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18. September 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Riddick (David Twohy)
Riddick (David Twohy)
Riddick (David Twohy)
Bildmaterial © Universum Film
Riddick (David Twohy)
Riddick (David Twohy)
Riddick (David Twohy)


Riddick
(David Twohy)

USA 2013, Buch: David Twohy, Kamera: David Eggby, Schnitt: Tracy Adams, Musik: Graeme Revell, mit Vin Diesel (Riddick), Jordi Mollá (Santana), Matt Nable (Boss Johns), Katee Sackhoff (Dahl), Dave Bautista (Diaz), Nolan Gerard Funk (Luna), Raoul Trujillo (Lockspur), Conrad Pla (Vargas), Noah Danby (Nunez), Karl Urban (Vaako), Andreas Apergis (Krone), Bokeem Woodbine (Moss), Neil Napier (Rubio), Danny Blanco Hall (Falco), Keri Lynn Hilson (Prisoner), 119 Min., Kinostart: 19. September 2013

Pitch Black war einst ein dreckiges kleines B-Movie mit einem unbekannten Hauptdarsteller, The Chronicles of Riddick sein zu mythischen Dimensionen aufgeblasenes Sequel. Mit dem dritten Film des gänzlich auf diese Serie eingeschossenen Regisseurs David Twohy (zumindest sind mir seine anderen Filme A Perfect Getaway oder The Fugitive nicht bekannt) kehrt man wieder zu den Anfängen zurück. Es gibt zwar ein paar Anknüpfungspunkte an die Chronicles, doch die erschöpfen sich größtenteils in einem Prolog, der die Stimmung des Films insofern nicht belastet, als er als nachgeschobener Flashback nachgeliefert wird. Die erste Viertelstunde des Films ist auch die stärkste, denn jenes Talent Riddicks, das zum deutschen Zusatztitel erkoren wurde (es stand auch ein internationaler Zusatztitel »Last Man Stalking« zur Verfügung), treibt hier ganz allein die Handlung voran. Er ist auf einem recht feindlich gesinnten Planeten gestrandet (warum, wird später erklärt, ist aber eigentlich reichlich uninteressant), noch dazu schwer angeschlagen, mit Knochenbrüchen, ohne Proviant etc., und die Fauna macht ihm schwer zu schaffen. Diese besteht zum einen aus einer Art riesigen CGI-Höllenhunden, die ihm nachsetzen, bis er in irgendwelchen Schwefelbädern solange untertaucht, bis die Köter hungrig wieder abziehen. Unter Wasser macht er dann mit einer Art Muränensorte Bekanntschaft, die aber noch reichlich harmlos wirkt. Erst etwas später folgt dann die weitaus gefährlichere, den Planet offenbar beherrschenden Spezies, die ich mal als amphibische Kreuzung aus einem H.R.Giger-Alien und einem Scorpion zusammenfassen will. Nur noch weitaus hässlicher und giftig hinzu.

Riddick kann sich aber gegen all diese Gefahren durchsetzen und findet nicht nur einen »Höllenwelpen«, den er gekonnt dressiert, sondern irgendwo einen verlassenen Stützpunkt, von wo aus er Hilfe ruft. Das bedeutet, er ruft ein Raumschiff voller Söldner und Kopfgeldjäger, die auf die Belohnung scharf ist, die Riddick wert ist (»bounty doubled if returned dead«). Wer Vin Diesel als Riddick schon in einem seiner Filme erlebt hat, weiß, dass er sich um das Ausschalten der Söldner und das Aneignen des Schiffs keine großen Sorgen macht, auch wenn dies, von einigen Komplikationen abgesehen, fast die komplette Handlung des Films ausmacht.

Die erste Komplikation (auch für die Kopfgeldjäger, denen ein leichter Job vorschwebte) ist es, dass noch ein zweites Schiff eintrifft. Auch dessen Kapitän ist an Riddick interessiert, jedoch nicht wegen des Kopfgelds, sondern weil er Rache sucht. Sein Sohn wurde in Pitch Black ein Opfer Riddicks, und wer den doch irgendwie vorhandenen Ehrenkodex Riddicks kennt, weiß auch ohne Kenntnis von Pitch Black (in meinem Fall ist es einfach ein Jahrtausend her, dass ich den Film gesehen habe), dass das wahrscheinlich nicht Riddicks Fehler war.

