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26. Februar 2009
 

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Februar 2009, zweiter Teil


  The Whitest Boy Alive: Rules
The Whitest Boy Alive: Rules
Bubbles Records / Groove Attack
» whitestboyalive.com
» myspace

The Whitest Boy Alive live: Leipzig, 3.4.09; Jena, 4.4.; München, 5.4.; Schorndorf, 6.4.; Zürich, 7.4.; Düsseldorf, 9.4.; Rotterdam, 10.4.; Frankfurt, 12.4.


The Whitest Boy Alive: Rules

„Rules“/Regeln: das klingt erstmal verdächtig nach Ein- und Beschränkungen. Das zweite Album von The Whitest Boy Alive, der Berlin-Connection um den norwegischen Musiker und Sänger Erlend Øye hört sich allerdings zu keiner Sekunde so an, als wären strenge Regeln angewandt worden – und doch hatte die Band beschlossen: die Musik für „Rules“ muß live und in einem Take aufgenommen werden. Keine nachträglich eingebauten Effekte, keine Overdubs. Für dieses Unterfangen zog sich die Band nach Mexiko zurück, baute sich dort am Strand kurzerhand ein eigenes Studio und ging schwimmen.... nein, keineswegs: in nerdiger Frickelarbeit entstanden 300 verschiedene Versionen der elf Songs. Øye und seine Kollegen (Marcin Oz/Bass, Sebastian Maschat/Drums, Daniel Nentwig/Rhodes und Crumar-Synthies) haben in Mexiko zu einem durchgehenden, sanften, aber ungemein swingenden Disco-Flow gefunden, der auf die kommenden Konzerte neugierig macht. Mit leichter Hand wird glitzernder Euro-Disco mit House-Anklängen gemixt, „Gravity“ ist rundum fluffiger, warmer Disco-Funk mit dickem Daumen und sexy Hüftschwung; „How long can a cool cat keep its calm?“ fragt Øye mit zarter Stimme – nicht lange, möchte man ergänzen. Der Schlußtrack „Island“ federt dynamisch und kann wegen der glockenklar gezupften Gitarre als dezente Jonathan Richman-Hommage gesehen werden. Die kalkweißesten Jungs aller Zeiten haben mit „Rules“ eine der schönsten Platten des Frühjahrs im Gepäck, elegant wie Steely Dan und unprätentiös wie – tja, The Whitest Boy Alive eben. Das Artwork zu „Rules“ stammt von Geoff McFetridge, seines Zeichens Art Director von Grand Royal, dem von den Beastie Boys herausgegebenen Magazins.

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  Phillip Boa & The Voodooclub: Diamonds Fall
Phillip Boa & The Voodooclub:
Diamonds Fall
Constrictor/Rough Trade
» phillipboa.de

Phillip Boa & The Voodooclub live: 26/02/09 - Saarbrücken; 27/02/09 - Lingen; 28/02/09 - Erfurt; 01/03/09 - Berlin; 03/03/09 - Heidelberg; 04/03/09 - Köln; 05/03/09 - Bremen; 06/03/09 - Hamburg; 07/03/09 - Herford; 08/03/09 - Stuttgart; 10/03/09 - Bochum; 12/03/09 - Rostock; 13/03/09 - Dresden; 15/03/09 - München


Phillip Boa & The Voodooclub: Diamonds Fall

Jemand, der nachhaltig von seiner Vergangenheit zehrt, ist Phillip Boa mit seinem Voodooclub: ganze 25 Jahre ist es her, als Ernst Ulrich Figgen alias PB mit dem Minialbum „Most Boring World“ debütierte und sofort eine treue Fangemeinde um sich scharte. Die Achtziger waren Boas Jahrzehnt, die Alben „Philister“, „Aristocracie“, „Copperfield“ und „Hair“ gehören zum Besten, was je an „Indiepop“ aus Deutschland kam. Doch seien wir ehrlich: so gut und zwingend wie damals wurde Boa nie mehr. Die klassische Boa-Mixtur aus Phillips Grantelvocals, Pia Lunds Engelsstimmchen und dem dynamischen Wave-Pop des Clubs zeigt auch noch heute ihre Wirkung, doch Hits wie „Container Love“ sind passé. Die neue Platte „Diamonds Fall“, mit Jaki Liebezeit (Can) an den Drums und wie das Vorgängeralbum „Faking to Blend In“ von Tobias Siebert (Klez.e) produziert, legt viel Gewicht auf Songwriting, Melodie und Arrangements. Weniger wichtig ist der typische Boa-“Kracher“, der nur noch in kleinen Dosen eingesetzt wird („DJ Baron“). Ist „Diamonds Fall“ also ein ruhiges Alterswerk? Ja und nein: der Titeltrack, „Valerian“ und „Black Light“ sind für Boas Verhältnisse minimalistische Balladen auf Pianobasis, seine Stimme klingt fragil und ... alt, aber das ist irgendwie auch cool: jemand, der mal nicht den jugendlichen Dynamiker raushängen läßt. Das hymnische „Jane Wyman“ huldigt der 2007 verstorbenen Hollywood-Diva, die vor allem durch ihre Rolle in „Falcon Crest“ berühmt wurde. „Fiat Topolino“, kokett und naiv, könnte auch von den Woog Riots stammen, „Coppergirl“ zitiert ein B-52's-Riff, beim eingängigen Schunkler „Lord have Mercy with the 1-Eyed“ können schnell alle mitsingen und in „The World has been Unfaithful“ klagt Boa: „I feel betrayed from all sides“, so deutlich wird sonst nur Morrissey in seinem Lamento – oder eben Phillip Boa.

