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Kopfnicken bei Lucinda Williams Als erstes spielt Lucinda Williams, die für den Albumklassiker „Car wheels on a gravel road“ von 1998 verantwortlich zeichnet und auf ihren letzten Platten sowohl rockiger als auch positiver gestimmt musiziert hat. Countrylike geht’s zwar los, aber auch live dominiert ganz klar der Rock’n’Roll. Seit dreißig Jahren im Geschäft nimmt man Frau Williams ohne weiteres ab, dass sie in jeder Countrykaschemme des mittleren Westens rauf und runter gespielt hat. Der Film „Thelma und Louise“ kommt einem unweigerlich in den Sinn. Bestens in dieses Szenario passt auch Drummer Butch (nomen est omen) mit riesigem Cowboyhut. Der Rest der Band besteht aus recht smarten Jungs, die das Gitarrespielen bestens beherrschen. Zwar sehr virtuos aber letztendlich doch irgendwie vorhersehbar und ohne große Überraschungsmomente. Bemerkenswert auch der Gitarrenroadie in Krawatte, dunklem Anzug und dem gleichen Optiker wie Kurt Wagner, dem Lambchop-Sänger. Hier handelt es sich zweifellos um die am besten gekleidete Person der gesamten Veranstaltung. Zwei Gitarrenroadies sind während des Konzertes auch permanent mit Instrumentenwechsel und Stimmen beschäftigt. Solide rocken sich Lucinda und ihre Mannen durch das Programm, das mit dem AC/DC-Cover „It’s a long way to the top, if ya wanna Rock’n’Roll“ endet. Viel passender könnte ein Titel nicht sein. Mein Nachbar meint: „Das war das Highlight des Abends“, aber ich meine, da kommt doch noch was.
Fußwippen bei Lambchop Zum Beispiel Kurt Wagner und seine Lambchop als die Nummer zwei im Programm. Das letzte Album „(Oh) Ohio“ fiel bei mir nicht nur als Gratisbeilage zum Rolling Stone positiv auf, sondern vor allem durch seine tollen Songs und Arrangements. Lässt sich so etwas auch live auf einer Open Air-Bühne praktizieren?, ist die spannende Frage, die eine gute Stunde später eindeutig mit Ja beantwortet ist. Lambchop sind heute zu siebt, vier Gitarren, alle über Fender-Amps gespielt, lassen vermuten, in welche Richtung es gehen wird. Das Konzert besteht aus zwölf Songs, die man in jeweils drei Lieder Countryjazz, Funk, Pop und Rock einteilen kann – zumindest im Groben. Die Gitarren sind lange nicht so vordergründig dominant wie beim ersten Act, sondern dezent, klar, atmosphärisch, Soundteppiche legend, manchmal verspielt, einfach schön – und es geht auch ohne Instrumente wechselnde Roadies. Darüber liegend mal zart, mal melodiös, mal bellend die sonore Bassstimme Kurt Wagners, der mit Sicherheit nicht den gleichen Schneider hat wie der besagte Roadie von oben. Auch an der Kopfbedeckung ließe sich arbeiten. Er verbringt das Konzert sitzend mit der Gitarre vor seiner Band. Bei den rockigeren Liedern legt er sein Instrument ab und beim letzten Stück, einer fulminanten Coverversion von Sisters of Mercy’s „This Corrosion“ agiert Wagner wie der Woodstock-„With a little help from my friend“-Joe Cocker im Sitzen. Für die letzten zwanzig Sekunden des Konzertes erhebt er sich sogar. Mit meiner Einschätzung, dass noch was kommt, lag ich wohl richtig. Der lückenhafte Backkatalog von Lambchop in meiner Plattensammlung bedarf dringend einer Vervollständigung.
Hüftschwingen bei Calexico Calexico als dritte Band im Bunde stehen mir persönlich am wenigsten nahe. Vor Jahren habe ich die Band einmal auf einem Konzert gesehen, was mir etwas zu viel „Fiesta Mexicana-Gefiedel“ war. In diesem Stil startet das Konzert auch, was der Mehrheit im Publikum sehr gefällt, belegt durch fleißiges Bewegen der Hüften. Auch bei Calexico musizieren sieben Spielmänner, die sich häufig an den Instrumenten, natürlich Gitarren, Trompeten, Akkordeon, Tasten, Vibraphon und der selten gespielten aber großartig klingenden Pedal-Steelguitar abwechseln. Im Mittelpunkt steht Joey Burns, der sehr routiniert im Umgang mit großem Publikum ist – „Stadien wir kommen!“. Aber nicht alle Lieder klingen wie mexikanische Sombreroschwinger aus einem Lucky Luke-Comic. Neben Currucucu und Bamboleo gibt es auch Folk- und Countryartiges zu hören, was meinen Geschmacksnerv besser trifft. Das Publikum sieht das wesentlich entspannter und schunkelt sich durch das Tex-Mex-Programm. Um auch noch den Musiknerd in mir raushängen zu lassen, seien die eingestreuten Zitate von Depeche Mode-, Specials-, Bob Dylan- und Who-Songs als gelungene musikalische Gimmicks erwähnt. Was können wir festhalten? Erstens, die Musikalität vieler amerikanischer Gitarrenbands mit Wurzeln in den 80ern bzw. 90ern ist beachtlich. Während die cleveren englischen Indieschrammler aus der New Wave-Tradition vorwiegend mit guten Songideen und passenden Arrangements punkten, sind die guten Amerikaner hervorragende Instrumentalisten mit Bezügen zum Jazz und zum Blues. Zweitens, ich bin doch eher ein Fußwipper oder Kopfnicker, weniger ein Hüftschwinger. Und drittens, „...ich hab mein Herz verloren an amerikanische Musik [...] das ist es was ich lieb, mit all ihrer Dramatik und Pathetik, amerikanische Musik!“ (Die Braut haut ins Auge, 1998) |
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