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3. Juni 2008
Marcel Tilger
für satt.org

Klimt 1918: Just In Case We'll Never Meet Again

Klimt 1918:
Just In Case We'll
Never Meet Again

(Prophecy/Soulfood)

Die Umarmung ist fest. Sie spendet Trost, schenkt Kraft, sagt Lebewohl oder bezeugt Nähe – physisch und psychisch. Der in feinen Lettern darüber hängende Titel wirkt, als wolle er sich zum geöffneten Fenster hinaus stehlen: „Just In Case We'll Never Meet Again“. Hätte man eine schönere Klammer um dieses Motiv setzen können? Was Klimt 1918 auf dem Cover ihres dritten Albums visuell eingefangen haben, bleiben sie musikalisch zu keiner Zeit schuldig. Schon „Dopoguerra“ (2005) hatte auf dem schmalen Grat zwischen Zuversicht und Traurigkeit gespielt und so Musik entstehen lassen, die unerhört eingängig und schwerelos, gleichzeitig aber elegisch und bedrückend klingt. Atmosphärisch sind sie mit „Just In Case We'll Never Meet Again“ bei dieser Mixtur geblieben. Ihrem damaligen Sujet scheinen sie noch immer nachzuhängen: Wie, fragten sie damals ohne alle intellektuell verkopfte Distanz, können Menschen nach schweren Schicksalsschlägen genesen, wie neue Hoffnung fassen und trotzdem das, was da hereinbrach, nicht vergessen?

Für die Kunst ist das kein neues Thema. Bearbeiten, meinen Klimt 1918, könne es nur, wer als Künstler im Volk verankert ist und alles, was dort passiert und bewegt, in Kunst destilliert. „Wir sind“, hat Schlagzeuger Paolo Soellner einmal gesagt, um den Geist seiner Band zu definieren, „Kinder Roms. Jedes unserer Stücke hat in dieser Stadt seinen Ursprung.“ Wer da an Straßencafés und Mode denkt, ist natürlich auf der falschen Fährte. Gehen die Musiker durch die Straßen ihrer Stadt, berauschen sie sich sicher an der großen Schönheit, nehmen aber auch die Spuren der Geschichte wahr, bleiben hängen an den Wunden, die Rom geschlagen worden sind.

Klimt 1918 waren also schon immer die Meister der Gleichzeitigkeit, die von The Cure oder Depeche Mode lernten, dass Melancholie und Freude einander auch dann nicht ausschließen, wenn man sie im Drei-bis-vier-Minuten-Korsett des Pop-Songs einfängt. Zitate sind dabei freilich nicht verboten und man merkt, welche Haken Klimt 1918 in ihrer Popsozialisation geschlagen haben: Sie schauen in den Achtzigern vorbei – und entdecken den eigenwilligen Gitarrensound der frühen U2-Alben und das Flair so mancher Gothic-Legende („Skygazer“). Sie flirten mit der Kraft des Heavy Metal – und lassen, wo es notwendig ist, den Lautstärke-Pegel ordentlich anschwellen („Just an Interlude in Your Life“). Sie scheuen keine Melodien, die sich direkt festsetzen und berühren wollen – und stellen damit (vor allem auch an Tiefgang) manche Pop-Perle in den Schatten („The Breathtaking Days“). Sie wissen um die Geheimnisse und die Tücken elektronischer Klangerzeugung – und benutzen sie gerade deshalb nur dort, wo diese Texturen das Gesamtbild nicht dominieren, sondern unterfüttern.

Das alles fügt sich bei Klimt 1918 mit einer Selbstverständlichkeit zusammen, dass sich die Band mit einiger Berechtigung als postmodernes Orchester bezeichnen könnte, dessen größte Gabe das ausbalancierende Arrangieren ist.



» www.klimt1918.com