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  Angelika Express: Goldener Trash
Angelika Express:
Goldener Trash

Peng / Cargo
» angelika-express.de


Angelika Express: Goldener Trash

Wegen der Alphabetisierung meines Ipod-ähnlichen Geräts dudelt mir „Copyright Killer“ als erstes um die Ohren. Nein, dudeln ist das falsche Wort: eher knarzen und krachen. Und zudem zu einem aktuellen Thema, Musikdownloads und die Kernaussage „Lass mich frei, EMI“. Dazu muss man wissen, dass dieses Album durch die Angelika Aktie finanziert wurde, die von Fans und Freunden käuflich erworben werden konnte. So hatte der Fan direkten Einfluss auf das Album, keine Plattenfirma hatte ihre Finger im Spiel, die Finanzkrise der hiesigen Musikszene wurde auch umschippert und niemand musste sich dafür verbiegen. Am wenigsten Angelika Express selber. Sie machen aus ihrer Musik noch immer einen rockig-krachenden Realitätsfilm mit lustigen Anekdötchen, aber auch politischen Aussagen. Das alles erinnert an studentenduselige Tage, wenn man seine Mixtapes mit „Teenage Fanclub Girl“ bespielte oder die ach-so-pseudo-hippen Neuberliner mit „Geh doch nach Berlin“ beschallte. Sie halten scheinbar nichts von Hipness, sie sind authentisch und „Goldener Trash“ klingt nicht einfallslos, sondern nach Spaß. Zu „Dich gibt’s nicht“ trauert man seinem Mädchen hinterher, bei „Du trinkst zuviel“ bestellt man sich noch ein Bier in der Stammkneipe und beim beatigen „Messy Girl“ schüttelt man Arme, Beine und Haare beim Konzert der Kölner. „Miese Popmusik wird sterben“, Angelika Express werden die Erben der Erben. Eine runde Sache. (Maria Sonnek)

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  Black Rust: Medicine & Metaphors
Black Rust:
Medicine & Metaphors

Strange Ways/ Indigo
» black-rust.de
» myspace

Black Rust live: 11. März: Muck, Herzebrock-Clarholz, 12. März: Druckluft, Oberhausen, 14. März: Gasthaus Sutter, Zweibrücken, 15. März: Sputnikhalle, Münster, 16. März: Gekko, Dülmen, 17. März: Fire ,Hannover, 18. März: Fundbureau, Hamburg, 19. März: Wild at Heart, Berlin, 21. März: Museumskeller, Erfurt, 22. März: Café Live, Alfeld, 17. April: Franzis, Wetzlar, 23. April: Blue Shell, Köln (mit Madison Violet), 24. April: JZ Karo, Wesel (mit Madison Violet), 2. Mai: Reithaus, Weimar (mit Elliott Murphy), 15. Mai: Bahnhof Langendreer, Bochum (mit Bishop Allen), 29. Mai: Orange Blossom Special 13 Festival, Beverungen


