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Dallas Buyers Club
(Jean-Marc Vallée)
USA 2013, Buch: Craig Borten, Melisa Wallack, Kamera: Yves Bélanger, Schnitt: Martin Pensa, Jean-Marc Vallée, Kostüme: Kurt and Bart, First Assistant Director: Urs Hirschbiegel, mit Matthew McConaughey (Ron Woodroof), Jennifer Garner (Eve), Jared Leto (Rayon), Denis O'Hare (Dr. Sevard), Steve Zahn (Tucker), Michael O'Neill (Richard Barkley), Dallas Roberts (David Wayne), Griffin Dunne (Dr. Vass), Kevin Rankin (T.J.), Donna Duplantier (Nurse Frazin), Lucius Falick (Freddie), James DuMont (Rayon's Father), Scott Takeda (Mr. Yamada), Joji Yoshiada (Dr. Hiroshi), Carl Palmer (FDA Customs Agent), Deneen Tyler (Denise), Ian Casselberry (Hispanic Orderly), Noelle Wilcox (Kelly), 117 Min., Kinostart: 6. Februar 2014
Um es vorwegzunehmen: Man darf es einem Film nicht anlasten, dass seine Schauspieler nach typischen »Oscar-Kriterien« (auch wenn die erst Anfang März vergeben werden) mit Preisen ausgezeichnet werden. Matthew McConaughey und Jared Leto haben beide für ihre Rollen viel abgenommen (bei Leto spricht man von 15 Kilo, bei McConaughey war es vermutlich noch mehr), sie spielen Todkranke und unterschiedlich stark Drogenabhängige, und Nebendarsteller Leto (der sich zwischenzeitig mal für ein paar Jahre aus der Filmbranche zurückgezogen hatte) glänzt zusätzlich auch noch mit einer Transgender-Rolle. Zack, und es gab zwei Golden Globes.
Wenn man dann gleichzeitig Drehbuchautoren, Regisseur und Film bei den Nominierungen verpönt (beim Film wurde das bei den Oscars revidiert), so wirkt das ein wenig so, als sei der Film nur eine Vorführshow der Darstellerleistungen (was auch nichts ganz schlechtes sein muss), doch Dallas Buyers Club ist zwar nicht so »flashy« in Sachen Filmsprache wie 12 Years a Slave, Gravity oder The Wolf of Wall Street, aber der Film kann durchaus mehr bieten als nur zwei große Schauspieler. Das macht der Film gleich in der ersten Szene klar: Es beginnt mit einer schwarzen Leinwand und Geräuschen, die man dann doch recht schnell als Sexgestöhne identifizieren kann. Ron (McConnaughey), der unter anderem beim Rodeo arbeitet, vergnügt sich gerade unter der Tribüne mit einer jungen Frau, die Szene ist fast nur durch einige Sichtspalte in einer Bretterwand zur Arena beleuchtet, durch die die Kamera immer wieder Blicke auf das Rodeogeschehen erheischt. Dann tritt aus dem Dunkel noch ein Mann auf das Paar zu, der sich seiner Hose entledigt und »mitmischt«, auffälligerweise aber eher an der Hinterseite von Ron. Man hat im Dunkel und in Rons sexualisiertem Zustand eher das Gefühl, dass ihm dies recht ist. Dramatisiert wird dieses Geschehen dadurch, dass es beim Blick aufs Rodeogeschehen offenbar Probleme in der Arena gibt, und man den Eindruck bekommt, dass Ron hier gerade seinen Job vernachlässigt und dadurch Kollegen in Gefahr bringt. Ob dies wirklich so ist, bleibt eher offen, dieses Dilemma erforscht der Film nicht weiter, aber durch die Nebenhandlung wird die Sexszene überbetont, und wenn Ron etwas später (wir schreiben das Jahr 1985) mit dem HIV-Virus diagnostiziert wird, steht das saloppe Sexualleben natürlich schnell im Scheinwerferlicht. Das geht sogar so weit, dass Ron, ein texanischer Redneck, wie er im Buche steht, sich gern durch homophobe Schimpftiraden hervortut, und im Moment der Verleugnung der Krankheit gibt es dann einen kleinen Flashback, der den Slogan »ein bisschen bi schadet nie« dann doch Lügen straft.