Der Mittelteil von Riddick funktioniert eigentlich ganz ähnlich wie der Beginn von Pitch Black, wenn man sich als Zuschauer vorstellt, nicht zu wissen, wer hier der Titelheld ist (so ähnlich war die Situation ja bei Pitch Black, auch wenn man recht schnell spitzgekriegt hat, wer dort der (Anti-)Held war). Die beiden Gruppen und die einzelnen Figuren geraten sich gegenseitig in die Haare, und wie nebenbei schaltet Riddick den einen oder anderen aus (reichlich Kanonenfutter hat man ja mitgebracht). Das Problem beim neuen Film ist, dass die anderen Figuren nicht ansatzweise so interessant sind wie Riddick. Vielleicht liegt das zum Teil auch am Vorwissen des Zuschauers, aber selbst bei Figuren, bei denen man schnell davon ausgeht, dass sie Überlebenspotential haben, schert man sich wenig darum, diesen auch eine Backstory zu geben. Paradebeispiel ist hier neben dem bibeltreuen Jüngling Luna (ein schwaches Echo an die religiösen Themen bei Pitch Black) Katee Sackhoff als Dahl. Katee kennt man aus Battlestar Galactica oder als Sexfantasie von Howard Wolowitz in The Big Bang Theory. In dieser Kino-Beinahe-Hauptrolle ist sie ganz auf die Aspekte reduziert, die sie auch in Howards Badewanne demonstrieren darf: Eine bessere Wichsvorlage, die sich schon recht früh im Film ohne dringende dramaturgische Notwendigkeit obenrum freimachen darf, und die unter all den Männern als einzige »Kampf-Lesbe« (das ist nicht von mir so abwertend gemeint, aber der Film stellt sie so dar) eigentlich nur darauf wartet, mal einen richtigen Mann (genau, den meine ich!) kennenzulernen. Die Art und Weise, wie der Film diesen Subplot behandelt, ist auf unnachahmliche Weise sexistisch und frauenfeindlich bis ins Mark, aber ausgehend von Riddicks wuseligem Schoßhündchen bin ich einfach mal davon ausgegangen, dass man sich am Weltbild uralter Pulpromane wie den John Carter-Geschichten von Edgar Rice Burroughs orientiert hat. Trotz aller Vorbehalte wäre Riddick immerhin der bessere John Carter, aber das ist mal wieder so ein Fall, wo man den Komperativ eines Adjektivs nicht anwenden sollte, wenn man schon darüber streiten könnte, ob das Positiv zutrifft. Oder für grammatikunkundige Leser: Wenn zwei Dinge grün sind, kann man schlecht behaupten, welches davon »roter« ist.

Was mich dennoch an dem Film faszinierte und einnahm, ist die konsequente Rückkehr zu Pitch Black. Aus meiner Sicht versucht man für die Dauer des Films, die Chronicles quasi ganz zu vergessen (vielleicht spielt die Story nur in den geraden Teilen der Serie eine Rolle). Riddick selbst formuliert das schon früh wie folgt: »I got sloppy, dulled my own edge. Maybe the greatest crime of them all – I got civilized.« Und der unwirtliche Planet hat nicht nur ein ähnliches sonnengegerbtes Klima, es ist auch abermals ein äußerer Umstand, der die eigentliche Gefahr mit sich bringt. Wie es in Pitch Black eine Sonnenfinsternis war, die die nur unterirdisch tätigen Monster zu einer wirklichen Bedrohung machten, gibt es hier so etwas wie eine Regenzeit (vielleicht ist es auch nur ein selten auftretendes Gewitter), dass die ansonsten in ein paar Wasserlöchern vor sich hindümpelnden riesigen »Krötenskorpione« zu einer echten Katastrophe machen. Und plötzlich scheint Riddick, irgendwann tatsächlich mal gefangengenommen und seiner Exekution mit fröhlichem Grinsen entgegenblickend, die einzige Rettung für die mittlerweile überschaubaren Überlebenden, deren Raumschiffe beide Probleme haben – also ganz wie die Situation in Pitch Black.

Was mir persönlich an Pitch Black besser gefiel, war die einfallsreiche Arbeit der Filmemacher mit einem sehr eingeschränkten Budget. Bei Riddick hat man offensichtlich ein fettes Budget zur Hand, und so werden aus Hunden CGI-Höllenhunde, aus Motorrädern CGI-Flugmaschinen, aus Landkarten Holoprojektionen (immerhin mit Startproblemen, die man durch Draufhauen korrigiert), und einzig die Zigaretten haben keinerlei Designphase durchgemacht und sehen exakt so aus wie hierzulande – obwohl ja nicht nur Riddick kein Erdenbürger ist, und man sich fragt, warum sich ausgerechnet diese Erfindung der Menschheit über ein paar Galaxien verbreitet haben soll. Aber vermutlich kamen Zigaretten auch schon in Pitch Black vor, als die Schöpfung eines futuristischen Äquivalents noch nicht im Gespräch war.

Riddick ist ein Sci-Fi-Action-B-Movie mit ein paar Splattermomenten, jeder Menge kerniger Sprüche und den üblichen Machoallüren. Die Intelligenz des Plots ist – wie gesagt – auf dem Niveau des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, das Frauenbild ebenfalls. Wer damit kein Problem hat (oder diesen Affront unbedingt selbst miterlebt haben will, um in der nächsten Genderdiskussion ein aktuelles Beispiel einbringen zu können), der mag sich durchaus amüsieren. Man sollte nur nicht erwarten, abgesehen von Riddick Figuren kennenzulernen, die auch nur in einem James-Cameron-Film (und das ist meines Erachtens drehbuchtechnisch schon ziemlich unten angesiedelt) mitspielen dürften. Halt Burroughs-Niveau, und selbst den hätten Arthur Conan Doyle oder H.G. Wells seinerzeit ohne weitere Beachtung hinter sich liegen lassen.