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1. Oktober 2012
Lothar Struck
für satt.org


  „Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.
„Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.
„Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.
„Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.
„Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.


„Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Ein Film von Bernd Liepold-Mosser.

Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“ nennt Bernd Liepold-Mosser seinen Film, und hier beginnt schon das Übel, denn der Titel erweckt den Anspruch einer vorurteilsfreien, suchenden Bewegung. Das trifft jedoch nicht zu. Das Spurensuchen ist eine reine Behauptung. Es geht dem Regisseur nicht um eine objektive Darstellung der Griffener und ihrem „Verhältnis“ zum bekanntesten Sohn der Stadt, der selbst übrigens kein einziges Mal auftaucht. Das Urteil war längst gesprochen – der Kärntner Provinzialismus soll aus- und bloßgestellt werden. Und so werden Leute befragt, die sichtlich keine Ahnung von oder über Handke haben (bzw. haben können), aber die Gelegenheit nutzen, endlich einmal ihre Meinung zu sagen. Dabei nimmt Liepold-Mosser – übrigens selbst geborener Griffener – in Kauf, dass mit der Auswahl der Befragten eine Art Repräsentativität suggeriert wird. Dabei geht es in Wirklichkeit nur um die Bebilderung (und Vertonung) des Ressentiments.

Das beginnt schon mit der durchgängigen Untertitelung des Films, die nicht zwingend erscheint, aber natürlich blendend in die Inszenierung des Exotischen passt. Im Nachspann ist neben der „Schnittassistenz“ dann auch protzig ein Übersetzer angegeben. Wie ein Ethnologe des 19. Jahrhunderts, der die „Guten Wilden“ fotografiert, stellt der Regisseur die Befragten nicht nur aus, sondern – in mindestens einem Fall (einer sichtbar geistig behinderten Frau) – bloß.
Praktiziert wird hier ein widerliches Draufhalten ohne jeden Erkenntniswert in der Tradition eines Sudeljournalismus, der sich an (situativen) Unzulänglichkeiten von Protagonisten ergötzt und eine Kritik an diesen Methoden mit unschuldiger Miene als „Authentizität“ rechtfertigt.

So kommt Handkes Bruder Hans Gregor (1949 geboren und damit sieben Jahre jünger als dieser) ausführlich zu Wort.
Nein, Slowenisch sei in der Familie nie gesprochen worden. Bücher seines Bruders habe er noch keines gelesen.
Dennoch merkt man diesem Mann seinen Stolz an. Er zeigt einen der kurzen Postkartengrüße, die er von Peter Handke immer wieder erhält und verteidigt Wunschloses Unglück gegen die Vorwürfe mangelnden Realitätsbezugs als Roman.
In diesen kurzen Momenten ist auch Liepold-Mosser nicht in der Lage, die Würde Hans Gregor Handkes zu beschädigen. Doch erschrickt der Zuschauer über dessen gesundheitlichen Zustand; er spricht kaum verständlich und erwähnt mindestens zweimal, dass er nicht mehr reisen könne. Vom Regisseur kein erklärendes Wort hierzu, nicht einmal eine kurze Einblendung, dass Hans Gregor an Speicheldrüsenkrebs erkrankt war und die schwierige Artikulation operations- und krankheitsbedingt ist. So wird er ausgestellt wie ein seltenes Tier.

In einer anderen Szene sucht die Direktorin der Hauptschule in Griffen die Handke-Bücher der Schulbibliothek. Die Kamera folgt ihr, aber die Bücher bleiben bis auf eines unauffindbar. Der Eindruck, der sich einstellt: Hier verschlampt man die Werke des berühmten Griffeners.
Am Ende liest Frau Pleschiutschnig einen Brief Handkes vor, den er nach einem Besuch in seiner alten Schule geschrieben hatte. Dieses Briefvorlesen ist die schönste Szene des Films, weil er Handkes Respekt und Ehrfurcht vor den Menschen seines Ortes zeigt – einen Respekt, den der Regisseur nicht hat.

Liepold-Mossers ethnologisch-folkloristischer Blick (neben den genannten Beispielen gibt es auch noch eine längere Sequenz über ein Fest nebst Parade des Kärntner Abwehrkämpferbundes) ist vorsätzlich pejorativ. Da will sich einer erhöhen, indem er die „Ureinwohner“ vorführt (oder bestenfalls als tumbe Auskunftgeber benutzt). Der Lacher zu Beginn schämt sich der Zuschauer bald (und man ist froh, die Perfidie des Tricksers früh zu bemerken).
Der Film ist ein Beispiel für die Gefahren der Manipulation von Dokumentarfilmen, die ausschließlich „passende“ Aussagen aneinanderreihen und suggestiv bebildern. „Griffen“ beschmutzt das ehrenwerte Genre des Dokumentarfilms durch sein tendenziöses Vorgehen bis in die kleinste Kameraeinstellung hinein. Man spürt es und bekommt es bestätigt von Leuten, die sich ein bisschen besser auskennen in Kärnten (und sogar Griffen).

Seltsam, wie man in Wien für den Film mit Handkes Brief an Liepold-Mosser wirbt. Liest man ihn genau (s. Seite 10 des Presseheftes) und ist auch nur ein bisschen mit der Sprache des Schriftstellers vertraut, dann erweist sich der HYPERLINK "" „freundliche Brief“ (wie Liepold-Mosser wähnt) als geradezu vernichtende Kritik.

Bernd Liepold-Mosser, „Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke“. Dokumentarfilm. Österreich 2012. 79 Minuten

Lothar Struck, Der mit seinem Jugoslawien. Peter Handke im Spannungsfeld zwischen Literatur, Medien und Politik. 324 Seiten, Paperback. Verlag Ille & Riemer, Leipzig und Weißenfels 2012. 24,80 Euro