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16. Oktober 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)
Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)
Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)
Bildmaterial © 2013 Universal Pictures International
Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)
Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)
Alles eine Frage der Zeit (Richard Curtis)


Alles eine Frage der Zeit
(Richard Curtis)

Originaltitel: About Time, UK 2013, Buch: Richard Curtis, Kamera: John Guleserian, Schnitt: Mark Day, Musik: Nick Laird-Clowes, mit Domhnall Gleeson (Tim Lake), Rachel McAdams (Mary), Bill Nighy (Dad), Lydia Wilson (Kit Kat), Lindsay Duncan (Mum), Richard Cordery (Uncle D), Joshua McGuire (Rory), Tiom Hollander (Harry), Margot Robbie (Charlotte), Will Merrick (Jay), Vanessa Kirby (Joanna), Tom Hughes (Jimmy Kincade), Clemmie Dugdale (Ginger Jenny), Harry Hadden-Paton (Rupert), Charlie Curtis (Young Tim), Jenny Rainsford (Polly), 123 Min., 17. Oktober 2013

Die beiden offensichtlichen Referenzfilme für die neueste Richard-Curtis-RomCom sind Groundhog Day und The Butterfly Effect (wobei letzterer – also der Effekt, nicht unbedingt der Film) auch erwähnt wird. Die Zeitreise als größtenteils eigennützige Möglichkeit (ob nun freiwillig oder nicht), um das Liebesleben (oder die Lebensqualität generell) zu verbessern. In dieser besonderen Spielart der Zeitreisegeschichte spielt das technische Element kaum eine Rolle. Beim immerwährenden Murmeltiertag (den man auch als persönliche Vorhölle interpretieren könnte) wird das »Warum« gar nicht erklärt, einzig die Regeln werden ausgelotet (was bei About Time für Zeitreise-Fans der interessanteste Aspekt ist). Bei The Butterfly Effect ist es wie hier eine vererbte Fähigkeit, nur dass Ashton Kutcher diese selbst entdecken muss, während Domhnall Gleeson in About Time eines Tages von seinem Vater (Bill Nighy) »The Talk« erhält (analog zur Pubertätserklärung über Blumen und Bienen, nur einige Jahre später). Die Nähe zu Pubertätsfantasien wird hier auch noch durch den modus operandi verstärkt. Wie in 13 going on 30 funktioniert die Zeitreise im Grunde genommen so, dass man sich im Wandschrank versteckt und sich etwas »ganz doll« wünscht, nur mit dem Unterschied, dass hier die Zeitreise wie selbstverständlich eine Angelegenheit für Männer ist (Rachel McAdams, die einst The Time Traveller's Wife spielte, kennt das bereits). Was man daraus macht, liegt dann ganz an den persönlichen Interessen. Papa Nighy beispielsweise nutzte die »zusätzliche« Zeit vor allem, um besonders belesen zu werden. Für Tim (Gleeson) ist quasi sofort klar, dass er dadurch an die Frau seiner Träume kommen will. Zunächst hält er dafür (in spätpubertärer Frustration) Charlotte, die Freundin seiner Schwester, die eine Feriensaison lang zu Besuch ist und Tim beispielsweise als Rückeneincremer durchaus zu schätzen weiß.

Anders als bei Bill Murray in Groundhog Day besteht Autor und Regisseur Curtis bei seinem Tim darauf, schon früh die Sympathien des Publikums auf dessen Seite zu wissen. Dafür muss Tim nicht nur eine gewisse liebenswerte Tolpatschigkeit vorweisen, sondern vor allem auch ein »gutes Herz« besitzen, um seinen Kampf um die Liebe nicht wie bei Murray nur als perfide Manipulation erscheinen zu lassen. Und so nützt Tim etwa seine allererste Zeitreise vor allem uneigennützig, bei einer Silvesterparty (für ihn seit jeher der Inbegriff der Folter) küsst er rein karitativ ein Mädchen, das ansonsten ungeküsst geblieben wäre. Da diese sich artig bedankt, zerstreut dies die feministischen Kritikpunkte, die der Film dauerhaft herunterzuspielen versucht. (Merke: Besucherinnen einer RomCom geben ihren purpurnen Schal an der Garderobe ab.)

Die Angelegenheit mit Charlotte ist für den Zuschauer sehr amüsant, für Tim vor allem pädagogisch wertvoll. Er erkennt weitaus schneller als Bill Murray: »all the time travel in the world can't make someone fall in love with you«.

