Spoileralarm
(Michael Showalter)
USA 2023, Buch: David Marshall Grant, Dan Savage, Lit. Vorlage: Michael Aussiello, Kamera: Brian Burgoyne, Schnitt: Peter Teschner, Musik: Brian H. Kim, Kostüme: Claire Parkinson, Szenenbild: Sara K White, mit Jim Parsons (Michael Aussiello), Ben Aldridge (Kit Cowan), Sally Field (Marilyn), Bill Irwin (Bob), Nikki M. James (Nina), Jeffery Self (Nick), Antoni Porowski (Sebastian), 112 Min., Kinostart: 4. Mai 2023
Im Presseheft zum Film wird (wie auf dem Plakat) vor allem darauf hingewiesen, dass Regisseur Michael Showalter auch für den kleinen Überraschungshit The Big Sick verantwortlich ist, ebenfalls eine Tragikomödie zum Thema »Krankheit« und hoffentlich auch noch einigen potentiellen Kinobesuchenden in Erinnerung. Für mich wird Michael Showalter aber immer der Regisseur von The Baxter, einer etwas auf dem Videomarkt (mit Trägermedium DVD und dem idiotischen deutschen Titel Baxter - Der Superaufreißer) untergegangenen Komödie mit ihm selbst in der Hauptrolle und außerdem Michelle Williams, Elizabeth Banks oder Peter Dinklage. Diese nicht nur aufgrund des Namens Baxter an Billy Wilders The Apartment erinnernde RomCom gehört zu meinen großen Geheimtips, und wer noch ein funktionierendes DVD-Laufwerk hat, soll sich diesen Film nicht entgehen lassen (ich hoffe mal stark, dass man The Baxter auch irgendwo streamen kann, aber mit diesem neumodischen Kram habe ich nichts am Hut). Wenn man den Regisseur auch als Darsteller kennt, verstärkt das die Sympathien für die Filme dieses Mannes nur.
Und in den immerhin schon sechs Jahren seit The Big Sick war Showalter keineswegs untätig und lieferte neben diversen Fernseharbeiten auch die Kinospielfilme Lovebirds (2020, dt. Die Turteltauben, mit Big-Sick-Darsteller Kumail Nanjiani) oder The Eyes of Tammy Faye (2021). Die landeten wegen den bekannten Problemen mit einer gewissen Pandemie nur nicht so im Bewusstsein der Kinogänger und -innen, wie sie es vielleicht verdient hätten.
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Zweiter Anlauf: Spoiler Alert ist die Verfilmung des Buchs Spoiler Alert: The Hero Dies, in dem der offenbar nicht komplett unbekannte TV-Journalist Michael Aussiello seine persönliche Sicht auf die Beziehung mit dem sehr unterschiedlichen Kit Cowan schildert, der an Krebs verstarb. Gerade die nicht mehr ganz unbeschwerten Jahre schilderte Aussielo seinerzeit (vor 2015) auf Facebook, und nach einer Buchanfrage von Simon & Shuster kam es halt zu der in der Entstehung durchaus therapeutisch in der Trauerarbeit wirkenden Buchvorlage, bei der bei einer Buchpräsentation Jim Parsons involviert war, der dadurch schon früh sein Interesse an dem Stoff verkündete, und wie es in günstigen Fällen passieren kann (aber im Nachhinein liest sich im Presseheft auch ein steiniger Weg oft wie eine Blumenwiese), zu dieser Verfilmung, bei der der durch The Big Sick prädestinierte (aber durchaus interessierte) Showalter als Regisseur verpflichtet wurde und Parsons, wohl am besten durch seine Rolle als Sheldon Cooper in The Big Bang Theory bekannt, als alter ego für Michael Aussielo fungiert.
Dass Jim Parsons selbst schwul und in der LGBT-Bewegung aktiv ist, ist quasi noch das Sahnehäubchen auf diesem Filmprojekt, das trotz des traurigen Themas unterhaltsam und lebensbejahend ausfällt. Ich kann nur spekulieren, wie sehr die Spannungsdramaturgie der Buchvorlage folgt, aber passend zum (verkürzten) Filmtitel wird gleich zu Beginn das Ende »vorweggenommen«, ehe dann halt das Entstehend der Beziehung inkl. mancher oft amüsanter Probleme geschildert wird.
