Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




August 2005
Christina Mohr
für satt.org

(Mit Illustrationen von Klaus Cornfield)


Katze:
 … Von Hinten!

Zickzack 2005

Katze …Von Hinten!
   » amazon

   » katze-rock.de

Katze
 …Von Hinten!

Christina (Zeichnung von Klaus Cornfield)

Katze ist die neue Band von Klaus Cornfield, der vor vielen Jahren die deutsche Popszene mit Throw That Beat (in the Garbagecan) ein wenig freundlicher und schöner machte. Das ist lange her, Klaus Cornfield hat sich unter anderem als Katzenzeichner einen Namen gemacht (www.klaus-cornfield.de), aber ohne Musik geht es schließlich auch nicht: Gemeinsam mit Minki Warhol gründete er Katze, die nun auf Alfred Hilsbergs Traditionslabel Zickzack ihre erste Platte …Von Hinten! veröffentlicht haben. 13 schrammelige Indiepoppunkperlen sind drauf, Gitarre und Klaus‘ Gesang stehen im Vordergrund, Minki und ihre 99-Cent-Instrumente wie das Stylofon sorgen für die extracharmante Note. Aber man sollte die Katzemusik nicht oberflächlich als niedlich und unbekümmert abtun, in den Texten offenbart sich der eine oder andere Abgrund, den der noch nicht komplett abgestumpfte Großstädter überwinden muß. So klingt „Baden gehen“ beim ersten Anhören zwar wie eine übermütige Hymne auf den Sommer, aber schnell wird klar, dass dem vermeintlich fröhlichen Abrocken eine traurige Kehrseite zugeordnet ist: „Weine bitte nicht um uns / Es lag schon lange in der Luft / So gut wie's anfängt hört's nicht auf / das Schicksal das nimmt seinen Lauf / Was für ein schöner Tag / zum Baden gehen". Aber wie Katzen so sind, wenden sie sich schnell anderen Dingen zu, bevor es ihnen langweilig wird, Krachmachen zum Beispiel: „Wir machen Lääääääääääärm und schrein dazu“ heißt es in „Wir machen Lärm!", das man Eltern circa fünfjähriger Kinder zukommen lassen sollte (anonym natürlich) :-)
Liebe und Liebeskummer sind bevorzugte Katzethemen, aber auch Ruhm – und zwar von beiden Seiten: Minki besingt auf „Größter Anhänger“ ihren Lieblings-Top-of-the-Pops-Star, „Das Geld, der Ruhm und die Mädchen“ zeigt die Kehrseite des Stardoms. Ein Höhepunkt auf …Von Hinten! ist „Sie liebt HipHop": Minki gibt die Human Beatbox, und das ganze Stück nimmt dem HipHop auf liebevolle Weise den Wind aus der dicken Hose … klasse Platte, schöne Zeichnungen, prima Auftritte – alles Gründe, Klaus Cornfield selbst zu Wort kommen zu lassen:

Andreas Dorau reagiert allergisch darauf, wenn man ihn und seine Musik als „niedlich“ bezeichnet – wie ist das bei Euch?

KC: Ich gebe zu, dass ich selber eine Vorliebe für`s Niedliche habe, aber mir wäre das als Umschreibung auch zu eindimensional. Wer hat das denn von uns gesagt? Ich kann mir das gar nicht erklären, hehe.


Wie kamst Du darauf, die Band schlicht und einfach „Katze“ zu nennen? Andere Bands mit Tiernamen versuchen ja oft, das betreffende Tier in irgendwas einzubeziehen: Hund am Strand, Olli Schulz und der Hund Marie, Exploding White Mice …

KC: Eindeutig mehrdeutig sollte er am liebsten sein und es gab noch verschiedene Vorstufen wie "Frierkatze" und ähnliches. Dem Namen ging es fast so wie der Band selber: Zusammengestrichen bis zum Minimum. Irgendwie schafft es das schlichte Wort "Katze" auch, jedem sofort ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Manche springen erfreut in die Luft und sagen "ich habe auch 'ne Katze!"


