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14. März 2018
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Tomb Raider (Roar Uthaug)


Tomb Raider
(Roar Uthaug)

UK / USA 2018, Buch: Geneva Robertson-Dworet, Alastair Siddons, Kamera: George Richmond, Schnitt: Stuart Baird, Tom Harrison-Read, Michael Tronick, Musik: Tom Holkenburg, Kostüme: Colleen Atwood, Timothy A. Wonsik, Production Design: Gary Freeman, mit Alicia Vikander (Lara Croft), Daniel Wu (Lu Ren), Dominic West (Lord Richard Croft), Walton Goggins (Mathias Vogel), Kristin Scott Thomas (Ana Miller), Nick Frost (Max), Derek Jacobi (Mr. Yaffe), Hannah John-Kamen (Sophie), Maisy de Freitas (Young Lara, 7), Emily Carey (Young Lara, 14), 118 Min., Kinostart: 15. März 2018

Im Reboot der Videospielverfilmung orientiert man sich nicht nur an der veränderten Ästhetik des bisher erfolgreichsten Ablegers des Spiels (von 2013), sondern erzählt von der Vorgeschichte der Archäologin Lara Croft (Oscar-Gewinnerin Alicia Vikander), als sie noch nicht so taff war, sondern eine gewitzte Fahrradkurierin mit Erfahrungen in Kickboxen und Bogenschießen, die aber durch das Verschwinden ihres Vaters noch mental geschwächt ist, bis sie sich dazu entschließt, den vor sieben Jahren in der Nähe Japans verschollenen Lord Croft (Dominic West) zu finden.

Zirka 20-25 Minuten spielt Tomb Raider in London und man erfährt einiges über den Background der neuen Lara. Man lernt ihren Kickbox-Trainer und ihre Mitbewohnerin kennen, einen jungen Mann mit offenbar indischem Migrationshintergrund, der ihr gerne etwas sagen würde - und all diese Figuren spielen im weiteren Verlauf des Films keine Rolle mehr, tauchen allenfalls vielleicht in einem Sequel wieder auf.

Nur die prominent besetzten Nebenfiguren wie ein Pfandleiher (Nick Frost), ein Anwalt (Derek Jacobi) und eine Führungskraft des Croft-Unternehmens (Kristin Scott Thomas) dürfen am Schluss des Films wieder auftauchen, wenn die Grundprämissen späterer Abenteuer vorbereitet werden (aus meiner Sicht übrigens zu ausufernd).

Tomb Raider (Roar Uthaug)

© 2018 Warner Bros. Entertainment Inc. & Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Ansonsten zeichnet sich der London-Teil des Films dadurch aus, dass Lara ihre Schwächen vorführt. Sie verliert in einem Kickboxing-Sparring-Match, wobei ihre Gegnerin mal wieder einigen Klischees entspricht. Dann folgt die vielleicht gelungenste Passage des Films, eine »Fuchsjagd« zwischen Lara und anderen Fahrradkurierinnen, bei der sie die 600 Pfund verdienen will, um die nächsten Trainingsstunden bezahlen zu können (dass sie durch eine Signatur, die ihren Vater für tot erklärt, eine substantielle Erbschaft antreten könnte, ignoriert Lara konsequent).

Auch bei der Fuchsjagd wird Laras psychologisches Trauma überdeutlich nach dem Schema »connect the dots« betont, aber immerhin ist diese Sequenz noch in der Realität verankert, hier entwickelt sich etwas, statt längst nicht mehr zeitgemäßen Genre-Konventionen und Videospiel-Grundzügen hinterherzuhecheln.

Tomb Raider (Roar Uthaug)

© 2018 Warner Bros. Entertainment Inc. & Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Das eigentliche Abenteuer beginnt durch eine Art »Batcave« ihres Vaters unterhalb der Croft Manor, und nach einer schnell arrangierten Finanzspritze landet sie quasi mit einem Filmschnitt in Asien (kein erkennbares Jetlag), wo die Handlung dann dadurch vorangetrieben wird, dass drei böse Jungs Lara den Rucksack klauen wollen und sie erst mal ihre Willenstärke beweisen kann - und nebenbei eher zufällig den Mann findet, der sie bei diesem Abenteuer begleiten wird (übrigens nahezu ohne irgendwelche romantischen Verwicklungen).

Zwischendurch wird immer wieder angedeutet, wie hochintelligent Lara im Auflösen kleiner Puzzle sein soll, aber diese Puzzle sind mit Ausnahme des Hinweises »The first letter from my final destination« allesamt nicht wirklich für den Zuschauer nachvollziehbar - insbesondere die Sache mit einem »Schlüsselloch« und Kristallen (oder so) in unterschiedlichen Farben erfahren zwar eine verbale Begleiterklärung, doch aus meiner Sicht wirkt diese nicht wirklich logisch, als Zuschauer wird von einem einfach erwartet, dass man diese Behauptungen einfach schluckt.