Bei Mary (Rachel McAdams) verdeutlicht der Film, dass es um weitaus mehr als eine spätjugendliche Schwärmerei geht, denn das Kennenlernen findet (in einem Film außergewöhnlich) ohne visuelle Stimulanz statt: ein doppeltes Blind Date in einem stockfinsteren Erlebnis-Restaurant, was daraus im doppelten Wortsinn ein Blind Date macht. Curtis hätte hier eine gut fünfminütige Hörspielpassage einbauen können, er entscheidet sich aber dafür, zumindest einige nicht genauer zuzuordnende Lichtreflexe zu zeigen, die ihm immerhin die Möglichkeit geben, den zeitlichen Verlauf der Montage besser zu verdeutlichen. Man sieht irgendwas und erkennt immerhin (natürlich durch den Ton unterstützt), wann es einen Schnitt gibt. Dies rein akustisch zu lösen, wäre vermutlich komplizierter und zeitaufwendiger geworden.

Wenn dann jener »Liebe auf den ersten Blick«-Moment mit einiger Verspätung folgt, so ist dieser etwas überinszeniert, es fehlt nicht viel an der Bollywood-Windmaschine in Zeitlupe, der Film macht es überdeutlich, was nun Tims Ziel für den Rest des Films sein wird. Erstaunlicherweise bekommt er ihre Telefonnummer auch ohne zweiten Anlauf (die Chemie stimmt, Rachel McAdams leicht verlegenes Lächeln funktioniert noch), der Film spielt aber jetzt seine große Trumpfkarte aus: Wer glaubt, Richard Curtis, ein Spezialist für die Romantic Comedy, der beispielsweise in Love, Actually ein gutes halbes Dutzend RomComs in einen Film quetscht, hält sich hier nicht wirklich an die typische Dramaturgie, denn um einem nicht besonders dankbaren Freund seines Vaters eine große Blamage zu ersparen, nutzt Tim hier mehrfach (erneut uneigennützig!) seine Zeitreisefähigkeit, ohne dabei zu bedenken, dass er dadurch Marys Telefonnummer verliert. Und dadurch wird die Möglichkeit des »zweiten Anlaufs« à la Groundhog Day verschenkt, stattdessen muss er sich wie in 50 First Dates darum bemühen, die ursprüngliche »natürliche« Magie zu wiederholen – was für eine Komödie natürlich auch interessanter ist.

Die Stärke des Films ist, dass About Time sich nicht in der RomCom erschöpft, sondern darüber hinaus geht. Die Schwäche hingegen ist die Perfektion des Films. Man hat das Gefühl, dass Richard Curtis beim Verfassen des Drehbuchs selbst ein Zeitreisender war, der immer wieder bereits geschriebene Seiten »rauswerfen« konnte, um es beim zweiten, dritten oder siebten Anlauf noch besser zu machen. In gewisser Hinsicht ist About Time ein »perfekter« Film, was verwirklichte Zuschauer(innen)träume angeht. Love, Actually ist bereits der absolute Lieblingsfilm vieler Frauen (und wahrscheinlich auch einiger Männer), About Time spielt in der gleichen Liga. Dabei fehlt dem Film aber das, was The Butterfly Effect und Groundhog Day auszeichnet: die Fallhöhe. Einerseits gehört zu den Themen des Films Krebs und Alkoholismus, doch selbst die größten Probleme bleiben immer harmlos, die Gute Laune beim Verlassen des Kinosaals ist wichtiger als die Möglichkeit, den Film über perfekte Unterhaltung (à la Pretty Woman, Dirty Dancing, Top Gun) mit perfektem Soundtrack (Friday I'm in Love, When I fall in Love, Into my arms etc.) und erstaunlich vielen perfekten Gags hinauswachsen zu lassen. Tim und Mary sind liebenswerte Platzhalter, haben aber kaum eigene Charaktereigenschaften, sie sind fleischgewordene Träume einer heilen Welt mit Liebe, Heirat und sexueller Erfüllung. Glück, Gesundheit, Geld, Karriere und Familie gibt es quasi ohne Aufpreis noch dazu. Nur Filmkritiker und Nerds stören sich da an Logiklöchern oder einer gewissen Seichtheit, die durchaus gewollt ist.

Das innewohnende Potential des Films kann aber auch der kritische Blick nicht ignorieren. Und es gibt eine Montagesequenz, die zwar nach den üblichen Kriterien »Atmo, Liebe, gute Laune« wie bei Baywatch funktioniert, aber dabei mit diegetischer Musik arbeitet. Und für einen Song lang (mit der subtilen Textzeile »how long will I love you?«) bietet der Film hier wirklich eine filmisch einzigartige »Zeitreise« (ca. 80% der Zuschauer wird dieses Detail kaum auffallen), die aus meiner Sicht weitaus »magischer« ausfällt als die große Liebe, das Happy End undsoweiter …