Katze gibt es ja schon ziemlich lange –wieso erst jetzt die Platte?

KC: Minki sagt auch immer, es gäbe uns schon so lange, aber da wir sehr behutsam angefangen haben, empfinde ich das nicht so. In den ersten drei Jahren spielten wir vielleicht zwei Dutzend Auftritte und doppelt so viele Proben. Das war ideal, um ganz ohne Druck Stücke zu entwickeln und rundzuschleifen. Bei "von hinten" war viel Glück dabei. Wir waren in Kontakt mit Zickzack und sie hätten sich gefreut, unser Demo unverändert zu veröffentlichen. Wir ahnten aber, dass aus den Stücken viel mehr rauszuholen war und ich meine sehr viel mehr. Ich wusste aber wirklich nicht wie, ohne Budget und ohne dickes Tonstudio. Und das beste war, Minki meckerte an den ersten Aufnahmen rum, weil sie sie zu edel fand. Ich war am Ende meiner Weisheit. Wir zogen erstmal nach Berlin und redeten drei Monate lang kein Wort über die Band, bis ich etwas Besonderes zur Einweihungsfeier meiner Wohnung suchte und einen akustischen Katzeauftritt mit Minki durchsetzte (sie sagte kurz vorher: "mach`s doch lieber alleine, ich kann fast nicht mal mehr stehen.."). Moses kam mit Susie (van der Meer) genau pünktlich in die Küche gestolpert und grölte erstmal vor Vergnügen los, als er hörte, wie wir "Sie liebt Hiphop" sangen. Im Morgengrauen waren wir uns einig, dass wir bald was aufnehmen müssen miteinander. Es war ein schönes Gefühl zu merken, dass wir bei jemandem, der mit allen Wassern gewaschen ist, soviel Begeisterung und Einsatz auslösen. Und Minki sollte am Ende Recht behalten haben: Wir übten nur dreimal und peitschten die Stücke gewissermassen auf das dicke Tonband vom Herrn Schneider und er grinste dazu und schnitt die zwei Stellen, die er nicht so doll fand, einfach raus, was die Platte um wunderbare 24 Sekunden kürzer machte. Manchmal lohnt es sich zu warten.


Wie seid Ihr zu Hilsberg gekommen?

KC: Wir spielten in Hamburg in der Astra Stube und bekamen unser Abendessen direkt neben seinem Büro serviert. War zwar keiner da, aber um dem Schicksal nicht ans Bein zu pinkeln, haben wir vorsichtshalber eine CD unter der Tür durchgeschoben. Erst meldete sich wochenlang niemand, denn die Praktikantin hatte sie gleich mit nach Hause genommen und dort immer wieder "vergessen". Als Alfred sie dann doch noch zu hören bekam, klingelte kurz darauf das Telefon bei mir.


Als ich die Platte gehört habe, fühlte ich mich in schönste Achtzigerjahre-Indie-Wave-Popzeiten zurückversetzt, gleichzeitig kommt mir die Musik völlig zeitlos vor – woran liegt das?

Ich habe kürzlich im Studio mal in einem Buch geblättert, das von einem grossen Durchblicker geschrieben wurde. Da standen alle Regeln, die für Popmusik gelten, peinlichst genau aufgeschrieben, vom Reimschema bis zum Kontrapunkt. Mir fiel sofort auf, dass ich von Anfang an viele davon unbewusst befolgt habe. Trotz aller klassischen Strukturen oder Harmonien denke ich, dass die Attitüde das eigentlich Moderne an dieser Platte ist. Früher ging es in Liedern meistens um ein Thema. Bei mir sind es immer zwei völlig gegenläufige Gefühle, die das Thema begleiten. Zum Beispiel schlimmster Liebeskummer gepaart mit einer Huldigung an die Liebe wie bei "Herr Traurigmann" oder "Der Brief". Dazu kommen natürlich noch die wütenden Trommeln von Daniel, der mit Hiphopmusik gross wurde und sich zu der Zeit, als die Aufnahmen entstanden, gerade beim Jazzkonservatorium in Amsterdam eingeschrieben hatte. Ich finde auch Minki hat viel beeinflusst, was die Spannung der sstücke angeht. Sie hat eine unglaublich wirkungsvolle Art, ihre Nase zu rümpfen, wenn etwas langweilig wird. Dann probieren wir solange rum, bis sie wieder lächelt.