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Interessantes Detail am Rande: Jim Parsons würde die beiden Hauptfiguren Michael und Kit in puncto auf die unterschiedlichen Charakterzüge im Vergleich auf ihn selbst und seinen Mann Todd genau andersherum verteilen, was die Rolle für ihn umso interessanter machte. Für mich als Außenstehenden indes wirkt es so, als ähneln sich Michael und Parsons Bildschirm-Persona Sheldon ziemlich. Beide sind zurückhaltende Nerds und Fernsehsüchtige, während Kit eigentlich mit diesem Medium zunächst sehr wenig anfangen kann (später prägt die gemeinsame Liebe zu einer bestimmten TV-Show auch die Beziehung, aber hier spoilere ich mal nicht, ebenso wie bei jenem »dunklen Geheimnis« dass Michael zunächst veranlasst, sich mit seinem neuen Freund lieber bei dem zuhause zu treffen).
Die Besetzung von Kit mit Ben Aldridge wirkt wie ein Glücksgriff, selbst wenn ich weder den Darsteller noch die dargestellte Figur kenne. Aber die beiden Hauptfiguren haben eine interessante Gegensätzlichkeit, die im Film gut umgesetzt wird. Kit ist mehr nach außengekehrt, während Michael sich gefühlt auch zusammen mit seinem TV Guide für zweieinhalb Wochen in seiner Wohnung verschanzen könnte. Aber als Erzählerfigur tritt Michael Aussiello ganz anders auf. Ein bisschen wie in Natural Born Killers (aber mit gänzlich anderen Vorzeichen) schildert Aussiello seine Kindheit wie eine Sitcom, in der er der absolute Star ist, seine Familienmitglieder aber nahezu in ihrer Beziehung zu ihm (»Michael's younger brother«) und als Pointenlieferanten eingeschränkt wirken. Das passt großartig zu seiner großen Passion TV, die ihn auch im Berufsleben prägt und gerade beim sehr gelungenen Filmende viel zur Geschlossenheit des Films beiträgt.
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Vielleicht verrate ich hier zu viel, aber in den letzten zwanzig Minuten des Films erhascht man mal am Rande des Geschehens Dreharbeiten (für Michael als Insider ist sofort erkennbar, um welche Serie es geht), und erst im Nachhinein erkennt man, wie genial dies ein anderes Thema in der Dramaturgie vorantreibt. Ich habe keinen Schimmer, ob es sich bei diesem winzigen Detail um eine wirkliche Beobachtung handelt oder Aussiello nur eine geniale Buchidee hatte, aber es macht auch keinen wirklichen Unterschied. Schon für diesen kleinen Twist liebe ich den Film.
Noch ein paar Worte zur weiteren Besetzung. Kits Eltern Marilyn und Bob werden von der zweimaligen Oscar-Preisträgerin Sally Field und dem mir immer noch für seinen Auftritt im Musikvideo »Don't worry be happy« von Bobby McFerrin präsenten Bill Irwin gespielt. Das ist diesmal ein bisschen viel Abspulen von Presseheft-Informationen, aber beide haben schon zuvor mit Michael Showalter gedreht und waren in ihrer bewegten Karriere tatsächlich schon mal vorher als Paar vor der kamera zu sehen. Außerdem grundanständige sympathisch Typen, denen man gerne auf der Leinwand zuschaut.
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Die anderen Figuren, der Freundeskreis von Kit und Michael, stehen beim Film etwas im Hintergrund (aus ungeklärten Gründen fiel mir auch auf, dass es für heutige Diversitäts-Zeiten auffällig fast keine Figur unter 30 gab, wenn man von den Sitcom-Flashbacks mal absieht), fügen sich aber wie die »einsilbige« Mitbewohnerin hübsch ins Bild. Fast wie ein gelungenes Szenenbild (und die hart arbeitenden Darsteller und -innen mögen mir dies verzeihen).
Es gibt im Film noch diverse kleine Sachen, die mir positiv aufgefallen sind, die uneingeweihten Interessierten aber nicht bei der Filmentscheidung helfen werden. Das Spiel mit diegetischer / nicht-diegetischer Musik bei der ersten Bettszene (sorry, ich habe halt Filmwissenschaft studiert, da achtet man auf sowas), das Thema Weihnachten, die großartige Coming-Out-Szene (»I'm gay.« --- »I'm gay, too« --- »I'm also gay.«), aber auch der Kampf um das Krankenhaus-Bett, der generell feinfühlige Umgang mit den sensiblen Thematiken und natürlich jene Regieassistentin.
Mir ist klar, dass dieser Film kein Millionenpublikum ins Kino ziehen wird, aber verdient hätte er es. Wenn man nur einen der Gründe für einen Kinobesuch aufgrund persönlicher Interessen nachvollziehen kann, gebt diesem Film eine Chance und verzichtet auf irgendwelche Must-See-Events, die letztlich doch keine sind!