Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Januar 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org

Die Queen
UK / F 2006

Die Queen (R: Stephen Frears)

Die Queen (R: Stephen Frears)

Originaltitel: The Queen, UK / F 2006, Buch: Peter Morgan, Kamera: Affonso Beato, Schnitt: Lucia Zucchetti, Musik: Alexandre Desplat, Production Design: Alan MacDonald, Casting: Leo Davis, Kostüme: Consolata Boyle, Make-Up & Hair Design: Daniel Phillips, mit Helen Mirren (The Queen), Michael Sheen (Tony Blair), James Cromwell (Prince Philip), Helen McCrory (Cherie Blair), Alex Jennings (Prince Charles), Roger Allam (Sir Robin Janvrin), Sylvia Syms (The Queen Mother), Tim McMullan (Stephen Lamport), 104 Min., Kinostart: 11. Januar 2007

Stephen Frears, eine der großen britischen Regiehoffnungen der späten 1980er, folgte danach (ähnlich wie Alan Parker oder Neil Jordan) dem Ruf aus Hollywood und übernahm dort Big-Budget-Produktionen wie Dangerous Liasons oder The Grifters. Doch wie seine zwei Kollegen Neil Jordan und Alan Parker nahm er sich auch immer mal wieder zwischendurch Zeit, um in seine Heimat zurückzukehren, und dort beispielsweise mit The Snapper und The Van die letzten zwei Teile der beliebten Roddy Frame-Trilogie (Alan Parker hatte den ersten Teil übernommen) zu inszenieren.

Filmszene
Filmszene
© Concorde Filmverleih GmbH
Filmszene
Filmszene

Seit High Fidelity, der nach Chicago übergesiedelten Adaption des Nick Hornby-Romans, scheint sich Frears aber immer mehr von Hollywood zu verabschieden. Es folgten der in Liverpool spielende Liam, das hierzulande leider nicht in den Kinos gelaufene Migrantendrama Dirty Pretty Things (der Weg zur Videothek lohnt sich!), die Fernseharbeit The Deal (hierzu gleich noch einiges) und der mehrfach oscar-nominierte Mrs. Henderson Presents.

The Deal von 2003 dreht sich um die Beziehung zwischen Gordon Brown und Tony Blair, und gemeinsam mit dem damaligen Autoren Peter Morgan hat er sich nun für The Queen erneut einer Geschichte angenommen, in der Tony Blair (erneut von Michael Sheen gespielt) eine nicht unwichtige Rolle spielt.

Der Film beginnt nämlich mit dem Wahltag, an dem Tony Blair John Mayor ablöste. Dadurch, daß man dieses Ereignis diesmal andeutungsweise aus der Sicht von Queen Elisabeth II (Helen Mirren) sieht, wird eine Wechselwirkung zwischen den zwei wichtigsten Personen des britischen Königreichs bereits früh eingeführt. Wenn Tony dann mit seiner Gattin erstmals im Buckingham Palace zum (kurzen) Plausch eingeladen wird (“You are my tenth Prime Minister - my first was Winston Churchill”), kommt man als Zuschauer bereits beiden Figuren recht nahe, der Hauptteil des Films dreht sich dann aber um den Tod von Lady Di (die im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern des Königshaus in diesem Film nahezu ausschließlich in Archivbildern zu sehen ist), und wie dieser (und die Reaktion der Queen darauf) die Monarchie beinahe ins Straucheln gebracht hätte. “This is a family funeral, not a fairground attraction.” Das Establishment droht im Blumenmeer der Normalsterblichen zu ersticken …

Bereits, wenn man in der Titeleinstellung Helen Mirren kurz in die Kamera blickt, deutet sich an, daß dieser Film auch sehr humorvoll ist, wenn auch mit typisch britischem Understatement und einer - trotz allem - respektierlichen Haltung dem Königshaus gegenüber. Ob Prinz Philip (James Cromwell) am Tag nach dem Tode der Mutter mit den jungen Prinzen “auf die Jagd” gehen will, um sie “abzulenken” (Um nicht an den Tod zu denken, könnte man ja mal einen Hirsch über den Haufen schießen …) oder Tony Blair zu unpassender Zeit zuhause mit einem Fußballtrikot rumrennt, man könnte wahrscheinlich an jedem beliebigen Tag ein britisches Tabloid aufschlagen und boshaftere Dinge über diese Personen “erfahren”.

Ich will nicht den ganzen Film ausplaudern, aber gerade die Menschlichkeit dieser von den Medien zu (nicht unfehlbaren) “Übermenschen” hochgespielten Personen macht den Reiz des Films aus. Einerseits sehr nah an den (größtenteils bekannten) Ereignissen, nimmt sich Frears auch Zeit für einige weitergehende Interpretationen und ganz private Szenen, und The Queen sollte nicht nur für einige Darstellerleistungen ins Rennen um diverse Filmpreise gehen, sondern auch für das Drehbuch und die hier ausnahmsweise sehr gelungene Kombination eines Biopics mit Archivmaterial, die mir in vielen anderen Fällen (JFK als Paradebeispiel) sehr schnell sauer aufgestoßen wäre. In The Queen ist für den Zuschauer relativ klar, an welcher Stelle man vom Dokumentarischen ins Fiktive abdriftet, und gerade die fließende Eleganz bei der Bewegung zwischen diesen beiden Polen zeigt erneut, daß Stephen Frears im Bereich Filmregie auch so etwas wie der “König von England” ist.