Schon mit dem ersten Song, Ich Katze Du Hund kann ich mich voll und ganz identifizieren – aus welchem Impuls hast Du den Song geschrieben?

KC: Frauen und Männer sind doch wirklich wie Katze und Hund. Für Aufmerksamkeit ist gesorgt, aber von Verständnis keine Spur. So hecheln wir mit nur einem simplen Ziel umeinander rum, nehmen Witterung auf, versuchen aufzusteigen, bleiben hängen, jaulen vor Schmerz und unerfüllten Sehnsüchten und kommen am Ende doch irgendwie miteinander aus.


Ist „Punk's not Dead“ Euer „Für immer Punk"?

KC: Leider kenne ich "Für immer Punk" nicht. Nicht weniger als die definitive Punkhymne wollte ich machen. Dieses Genre möchte ich den Toten Hosen nicht kampflos überlassen. Ausserdem erinnert es vom Gefühl her ein wenig an "Teo Toriate" von Queen, das auf "A Day at the Races" den Abschluss bildet.


Eure Songs klingen nur bei oberflächlichem Hören fröhlich wie z.B. „Baden gehen“ oder „Menschen springen von Hochhäusern", wenn man genauer hinhört, eröffnet sich eine fast tragische/traurige Ebene – ist das das Katzekonzept?

KC: (spricht wie der Bundeskanzler) von Konzept kann keine Rede sein, das ist reine Intuition.


Wie bezeichnet Ihr Eure Musik selbst?

KC: Ich mochte das Wort Krautpop ganz gerne, wobei ich beim Wort Krautrock sofort brechen müsste.


Wen hörst Du/Ihr gern? Gibt es andere (deutsche) Bands oder Musiker, die Du besonders gut findest?

KC: Minki steht auf Peaches, Ufo ist weit offen wie ein Scheunentor für völlig verschiedenes, ich höre nicht sehr viel Musik und bin viel lieber auf Konzerten, auch wenn ich von der Gruppe (ein cooles altmodisches Wort, oder?) noch nie was gehört habe. Die besten in den letzten drei Jahren waren: die Strokes, die Flaming Lips, Fink, die Sportfreunde oder auch Timid Tiger und Preslisa.


Auf Jens Friebes Anraten hab ich mir Euren Auftritt während der Popup Leipzig angeschaut - man hat Euch deutlich angemerkt, daß Ihr großen Spaß am Auftreten habt – freut Ihr Euch auf die Tour?
Katze live:
23.09.05 Berlin - Roter Salon
24.09.05 Münster - Luna Bar
26.09.05 Göttingen - Blue Note
27.09.05 Hamburg - Weltbühne
28.09.05 Köln - Blue Shell
29.09.05 Heidelberg - Schwimmbad
30.09.05 Reichenau - Bütezettel
01.10.05 CH - Basel - Hirscheneck
02.10.05 Bamberg - Morph Club
04.10.05 Frankfurt - Club Keller
05.10.05 Nürnberg - Zwinger
06.10.05 Dresden - Groove Station
07.10.05 Leipzig - Ilses Erika
16.12.05 Beauvais (Frankreich) - University

KC: Ich freue mich auf die Auftritte und darauf, viele Leute zu treffen. Die Tour ist von Proton organisiert und man hat selten längere Fahrten als drei Stunden. Das wird lang nicht so anstrengend und chaotisch wie unsere bisherigen Katzetouren, bei denen wir alles geplant und durchgeführt haben. Im Anschluss ziehen wir übrigens auch ein paar Tage mit Jens Friebe weiter durchs Land. Auf die Autofahrten und das oft sinnlose Rumhängen freue ich mich allerdings weniger.


