|
Bildmaterial © Disney/Pixar
|
Day and Night
(R: Teddy Newton)
USA 2010, Musik: Michael Gaicchino, 6 Min., Kinostart: 29. Juli 2010
Inzwischen ist es soweit, dass die Industrie die ersten 3D-fähigen Plasma-Bildschirme anbietet, aber ich bin dennoch der Meinung, dass diese Technologie wieder aus den Kinos (außer vielleicht den IMAX-Kinos) verschwinden wird. Ganz einfach, weil zu wenige 3D-Filme wirklich Nutzen aus der Dreidimensionalität ziehen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, 3D so in ein filmisches Projekt einzubeziehen, dass es Sinn macht und eine 3D-Projektion einer herkömmlichen 2D-Projektion vorzuziehen ist. Dazu würde ich auch einige Effekte zählen. Einige Momente in The Final Destination sind in 3D um einiges eindrucksvoller als in 2D. Und auch der Flug über das viktorianische London in Robert Zemeckis’ A Christmas Carol funktioniert über seine in 3D gut erkennbaren verschiedenen Level viel besser – doch hier steht bereits die Frage im Raum, ob so eine kleine Sequenz bereits die Existenz eines kompletten 3D-Films berechtigt.
Filme wie Coraline machen die traditionelle Herstellung des Films als Puppentrickfilm nachvollziehbarer. Und in Up spielt man meisterhaft mit Dimensionen, der Schwerkraft und der Bewegung in der Luft.
Day and Night, der aktuelle Pixar-Kurzfilm, der vor Toy Story 3 läuft, funktioniert laut seinem Regisseur Teddy Newton auch in 2D, aber in 3D wird er zu einem weitreichenderen Erlebnis. Und zwar gerade, weil der Film oberflächlich betrachtet sowas wie der erste »2D«-Animationsfilm des Hauses Pixars ist, und zwar im Sinne der Unterscheidung zwischen herkömmlicher Zeichentrickkunst, die zumeist auf einem Blatt Papier stattfindet (bzw. einer Plastikfolie namens »Cel«), und der Computer-Animation, die per se zwar auch zumeist zweidimensional bleibt, bei ihrer Herstellung aber in einem simulierten dreidimensionalen Raum errechnet wird (inklusive von komplizierten Kamerafahrten, wie sie im herkömmlichen Zeichentrickfilm – siehe zum Beispiel The Lion King – eher selten sind).
Day and Night sind zwei herkömmliche Zeichentrickfiguren, eben der Tag und die Nacht, beide ganz traditionell gezeichnet, sich sehr ähnlich und an Animationen wie La linea erinnernd. Auf einer planen schwarzen Fläche interagieren die beiden miteinander, doch ähnlich wie bei einer Fernglasblende geben sie zwei separate Einblicke auf eine computeranimierte dreidimensionale Welt hinter der planen Ebene. Hierbei zeigt die eine Figur eine Welt bei Tage, die andere eine während der Nacht, und der Film erinnert dadurch teilweise an die klassische Star-Trek-Folge Let that be your last Battlefield, wo die unterschiedlich schwarz-weiß bzw. weiß-schwarz pigmentierten Aliens Bele und Lokai sich bis aufs Blut hassen, was als Parabel auf Rassismus die innewohnende Absurdität sehr gut vor Augen führt.
Bei Disney geht es natürlich nicht um Rassismus, Day und Night sind nur verwundert ob der Existenz des jeweils anderen, entwickeln Neid auf Eigenarten, und – passend für einen Cartoon – brüsten sich jeweils mit den Dingen, die der andere nicht vorweisen kann. So zeigt uns der Rahmen des Tages Strandschönheiten, die sich sonnen (die Reaktion der Nacht erinnert an Averys Wolf), während die Nacht mit der Neonreklame Las Vegas oder einem Feuerwerk angibt (was die Licht-und-Schatten-Dichotomie fast schon wieder aushebelt).
Der Film bleibt einerseits klassisch minimalistisch, entwickelt aber ein immenses Thema – und führt die antirassistische Moral (auch für Kinder verständlich) überdeutlich vor Augen, ohne ins Didaktische abzudriften. Und nebenbei spielt Day and Night mit den visuellen Möglichkeiten seiner Prämisse. So sieht man zwar die selbe Welt (zu unterschiedlicher Tages- bzw. Nachtzeit) durch die beiden als Fenster fungierenden Figuren, aber wenn die beiden sich jeweils vor den anderen bewegen (im zweidimensionalen Film die offensichtlichste Möglichkeit, Räumlichkeit darzustellen), sehen wir als Zuschauer jeweils nur den Einblick in die 3D-CGI-Welt, den der vorne stehende offenbart. Was – wenn sich die Figuren des Betrachters bewusst wären – eine zusätzliche Konkurrenzsituation entwickeln könnte.
Was den Reiz des Films ausmacht, ist, dass er einerseits so simpel ist (die beiden Figuren könnten Zwillinge sein), andererseits aber seine einfache Prämisse in kürzester Zeit in eine (auch durch das Tempo verstärkte) Komplexität führt, dass man ihn am liebsten noch mal sehen möchte. Und ungeachtet dessen, dass auch der Hauptfilm Toy Story 3 eine positive Überraschung ist – Day and Night ist bereits einen Großteil des Eintrittsgeldes alleine wert. Ich plädiere für eine Kompilation »Best of 3D« mit aufgemotzten Klassikern, in der Day and Night der vorerst schwer zu übertreffende Höhepunkt sein dürfte.