässt der Song »Franzi...« darauf schließen, dass Ihr gern mehr Mitglieder für Katze hättet?

KC: Minki und ich sind als Ex-Paar einiges gewohnt. Eines wird sich wohl auch nie ändern, wir kennen uns recht gut. Aber die geeigneten Musiker für ein Team wie Minki und mich zu finden, ist keine leichte Sache. Es hat sich sogar jahrelang hingezogen, die richtigen Schlagzeuger und Bassisten aufzutreiben, die den Spagat zwischen simplem Punk und raffiniertem Prog hinkriegen. Aber wir haben Glück, für die Aufnahmen der zweiten Platte hatten wir einen tollen Schlagzeuger (Philip), der jetzt für die Tour von einem genauso tollen (Janek) abgelöst wird. Einzig unsere Bassistin Karen Bollage ist schon so lange dabei, dass sie sich als vollwertiges Mitglied fühlen kann. Bei ihr wird auch besonders klar, wie wichtig ein guter Bass ist. Die Trennung von unserem ersten Bassisten 2004 führte dazu, dass wir das erste Album lieber ohne Bass als mit einem schnell gecasteten Aushilfsprofi aufgenommen haben. Nichts weniger als genial sollte der Bass sein, und so präsentieren wir dieses Jahr umso stolzer eine Platte, auf der jeder Ton am Bass ein kleines Kunstwerk für sich darstellt. Zu »Franzi« gibt es eine Geschichte, denn eigentlich haben wir nie nach anderen Musikern als Bassisten oder Schlagzeugern gesucht. Meine sehr nette, sehr große, schräge und schöne Mitbewohnerin Franzi sagte eines Tages, als wir auf Tour gingen, dass sie uns darum beneidet, durchs Land zu ziehen und aufzutreten. Ich erzählte das Minki und die sagte: »Oh! die Franzi mag ich!« Am nächsten Tag erzählte Franzi, dass sie acht Jahre lang Klavier gelernt hat, und so kam ich auf die Idee für das Stück. Aber Franzi hatte sowieso gerade in dem Moment einem Kunststudium in Kassel als Meisterschülerin zugesagt, und so wurde nichts daraus, außer einem Lied, das ich ohne Franzi nie geschrieben hätte. Ich mag daran sehr, dass es sich ein bisschen so anfühlt, als ginge es um eine Bande, nicht um eine Band. Und so ist es ja auch. Eine richtige Band ist immer eine Bande.

CM: Zum letzten Katze-Album hatten wir ja auch ein Interview gemacht und das Thema Niedlichkeit angesprochen: Wie ist das bei Katze heute? Euer aktuelles Presse-Promo-Foto ist ja eher ernst statt niedlich...

KC: Wir erweitern anscheinend den Niedlichkeitsbegriff eher, als uns davon wegzubewegen. Nachdem wir »verrucht-niedlich« und »hundsgemein-niedlich« sowie »todtraurig-niedlich« und »niedlich-niedlich« ausgereizt haben, passt das Pressefoto nun perfekt für die neueste Niedlichkeitsstufe, dem »stylish / edel-niedlich«.

CM: Das leidige Thema Erwachsenwerden: Jens Friebe nennt in seinem Promotext Kettcar als Negativbeispiel. Wer sind Eure Vorbilder für cooles Erwachsensein? Oder ist Erwachsenwerden grundsätzlich abzulehnen?

KC: Erwachsensein dämpft jede Art von Spieltrieb. Jeder Künstler sollte sich dem verweigern, denke ich. Kettcar kenne ich leider gar nicht gut genug, um deren Erwähnung in Jens Friebes Text richtig einzuordnen. Wir wollten jemanden ganz besonderes für den Promotext beauftragen. Die Idee, Jens zu fragen fand ich perfekt, denn er macht selber tolle Musik und macht sich fast genauso begeistert Gedanken um die Musik anderer. Wir saßen mal auf einer Party an einem Tisch zusammen und erlebten mit, wie er einen langen Vortrag hielt, der uns sehr beeindruckt hat. Wir hatten die Abmachung, seinen Text nicht zu verändern, und wir haben unser Versprechen gerne gehalten. Sorry, Kettcar!

CM: Comic vs. Realismus: Trennt Ihr zwischen Euren Bühnen- und Alltagscharakteren? Oder ist das schizophren?