Wirst Du oft auf Throw That Beat angesprochen? Was machen die ehemaligen Bandmitglieder heute?

KC: Klar, das waren immerhin die 11 wichtigsten Jahre für den Schrammelpop in Deutschland ;-). Wir haben nicht nur Grenzen gesprengt, sondern auch 'ne gute Zeit gehabt. Ray (Bass) macht elektronische Musik in Nürnberg, Alex (Schlagzeug) ist Tonmann bei einem Fernsehsender und macht bei "Supergroup" mit. Olli (Gitarre) hatte schon immer ein Auge auf die Schreibtischseite der Musik geworfen und betreibt neben lauten Soloprojekten wie "Phony" eine Agentur für Produzenten in Hamburg. Gina (Backgroundgesang) schreit sich bei "Cobrakiller" die zarte Kehle wund und Iwie (le Keyboard) ist inzwischen zur Musikvideoproduzentin aufgestiegen, hat aber noch etliche andere Projekte, unter anderem mit blauen Kulleraugen und Schnuller versehene. Lotsi ist wie eine Rakete in die Werbegrafikszene aufgestiegen und ich höre meistens, dass sie gerade auf Sri Lanka oder Tahiti ist.


Deine Cover für Timid Tiger sind ja bekannt – hast Du auch noch andere Cover etc. gestaltet? Kannst Du auch andere Tiere außer Katzen?
Klaus (Zeichnung von Klaus Cornfield)

Ich durfte für "Chestnut" eine Reihe Covers machen, einmal sogar mit zwei Dutzend Rapperportraits. Da ich alles solange vereinfache, bis ich es zeichnen kann, kann ich alles, Elefanten, Igel, Chamäleons, Giraffen und sogar Affen und Menschen.


Dein schönstes Katzeerlebnis:

Der Videodreh zu "Der Brief" vorgestern über den Dächern von Kreuzberg an der Spree. Die Sonne schien morgens um acht und mit der Zeit zogen immer mehr Wolken auf und der Wind blies uns am Ende fast runter. Gegen vier waren wir fertig und als es zu regnen begann, sassen wir längst glücklich und erschlagen beim Italiener. Übrigens haben sich ein paar Bauarbeiter angelockt von der lauten Musik Autogramme auf ihre Mützen geben lassen. Ich glaube die waren davon überzeugt, dass Minki alles gesungen hat.


Dein schlimmstes Katzeerlebnis:

Die Trennung von unserem Bassisten. Da hatte ich irgendwann sogar eine Art Nervenzusammenbruch (auch wenn es sich nur so anfühlt). Zum Glück sind die Wogen langsam geglättet. Bereuen kann ich es nicht, denn ich denke, er wäre mit uns nicht glücklich geworden auf lange Sicht.


Schreibst Du die schönsten Lieder, wenn Du traurig bist oder ist gute Laune besser für Kreativität?

Es gibt so einen Zustand der Euphorie, der manchmal beim Spielen eintritt. Wo plötzlich ein gewöhnlicher Akkordwechsel ganz neue Bedeutung bekommt. Das ist immer ein gutes Zeichen. Aber es stimmt schon, für ein tolles Lied gibt es nichts besseres, als ordentlich vom Schicksal eins übergebraten zu bekommen. Soll nicht heissen, dass Katze floppen müssen, um gut zu sein! äh …oder doch?


Nein, auf keinen Fall! Vielen Dank fürs Interview und viel Erfolg für Katze!