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3. Juli 2013
Kristin Eckstein
für satt.org

  »Von einer Blume, die ein Messer trägt« von Hina Sakurada

Hina Sakurada:
Von einer Blume, die ein Messer trägt

Stefan Hofmeister (Übersetzer)
Egmont Manga & Anime
192 S., € 6,50
» Verlag

»Von einer Blume, die ein Messer trägt« von Hina Sakurada


Von einer Blume, die ein Messer trägt

Als die Schülerin Kako eines Tages in einem Gothic Lolita-Outfit zur Schule kommt, wird ihr Lehrer Enjo auf sie aufmerksam: Er bittet sie, für ihn Modell zu stehen, um das perfekte Gemälde zu zeichnen. Kako verliebt sich daraufhin sofort in ihren Lehrer und gesteht ihm alsbald ihre Liebe. Doch der weist sie ab, denn er ist bereits verlobt – noch dazu mit Kakos bester Freundin Yuri. Kako allerdings kann ihre Gefühle nicht unterdrücken, sie steigert sich in einen Wahn und beginnt, Enjo zu stalken …

Soviel zunächst zur Geschichte von Hina Sakuradas one-shot, der sich als ein Sammelsurium reproduzierter Geschlechterrollenstereotypen sowie deren vermeintlicher Widerlegung, aber auch als eine permanente Perpetuierung von Vergewaltigungsmythen herausstellt. Als Kako etwa auf ihren Lehrer wartet und dabei Hotpants und hochhackige Schuhe trägt, reagiert dieser sofort mit Vorwürfen, die an klassisches victim blaming erinnern: „Mit so einem Outfit forderst du nur heraus, von Männern angefallen zu werden! [...] Wenn du so angezogen draußen rumläufst, wird dich bald jemand vernaschen!“

Es mag in einem von und für Mädchen und Frauen produzierten Medium wie dem shôjo oder dem jôsei manga befremdlich anmuten, solche Vorwürfe ohne eine entsprechende Reaktion der Protagonistin zu lesen, doch ist dies leider kein Einzelfall; auch in anderen populären Werken wie etwa Miki Aiharas Hot Gimmick und Ako Shimakis Secret Girl finden sich vergleichbare Szenen. Dass rape culture aber auch auf eine kritische, die Betroffenen bestärkende Art und Weise thematisiert werden kann, zeigen erfreulicherweise (vereinzelte) Beispiele wie Confidential Confessions.

Dies bleibt allerdings nicht das einzige Problem innerhalb der knapp 120 Seiten umfassenden Geschichte. Die zwei zentralen weiblichen Figuren sind derart überzeichnet charakterisiert, dass sie nicht nur überaus unsympathisch, sondern derart karikaturesk anmuten, dass man sich zuweilen nach der Ernsthaftigkeit von Sakuradas Absichten fragen muss. Die bereits erwähnte Kako, welche einerseits ein überaus verzerrtes, negatives Selbstbild aufweist, wenige Szenen darauf jedoch geradezu narzisstisch von sich selbst überzeugt scheint, nur um kurz darauf wieder in eine selbstdemütigende Unterwürfigkeit zu verfallen und ihren Lehrer anzubetteln, ihm ihre Liebe zu schenken. Dieser Devotismus („Bitte beachten Sie mich! Ich gebe alles dafür, also nehmen Sie doch bitte mich! [...] Ich gebe alles, solange es nur irgendeine Möglichkeit für uns beide gibt!“) grenzt an totale Selbstaufgabe und eine völlige Entindividualisierung und Unterordnung unter das männliche Objekt der Begierde. In seiner inszenierten Opulenz löst dies sicherlich nicht nur bei selbstdeklarierten FeministInnen einen latenten Brechreiz aus.

Die andere wichtige Figur ist Kakos Freundin Yuri, die sich schließlich als ihre größter Feindin entpuppt. Auch hier gilt: Man muss kein Studium der Gender Studies absolviert haben, um den Topos der „besten Freundinnen, die sich um einen Mann streiten“ ermüdend und überstrapaziert zu finden. Wenn Yuri dann noch ihre Heiratsabsichten mit „Weil er die ideale Partie zum Heiraten ist. Er ist reich und sieht gut aus.“ begründet, möchte man sich fragen, ob die Autorin möglicherweise gar latent misogyn ist.