KC: Wenn man auf der Bühne steht, schlüpft man ja immer für drei Minuten in eine neue Rolle, je nachdem, wie es das Lied diktiert. Aber diese Rollen sind von biografisch bis phantastisch bunt gemischt.

CM: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Dirk von Lowtzow?

KC: Die exaltierteste Rolle hat sicher Minki in »Fabrikmädchen«. Sie singt dort in ihrer Rolle als Nachwuchsstarlet in Andy Warhols Factory. Der Song spielt irgendwann Anfang der Siebziger und ist auch noch dazu von einem sehr betrunkenen Dirk von Lowtzow spätnachts auf einer Party in Kreuzberg getextet worden. Da ist eine Menge Phantasie und dunkle Gesellschaftskritik eingeschmuggelt, aber ich denke, dass viele diese Glitterstarlet-Phantasie teilen - allen voran natürlich auch das Glitterstarlet Minki Warhol.

CM: Welchen neuen Katze-Song hättet Ihr beim Eurovision Song Contest performt? Und welchen Platz hättet Ihr damit gemacht?

KC: Soweit ist es ja nicht gekommen, aber wir hätten Lust gehabt, jedes der neuen Lieder dort auszuprobieren. Wir hätten natürlich Platz eins gemacht oder denjenigen, die Platz eins gemacht haben, hinterher in der Tiefgarage aufgelauert, um sie zu vermöbeln.

CM: Welchen Song auf »Du bist...« findet ihr selbst besonders gut? Und warum?

KC: Mein Lieblingsstück ist »Franzi, wir wollen dass du bei uns in der Band mitmachst«, weil es so ein schönes Thema hat. Aber für mich ist jedes Lied wie eine Single, wir haben Michael Jackson-mäßig so viele Dinge probiert in fünf Jahren, von denen dann die paar übrigblieben, die wir auf der Platte haben, eine Art Best Of.

CM: Eure Lieder wirken ja immer erstmal so hübsch kindlich und naiv (»Bei mir wird immer alles schmutzig«), was sie aber gar nicht sind. Ist das eiskaltes Kalkül oder könnt Ihr nicht anders?

KC: Ich habe Lust, Doppelbödigkeiten und dezente Wortspiele einzuflechten, wann immer es sich anbietet. Früher in der Blues- und Soulmusik gab es tolle Leute, die in jedem Stück übers Bumsen sangen, ohne dass der normale Hörer dies bemerkt hätte. In dieser Tradition sehe ich mich ein wenig, wobei ich meistens traurige Themen in niedliche Worte kleide, so dass eben oft das Kuschelige den ersten Eindruck ausmacht. Wer dort stehen bleibt ist selber schuld, ganz wie bei den alten Bumsblues-Songs. Wenn man sie ein bisschen entschlüsseln lernt, geht der Spaß erst richtig los. In unserem Fall weint man dann vielleicht plötzlich eine Träne, wo man erst keine vermutet hätte.

CM: »Komm wir klauen uns Pistolen«: Was ist heute Punk? Die Kiddies mit Ärzte-Shirts, die in der Fußgängerzone Leute um ihre iPhones anbetteln, sicherlich nicht. Oder?

KC: »Komm wir klauen uns Pistolen« ist total böse. Wie furchtbar wäre es, wenn die Leute anfangen würden, sich Knarren zu besorgen und sich alles nehmen würden, was sie wollen. Und dennoch: wer spielt nicht mal mit dem Gedanken, es diesen Idioten gleichzutun, oder noch besser, eine Ecstasypille einzuwerfen und auf Raubtour zu gehen. Metalbands kastrieren Dämonenwerwölfe und zerfleischen Zombiehirne in Ihren Storys. Katze - wieder mal total nett - schießen lediglich mal in ein Polizistenknie. Aber keine Angst, liebe Polizei, es ist am Ende doch nur Poesie.

CM: Die traurigste / skurrilste / schönste Katze-Anekdote?

KC: Beim letzten Auftritt hatte ich keine Kabel dabei und als ich Minki auf der Bühne mit zitternder Stimme fragte, ob sie die Kabel aus dem Übungsraum eingepackt hat sagte sie: »Ja, hier, brauchst du ein langes oder ein kurzes?« Unser Trommler hatte dann auch noch ein Plektrum für mich. Das war schon Wahnsinn, dieser Tag.


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