Tomb Raider (Roar Uthaug)

© 2018 Warner Bros. Entertainment Inc. & Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Kleine Logiklöcher gibt es immer mal wieder, aber oft genug merkt man beim Drehbuch, dass man sich durchaus Mühe gegeben hat - aber es passt alles nicht recht zusammen. Man transportiert etwa, dass die adlige Familie der Crofts eine hohe Bildung genoss, indem man Lara zwischen Fahrradkurieren ein Shakespeare-Zitat einbringen lässt, sie aber nicht zugibt, dass sie Hamlet offenbar recht gut kennt. Etwas später in einem Flashback beobachtet ihr Vater die junge Lara beim Bogenschießen und bezieht sich nicht etwa, wie man von einem Engländer erwarten könnte, auf Robin Hood, sondern merkt an, dass ihre Fähigkeiten noch nicht ganz an Wilhelm Tell heranreichen (Schiller! Sehr gebildet!). Dass Wilhelm Tell indes Armbrustschütze war, geht im folgenden (reichlich überflüssigen) Dialoggeplänkel komplett unter. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die erste Äußerung des designierten Gegenspielers (Walton Goggins, der schon zweimal in Tarantino-Western Unsympathen abgab), nämlich »She's waked« mit einer ungewöhnlich gebildeten Vergangenheitsform, nun ein Deutscher sein soll (Rollenname: Mathias Vogel) oder was auch immer. Der für solche Abenteuerfilme typische fremdländische Akzent wird hier jedenfalls nicht geliefert.

Dennoch erinnerte mich Vogel mit seinen zumeist großgewachsenen bärtigen Söldnern irgendwie an Hans Gruber und Konsorten in Die Hard. Auch, wenn man (aber etwas halbherzig) versucht, Laras »first kill« als eine traumatische Erfahrung der dadurch reifenden Hauptfigur darzustellen. Wie gesagt, man erkennt überall die guten Absichten, aber es funktioniert einfach nicht.

Auf dem Papier klingt es auch ganz toll, dass Vogel als Schurke eigentlich das dunkle Spiegelbild zu Richard Croft zu sein scheint. Gleich zu Beginn erklärt er Lara: »I have two daughter. Dark-haired like you, pretty like you!«, und man sieht auch ein Foto der beiden in seinem Zelt, die er sehr vermisst. Aber fünf Minuten später »beweist« er dann seinen Schurkenstatus, indem er eine unwichtige Figur kaltblütig und höchstpersönlich erschießt. Immer mal wieder versuchen die Drehbuchautoren irgendwas cleveres, aber man greift dennoch auch gern auf uralte Filmklischees zurück. Und die seltsame Kombination führt dazu, dass man die Filmhandlung weder ernstnehmen kann - noch sich auf ihren camp-Faktor, der mit einer kleinen Prise Ironie durchaus unterhaltsam hätte ausfallen können (vergl. etwa Jumanji - Welcome to the Jungle), so recht einlässt.

Eine rechte Dynamik entwickelt der Plot zu keinem Zeitpunkt, es wirkt alles wie eine Aneinanderreihung von B-Movie-Klischees mit gelegentlich ein paar hübschen Ideen. Diese aber fast nur im ersten Viertel des Films.

Tomb Raider (Roar Uthaug)

© 2018 Warner Bros. Entertainment Inc. & Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Eine vermeintlich spektakuläre Szene, die mich beispielsweise komplett kalt ließ, war etwa Laras Aufenthalt in einem schon reichlich verrotteten Flugzeug, das sich aus unerfindlichen Gründen über einem Wasserfall verkeilte, aber sich durch das zusätzliche Gewicht schnell in seine Bestandteile auflöst. Die Szene wirkt so, hätte man jetzt ein zur Verfügung stehendes Budget für die Effekte-Orgie reichlich lieblos in eine Actionsequenz »übersetzt«.

Empfehlen kann ich den Film eigentlich nur an Fans des Genres, Gamer, die sich besonders für die Übersetzung ins Medium Film interessieren - und natürlich Fans von Alicia Vikander. Die war für mich der einzige Grund, sich den Film anzuschauen. Und da gibt es schon recht viele Werke in ihrer Filmographie, bei denen sich das eher gelohnt hat, weil man auch eine interessante Story und ebensolche Figuren geboten bekommt.

Noch am Wochenende vor dem Kinostart liefen ja auf einem Privatsender die beiden anderen Lara-Croft-Filme, doch meine Angelina-Jolie-Allergie ließ mich nach nur wenigen Minuten wieder umschalten (im Kino oder sonst wo habe ich mir die Streifen auch nie angeschaut). Glaubt man den Kritikerkollegen, soll das Reboot auf jeden Fall besser ausfallen als die Vorläufer, aber normalerweise benutze ich Komparative wie »besser« eigentlich nur, wenn auch der Positiv, also »gut«, zutrifft.