
Island Hoch:
Der isländische Ministerpräsident David Oddsson
liest aus seinem Erzählband »Schöne Tage ohne Gudny«
Die Inselrepublik Island im nördlichen Atlantik ist erdgeschichtlich das 
jüngste Land unseres Kontinents und weist zudem die geringste 
Bevölkerungsdichte Europas auf: Weniger als 300.000 Einwohner verstecken 
sich auf einer Fläche, die in etwa der der alten DDR entspricht. Berühmt 
ist das »Land des Feuers, des Wassers, der Luft und der Erde« für seine 
einzigartige aktive Vulkanlandschaft, für seine mächtigen Wasserfälle, den 
Skogafoss und den Gulfoss, für seine Gletscherlagunen und Thermalseen, für 
endlose Küstenbuchten, artenreiche Vogelschutzgebiete und selbstredend die 
Geysire. 80 Prozent der Landesfläche sind unbesiedelt und über 95 Prozent 
der Bevölkerung gehören der evangelisch-lutherischen Kirche an. Diese 
doppelte Askese hinterläßt natürlich Spuren: Tagein, tagaus gestaltet der 
Isländer seine Zukunft, nutzt modernste Kommunikationsmittel, entwickelt 
Computerprogramme und verdingt sich in der Biotech-Branche. Und was macht 
der Isländer in seiner spärlichen Freizeit? Fernsehen? Nein! Sich besaufen? 
Nein! Fersehen und sich besaufen? Nein, er betätigt sich künstlerisch! Er 
malt, bildhauert, zeichnet, töpfert. Er klaviert, komponiert, filmt und 
schreibt. Egal ob alt, ob jung, ob Mann oder Frau, alle machen mit. 
Durchschnittlich soll jeder Isländer 0,19 Björk-Lieder gesungen haben … 
das raunt man sich in der Spreemetropole dieser Tage häufiger zu.
Sperrt eure Schutzbefohlenen weg, die Isländer sind in der Stadt! »Island 
Hoch« heißt ihr fünftägiges Festival und bis Samstag noch stellen sie in 
Berlin ihr künstlerisches Bruttosozialprodukt zur Schau: Im Museum der 
Unerhörten Dinge eindrucksvolle Exponate aus dem Penismuseum in Reykjavik, 
Elfenarchitektur kann im Buchladen Pro qm in Mitte bewundert werden, im 
Glashaus verzücken die Klänge des DJ-Sets von Gus Gus die Tanzenden am 
Samstagabend. Heimlicher Höhepunkt des Spektakels und gesellschaftlicher 
Akt erster Güte war aber zweifelsfrei die Lesung des isländischen 
Ministerpräsidenten David Oddsson aus seinem soeben in Deutsch erschienenen 
Erzählband »Schöne Tage ohne Gudny«. Natürlich in geschlossener 
Gesellschaft und mit schriftlicher Anmeldung!
Empfangen wurde stilecht im Magnus-Haus am Kupfergraben in Berlin Mitte, 
benannt nach dem Entdecker der »Querkraft« Heinrich Gustav Magnus (1802-
1870), direkt gegenüber dem Pergamonmuseum. Das spätbarocke, 1760 unter 
Friedrich II. im Stile Knobelsdorffs errichtete Bürgerpalais, das ein 
Jahrzehnt lang von dem Regisseur Max Reinhardt bewohnt wurde und seit 
vielen Jahren die »Deutsche Physikalische Gesellschaft« beherbergt, war 
glänzend besetzt: Miss Rose, die Kolumnistin des Internetmagazins 
dorfdisco.de gab sich die Ehre, Professor Rott war gleich sechs- bis 
achtmal vertreten, allein Ex-Senator Stötzl und Frauenheld Nida-Rümelin 
fehlten. Saßen sie etwa bei der Konkurrenz ein paar Straßen weiter? Denn 
zeitgleich, um Punkt siebzehn Uhr, lud der Verlag Klett-Cotta am Pariser 
Platz im Max-Liebermann-Haus zur Präsentation des Buches »Demokratie in 
Europa« von Larry Siedentop ein, mit u. a. dem britischen Botschafter Sir 
Paul Lever und dem Bundesminister a. D. Doktor Wolfgang Schäuble. Zufall?
Die Lesung begann relativ pünktlich. Doppelbegabung David Oddsson, 
Schriftsteller, Theatermacher, Leiter der konservativen isländischen 
Selbständigkeitspartei, seit elf Jahren Premierminister des Landes und 
erklärter Gegner eines isländischen EU-Beitrittsgesuchs, betrat die Bühne, 
sagte ein paar Sätze in einer lustigen Sprache, erntete dafür gehörig 
Applaus und machte schließlich Platz für das prominente Bildschirmgesicht 
Hanns Zischler. Gekonnt  trotz zwei, drei Hasplern - trug der Schauspieler 
auf deutsch zwei Geschichten aus Oddssons Erzählband vor. Zwei nette, 
harmlos-humorige Erzählungen mit Hähä-Effekt, handwerklich solide gemacht 
und entfernt an Ephraim Kishon erinnernd, nicht weiter schlimm. Der 
verspätete Verleger Steidl verlas anschließend seine Begrüßungsrede und 
entließ das Publikum endlich zu Speis und Trank.
Es gab fünf verschiedene Sorten Kanapees, drei Serviererinnen reichten 
ununterbrochen Wein und Orangensaft, die Tür zum Garten wurde geöffnet, 
fein. Erst gegen halb acht löste sich die Gesellschaft auf. Wohin nun, der 
Abend war jung? Ins Haus der Berliner Festspiele zur großen Stimmgabel-Show 
oder ins Loft zum Abschiedskonzert der Pop Tarts? Wie viele entschied ich 
mich für das Champions-League-Spiel Bayer gegen ManU, ging in meine 
Stammkneipe und krönte den Tag mit einigen gepflegten Bieren in geselliger 
Runde. Island hoch!