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13. Oktober 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Apollo 18 (Gonzalo López-Gallego)
Apollo 18 (Gonzalo López-Gallego)
Bildmaterial: Senator Film
Apollo 18 (Gonzalo López-Gallego)
Apollo 18 (Gonzalo López-Gallego)
Apollo 18 (Gonzalo López-Gallego)


Apollo 18
(Gonzalo López-Gallego)

USA 2011, Buch: Brian Miller, Cory Goodman, Kamera: José David Montero, Schnitt: Patrick Lussier, Kostüme: Cynthia Ann Summers, mit Warren Christie (Benjamin Anderson, Pilot der Mondlandefähre), Ryan Roberts (John Grey, Pilot der Apollo-Raumkapsel), Lloyd Owen (Nathan Walker, Kommandant der Mondmission), Andrew Airlie (Thomas Young, Mission Control), 86 Min., Kinostart: 13. Oktober 2011

Apollo 17 im Dezember 1972 war offiziell die letzte bemannte Mondmission der NASA. Dieser Film erklärt die Hintergründe. Aber nicht etwa als Dokumentarfilm, sondern als etwas, was im Presseheft als »Found-Footage-Genre« bezeichnet wird. Es widerstrebt mir, diesen Begriff zu nutzen, weil es im Bereich Experimentalfilm natürlich seit Jahrzehnten »Found Footage«-Filme gibt, und somit nenne ich diese Filme lieber »Fake Found Footage«, oder 3F-Filme. Man kennt dieses Phänomen von Filmen wie The Blair Witch Project, Paranormal Activity oder Cloverfield – vermeintlich »reales« Filmmaterial wird gefunden (ist natürlich alles inszeniertes Material), und möglichst unbearbeitet im Kino dem Publikum vorgeführt. Diese Filme gehen jeweils auch Hand in Hand mit einer gewissen Geheimhaltung der Geschichte und einem gleichsam in Gang gebrachten Internet-Hype. Beim Blair Witch Project soll man anfänglich tatsächlich noch behauptet haben, es handle sich um einen Dokumentarfilm. Bei Blair Witch gab es zwei oder drei Videokameras (es ist lange her), aus deren Material dann der Film geschnitten wurde. Wobei man sich Mühe gab, die Beschränkungen des Materials auch in den Mittelpunkt der Montage zu stellen. Bei Cloverfield gab es nur eine Kamera, ziemlich clever bastelte man aber als »Found Footage« einer zweiten Ebene, als Palimpsest sozusagen, auch noch Überbleibsel einer früheren Aufnahme ein, die nicht gelöscht wurden, weil die »laufende« Aufnahme zwischenzeitig angehalten wurde und nicht passgenau wieder anschloss. Bei Paranormal Activity wurde das Material, das teilweise aus dem stundenlangen Überwachen eines Schlafzimmers bestand, insofern aufbereitet, dass man sozusagen auf »Zeitraffer« stellte oder zu den »spannenden Stellen« vorspulte. Aber auch hier ist das vermeintlich uninszenierte Ende des Films (die Kamera ist natürlich jedes Mal bis zum Schluss dabei) ganz auf das 3F-Material abgestimmt.

Apollo 18 hat nun einen großen Vorteil, denn es könnte ja tatsächlich jemanden interessieren, warum es keine 18. Mondmission gab (ich Ignorant habe mir darüber nie Gedanken gemacht, aber ich war 1972 auch erst fünf Jahre alt), und trotz unübersehbarer Horror-Anteile (wenn sich jemand allein im Dunkeln fürchtet, ist das eigentlich fast immer Horror) hat man diesmal trotz des fast 40 Jahre alten Materials natürlich auch das Science-Fiction-Genre und einen Bereich des öffentlichen Interesses angekratzt (manch einer erinnert sich an den unerwartet erfolgreichen Film mit Tom Hanks), und damit gleich zwei neue potentielle Besucherkreise eröffnet (denn, soviel mag ich verraten, in Apollo 18 geht es nicht um Hexen, Poltergeister oder Godzillas Schwippschwager).

Allerdings hat Apollo 18 auch ein großes Problem. Zumindest in meinen Augen. Ein Großteil des Publikums wird sich gruseln und unterhalten fühlen, und das gönne ich dem Publikum auch. Doch ich sehe das Hauptproblem des Films darin, dass das 3F-Genre mit Video und Digi-Cam, Handys und IPhones prächtig funktioniert, doch die Filmemacher haben sich nicht die geringste Anstrengung gemacht, zu erwähnen, wie es denn zum mannigfaltigen Filmmaterial aus unterschiedlichsten Blickwinkeln kam. Die Apollo-Missionen benutzten größtenteils TV Kameras von Westinghouse und RCA, die somit nicht aufzeichneten, sondern sendeten. Doch da im Film nicht einmal der Funkkontakt auf der »dunklen Seite des Mondes« funktioniert, sehe ich im Übermitteln bewegter Bilder ein erkennbares Problem. Nun gab es Anfang der 1970er schon frühe Versionen von Videokameras, und die NASA hatte dazu wahrscheinlich eher Zugang als der Durchschnittskonsument, der darauf wartet, dass die Innovationen im Elektrohandel auftauchen. Doch wer denn die unzähligen Kameras innerhalb der Rakete und der Mondfähre immer wieder nachgeladen haben soll, interessiert den Film keinen Deut. Außerdem behandelt der Film sein Material aus unerfindlichen größtenteils so, als handle es sich um Filmmaterial (also selbst das vermutlich »gesendete« Material). Zu Beginn gibt es mal Amateur-Aufnahmen (Super 8?) von einer Grillparty, und teilweise hat man das Gefühl, dass diese Aufnahmen die exakt selben Verschmutzungen auf der Linse zeigen wie später die Bilder aus dem All. Da hat wohl jemand in der Bildbearbeitung gepfuscht.

Darüberhinaus ist auch die komplette Inszenierung (insbesondere die Montage) des Films darauf angelegt, Spannung und Grusel zu erzeugen. Das ist bei den anderen 3F-Filmen natürlich genauso, aber Apollo 18 benutzt schon früh aufdringliche Filmmusik zur Schaffung einer Atmosphäre, schneidet gern nichtssagende Schnipsel ein, um die Gefahr zu verdeutlichen - kurzum: der Film nimmt seine eigene Prämisse nicht ernst, warum also soll ich als Zuschauer dies tun.

Wer einfach nur Spaß haben will, sich keinen Deut um Kameras und Montage kümmert (traurigerweise wahrscheinlich über 90% der Leute, die regelmäßig bewegte Bilder anschauen), und nebenbei auf SF mit einem Twist wie bei Robert Sheckley steht, dem sei der Film ans Herz gelegt, denn während »rock paper scissors« seit The Big Bang Theory überholt scheint, so ist »rock hammer astronaut« immer noch ein Spiel mit interessantem Ausgang.