Kakos „Liebe“ – sofern man dies so nennen mag – steigert sich schließlich ins Stalking: Sie verfolgt ihren Lehrer nach Hause und schlägt ihn ohnmächtig, um ihn anschließend mit Klebeband zu fesseln. Mit der Begründung, er solle sie nun endlich als Frau betrachten, kommt es zur wohl abstoßendsten Szene des gesamten Bandes: Weiterhin um seine Liebe bettelnd vergewaltigt Kako ihren Lehrer oral, bricht anschließend weinend zusammen und muss sich von ihm trösten lassen. Diese Szene ist nun vermutlich auch der Grund für die Kategorisierung des Manga als „Adult“. Wenngleich der Titel und auch die Inhaltsangabe des Manga gänzlich in die Irre führen und ein blutiges Massaker erwarten lassen, so bleibt die einzige Szene mit Gewalt – neben der Vergewaltigung – eine, die ausschließlich in Kakos Phantasie stattfindet: Dort ergreift sie Yuri und wirft diese aus dem Fenster der Schule, sodass sich diese das Genick bricht. Wer hier eingedenk des Titels und Covertextes Horror erwartet, wird vermutlich enttäuscht; Grauen und Abscheu zeichnen sich hier auf einer anderen Ebene ab. Denn zwei Jahre, nachdem Kako die Schule abgeschlossen und nicht mehr mit ihrem Lehrer geredet hat, lädt dieser sie überraschend zu einer Kunstausstellung ein. Dort küsst er sie (!), entschuldigt sich bei ihr (!!) und gesteht ihr seine Liebe (!!!): Es war ihm nicht möglich, sie zu vergessen, denn „[a]ls du dich über mich hergemacht hast, war das einfach phänomenal ... und ich war verrückt nach dir.“ Man könnte es als Stockholm-Syndrom interpretieren; wahrscheinlicher ist aber, dass sich hier zwei Psychopathen gesucht und gefunden haben.

Die zweite, relativ kurze Geschichte in dem Band ist dann zwar Klischeehaftigkeit kaum zu übertreffen: Es geht um einen von den Menschen geächteten Dämon, der sich in eine unschuldige junge Frau verliebt, welche wiederum von ihrem Ziehvater sexuell missbraucht, von ihrer Ziehmutter geschasst und schließlich ermordet wird, was wiederum die Frage aufkommen lässt, ob Hina Sakurada nicht wirklich einen gewissen Hass auf das eigene Geschlecht empfindet. Die Geschichte ist aber auch von einer solchen Belanglosigkeit, dass man nach dem vorherigen 120seitigen Debakel erleichtert aufatmen möchte.

Um letztlich noch einen positiven Aspekt zu benennen: Sakuradas Zeichenstil ist schön anzusehen, zuweilen gar von einer sehr anziehenden Ästhetik; wenn da nicht die Mimik ihrer Figuren wären, die zuweilen ans Groteske, Fratzenhafte grenzen und den positiven Eindruck erneut schmälern.

Die Lektüre lässt die Leserin schließlich mit einem bitteren Nachgeschmack begründet zurück. Es stellt sich vor allem die Frage: Welche Zielgruppe strebt ein solcher Manga an? Ist die Geschichte gedacht zur Identifikation, oder soll sie, gedacht für mündige Leserinnen, als abschreckendes Exempel für krankhafte Liebe dienen? Letzteres erscheint auch ob des als solchen deklarierten Happy Ends als unwahrscheinlich; weitaus stärker erinnert es in seiner Gesamtheit an eine noch bizarrere Darstellung einer vermeintlich überaus romantischen Beziehung im Stile Twilights, in welcher sich die Liebe einerseits ausschließlich auf Äußerlichkeiten beschränkt und andererseits Verhaltensweisen wie Stalking und Wesenszüge wie krankhafte Eifersucht als „romantisches“ Ideal inszeniert werden. Es verbleibt die Hoffnung auf die mündige Leserin – und darauf, dass diese Publikation ein Ausnahmefall bleibt.