Auch, wenn Aids anfänglich als »Schwulenkrankheit« stigmatisiert wurde, lässt der Film es aber doch einen Spaltbreit offen, ob nicht auch einer der vermutlich zahlreichen Damen, mit denen Ron bis zum Beginn des Films verkehrt, die Überträgerin gewesen sein könnte. Allerdings wird ein nicht geringer Teil der Zuschauer (ich nehme mal an, dass Leute, die bis ins Mark homophob sind, den Film eher auslassen, George W. Bush hatte ja auch keine Lust, Brokeback Mountain anzuschauen) die prominente Anfangsszene und den Flashback, der Rons Gedankengang illustriert, bereits gleichsetzen mit einer Erklärung, die dann auch für Rons weiterhin sehr schwulenfeindliches Verhalten herhalten muss.
Handlungstechnisch interessant (aber irgendwie auch ein Oscar-Klischee) ist die Verwandlung vom vorurteilsbelasteten Alphamännchen Ron zu jemandem, der sich nicht damit anfreunden will, nur noch 30 Tage leben zu dürfen und der deshalb aktiv recherchiert, welche Maßnahmen so möglich sind – auch außerhalb des US-amerikanischen Gesundheitssystem. Und so dreht sich der Film um die langsame Läuterung Rons (wenn Ron in einer Klinik Jared Leto als Bilderbuch-Transvestiten »Rayon« kennenlernt, reagiert er noch sehr unwirsch dem »Feindbild« gegenüber, dem er durch seine Infektion bald »zugehören« wird, zumindest aus der Sicht seines stiernackigen »Freundeskreis«), um Rons »Aktivisten-Dasein«, wenn er seine aus Mexiko etc. angeschleppten Präparate jenem selbstgegründeten »Dallas Buyers Club« zur Verfügung stellt, damit aber auch viel Geld verdient (dass Ron sein Geld auch gerne auf betrügerische Weise verdient, macht der Film schon sehr früh klar). Und auch seinen Kampf dafür, die Medikamente zu sich zu nehmen, die ihm helfen – und nicht jene, welche die FDA-Behörde (Food and Drug Administration) vorschreibt (was dann auch noch zu einem kleinen Politikum mit Lobbyismus-Vorwurf wird). Außerdem gibt es als Zugeständnis für alte Zuschauerkonventionen auch noch Jennifer Garner als hübsche Ärztin Eve, der Ron nicht ganz abgeneigt ist, und die ihn bei seinem Kampf unterstützt (definitely not the most convincing part of the flick). Der Film legt aber besonderen Wert auf die Feststellung, dass Ron sich aufgrund der Ansteckungsgefahr sexuell fortan sehr zurückhält. Diese etwas verlogen daherkommende überpräsente »Verantwortung« der Hauptfigur (auch wenn Kondome 1985 bereits erfunden waren, gab es ja zu Beginn durchaus Unstimmigkeit darüber, ob schon eine gemeinsam benutzte Klobrille gefährlich sein könnte, und auch Rons frühere »Kumpel« wollen lieber nicht mit ihm rangeln) wird durch eine kleine Szene aber auf komische Art wieder »normalisiert«. Als in Rons privatem Drogenzentrum nach zwei Dritteln des Films mal eine Frau mit HIV-Infektion auftaucht, macht sich Ron mit der Geschwindigkeit eines Roadrunners an den sofortigen Sexualvollzug. Naja, einige Klischees umarmt der Film schon sehr offenherzig, aber er hat für so eine Mainstreamproduktion schon das Herz am richtigen Fleck.
Rein filmisch arbeitet Dallas Buyers Club gern mit vermeintlich aussagekräftigen Visionen. Ron muss zu Beginn mehrfach visuell daran »erinnert« werden, dass sein aktueller Lebenswandel (jede Menge Alkohol und Koks) angesichts der Situation untragbar ist, und in Korrelation mit der Anfangsszene »erscheint« ihm mehrfach ein Rodeo-Clown, der wohl stellvertretend für den drohenden Tod steht (vgl. Anfangsszene). Wie als Beweis, dass Regisseur Jean-Marc Vallée (The Young Victoria) und seine Drehbuchautoren noch etwas mehr vermögen als nur ein Sprungbrett für Darstellerpreise zur Verfügung zu stellen, überzeugt der Film, der zugegebenermaßen größtenteils sehr konventionell inszeniert ist, am Ende auch mit einer visuellen Klammer, die klar zur Anfangsszene zurückkehrt. Aus meiner Sicht ist der Film deshalb – aufgrund clever eingesetzter vielleicht drei Minuten – eben doch »mehr« als nur ein bloßer Schauspielerfilm. Und vielen Zuschauern hätte das ja bereits gereicht.