Black Rust: Medicine & Metaphors

„Seit Phillip Boa ist aus Dortmund nichts mehr gekommen.“ Erklärte dem Autor dieser Zeilen im Jahr 2008 ein Musikliebhaber. Wenn der Gesprächspartner „Medicine & Metaphors“ hört, kann er vielleicht auch mal eine neue Platte auflegen. Jonas Künne (Gesang, Gitarre), Julian Osthues (Gitarre, Mandoline und Mundharmonika), Julian Jacobi (Kontrabass), Christoph Seiler (Piano, Hammond Orgel, Akkordeon) und Adrian Hemley (Drums) haben ein zeitlos schönes Album veröffentlicht, für das sie als Liebhaber des Country, Folk und Rock der 1960-er und '70-er Jahre einen kompromisslosen Weg gegangen sind. Gegen den Strom, ohne elektronisch verstärkte Instrumente. Und „with a little help from their friends...” „Everything`s fading” eröffnet die Song-Sammlung. Die Single mit dem traurigen, eingängigen Refrain „Every song I used to know reminds me of you“ ist ohne Zweifel gleich zu Beginn der Höhepunkt von „Medicine & Metaphors“. Entspannt beschwingt getragen von Akustikgitarren und Jacobis lässig gezupftem Stehbass zeigt der Opener wie das folgende „Heartache. Now!“, wofür Black Rust mit Sänger und Texter Jonas Künne stehen: Durchaus melancholische Songs, die musikalisch wie textlich aber ohne Selbstmitleid daherkommen. „And all that`s left is heartache now“ verarbeitet Künne seine Erinnerungen, „...but I admit, loving it” fügt er aber auf einer von Piano und Kontrabass bestimmten, irgendwie ziemlich fröhlichen Uptempo-Nummer hinzu. Mit klassisch instrumentierten Balladen wie „Overdose“ und „Silent Lament“ zeigen Black Rust auf „Medicine & Metaphors“ auch, dass sie wie ihre großen Vorbilder gern einen Gang runterschalten. Zu den Highlights gehört auch „Actually Yours“, in dem Künne beschreibt, wie schwer es ihm fällt, ein Liebeslied zu schreiben: „It`s so hard to find the right words/ to write you a love song/ I`d like to use some cigarette paper/ Just to be sure you inhale my love.” Andere Musiker waren früh vom Potential des Quintetts überzeugt: Thees Uhlmann lud Black Rust ein, Tomte als Support bei einigen Konzerten zu begleiten. Robin Proper-Sheppard (Sophia) produzierte „Metaphors & Medicine” und sorgte gemeinsam mit seinem Freund Kenny Jones für einen glasklaren, wunderbaren Sound. Ein schönes Geschenk für Black Rust, dass Jones, der bereits für Alben von den Smiths, Billy Bragg und Oasis an den Reglern gesessen hatte, diesen Job auch für das junge Quartett übernahm. Zu den großen Vorbildern Black Rusts gehört auch Neil Young. Wer auf der anstehenden Tour ein Konzert besucht, wird das nicht nur an den eigenen Songs dieser erstklassigen Live-Band merken: Songs wie „I`m the ocean“ und „Rockin` in the free world“ gehören zum Set. (Thomas Backs)

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  Antennas: Feeling Feline Tonight
Antennas:
Feeling Feline Tonight

Novoton/ Soulfood
» antennas.se
» myspace

Antennas live: 18. März: Prinzenbar, Hamburg, 19. März: Magnet, Berlin, 20. März: MTC, Köln, 21. März: Paradiso, Amsterdam, 23. März: Atomic Café, München, 25. März: PPC, Graz, 26. März: b72, Wien, 27. März: Stadtwerkstatt, Linz, 28. März: Bertholdsaal, Weyer, 30. März: PMK, Innsbruck, 2. April: ISC, Bern, 3. April: Berghammer, Sigharting, 4. April: Rockhouse, Salzburg


Antennas: Feeling Feline Tonight

Aus Skandinavien erreichen uns immer wieder Indiepop-Juwelen in Albumform. So wie „Feeling Feline Tonight”, das zweite Album der schwedischen Antennas. Johnny Persson (Gitarre), Christian Björkman (Vocals) und Henric Westerholm (Drums) liefern eine facettenreiche Sammlung feinster Popmusik. Dem rockigen Opener „The Collector“ folgen die elektronischen Tanzrhythmen der groovenden Single-Auskopplung „Lies“ . Was es unter katzenartigen (also: „feline“) Gefühlen versteht, zeigt das Trio mit der treibenden Rocknummer „Youngbloods“. Zu den Höhepunkten dieses abwechslungsreichen, von Melodien und dem eindringlichen Gesangsstil Björkmans getragenen Album gehört auch der Balkan-Boogie „Sinners Repent“. Die Antennas sind auf „Feeling Feline Tonight“ durchweg retro. Retro im positiven Sinne, wie etwa die Schotten Franz Ferdinand, die ihren persönlichen Stil ebenfalls auf dem Fundament ihrer Vorbilder aus der Postpunk- und Art School-Zeit entwickelt haben. Entscheidenden Anteil an der Weiterentwicklung der Antennas, deren Debüt „Sins“ 2006“ erschien, hat Produzent Magnus „Existensminimum“ Henriksson (Drummer bei Moneybrother), der zu den Aufnahmen Keyboard- und Bassklänge beisteuerte. Ach ja: Die Antennas nennen übrigens nicht Franz Ferdinand oder Arcade Fire als Vorbilder, sondern das Handbuch „The Manual“ von KLF. Die offizielle Begründung: „If it`s good enough for Scooter, it`s good enough for Antennas”. Tja, der Untertitel des KLF-Buchs von 1988 lautet „How to have a Number One the other Easy Way“. Wir sind also gespannt auf den Tag, an dem die Antennas die Tanztempel der Vorstädte ins Rotieren bringen. (Thomas Backs)


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