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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Mai 2008
Ronald Klein
für satt.org

Audiopain, The Switch to Turn off Mankind

“Support Audiopain, not Audioslave”, forderte Fenriz. Der Drummer des norwegischen Black-Metal-Flagschiffs Darkthrone verpflichtete umgehend den Sänger der von ihm geschätzten Band, und nahm „Command“ für das Album „Plaguewielder“ auf. Das ist schon ein Weilchen her und mittlerweile verbindet beide Combos mehr als nur Sympathie: So wie Darkthrone inzwischen offen 80er-Jahre-Reminessenzen zur Schau tragen, spielt auch Audiopain eine Variante des Trash-Metal, der vor 25 Jahren als enorm populär galt. Gerade Ruhrpott-Größen wie Kreator oder frühe Sodom eignen sich als Referenz. Die sechs Songs (Titel u.a. „Hellbound“, „Holy Toxic“ oder „Cobra Dance“) nehmen keine Gefangenen. Sauber produziert und mit epischen Elementen („Cobra Dance“) aufgepeppt, werden junge Metal-Heads wie auch echte Nostalgiker das Album lieben. Schörkellos, straight. Dazu ein gutes 2008-er Dosenbier und die Welt ist Ordnung. Zumindest eine knappe halbe Stunde lang.


» www.audiopain.com
» www.vendlus.com



Mourning Beloveth, A Disease for the Ages

Gemeinhin gilt Irland als grüne Insel mit etwas schrulligen, aber freundlichen Menschen und sehr weichem Whisky. Zu all diesen Stereotypen positioniert sich die 1992 gegründete Combo Mourning Beloveth als Antipode. Die fünf Musiker spielen opaken Death-Doom, der entfernt an frühe My Dying Bride oder Anathema erinnert. Während jene englischen Bands jedoch ihre Inspiration in der Epoche der Romantik verorteten und sich damit auch als gothic-kompatibel erwiesen, kennzeichnet Mourning Beloveth nichts als die pure Verzweiflung. Die (natürlich) schwarze CD enthält fünf Tracks, der kürzeste knapp neun Minuten lang. Die musikalische Reise beginnt mit dem programmatischen Titel „The Sickness“, bei dem sich zumindest am Anfang Growls und Klargesang abwechseln. Tiefer gestimmte Gitarren reiben sich langsam in die Gehörgänge, konstant wie ein Nieselregen an der irischen Küste, auf den aber ein rauer Wind, nahe an der Grenze zum Sturm folgt. Immanuel Kant sprach in der „Kritik der Urteilskraft“ von den ästhetischen Kategorien des Schönen und Erhabenen. Letztere teilte er in das mathematisch und dynamisch Erhabene, zu dem er die bewegte See zählte, die das menschliche Vermögen des Verstandes übertreffe. Analog verhält es sich mit „A Disease for the Ages“ – trotz des Doom-Charakters nie monoton, sondern dynamisch, aber nie greifbar und vor allem: überwältigend.


» www.mourningbeloveth.com



Island, Orakel

Bereits vor vier Jahren veröffentlichte die Bonner Formation „Island“ die MCD „Orakel“ und die selbstbetitelte EP, welche beide komplett neu abgemischt wurden und sich auf dem vorliegenden Album befinden. Das Cover-Artwork erinnert an Pagan- oder Viking-Metal, mit dem die Band weder musikalisch noch textlich etwas gemein hat. Die ersten sechs Songs begeistern mit Progressive Death Metal, in dem sich schnelle und atmosphärische Parts rasch abwechseln. Einsamkeit, Verfall, Leere gehen als Motiv auch in das letzte Drittel über, das seinerzeit als eigenständige EP erschien. Diese markiert den Wechsel aus dem Death-Metal-Lager in einen Bereich, für den Schubladendenken eine Beleidigung darstellt. Klargesang, jazzige Passagen, nachvollziehbare Melodieführungen in den doch komplexen Kompositionen erschaffen einen eigenen Klangkosmos, der nicht nur für Metaller einen Offenbarung darstellt.


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Skitliv, Amfetamin

Der Norweger Maniac spielt 1987 mit seinen Bandkollegen von Mayhem die MiniLP „Deathcrush“ ein, die als Geburtsstunde des modernen Black Metal gilt. Mitte der 90er Jahre kehrte er nach jahrelanger Abstinenz zu Mayhem zurück und sang „Wolf’s Lair Abyss“ ein, das die alten Scheiben um Längen übertraf. Über die Jahre wurde Maniac jedoch unzufrieden, in der Band allein auf das Schreiben der Texte und das Singen reduziert so sein und stieg 2004 aus, um Skitliv (dt.: Scheiß-Leben) zu gründen. Zusammen mit Gitarrist Kvarforth von den extrem depressiven schwedischen Suicide-Rockern „Shining“ probiert sich Maniac am Sprengen von Grenzen. Irgendwo zwischen Doom, Black Metal und Rock entsteht ein Gebräu, das den Namen Skitliv absolut verdient. Pure Negativität, absolut harmoniefrei, aber hoch energetisch. Ein Sample David Tibets taucht als Referenz auf, denn Current 93 hält Maniac für den derzeit wichtigsten Einfluss. Deren Konzept des religiösen Eklektizismus hielt auch bei Skitliv Einzug. So trägt Maniac mittlerweile sein ehemals umgedrehtes Kreuz wieder anders herum und betont die Extreme, die dann doch wiederum verwandt seien. Neben dem neuen Song „Amfetamin“ enthält die Scheibe den Remix des vom Demos bekannten „Slow Pain Coming“, sowie Live-Aufnahmen weiterer Demo-Aufnahmen. Ohnehin entfaltet sich die Magie der Band erst auf der Bühne, als Zusammenspiel von Konzert und verstörender Performance.


» myspace.com/skitliv777



Havoc Unit: h.IV+ (Hoarse Industrial Viremia)

Zehn Jahre lang existierte die finnische Formation „...And Oceans“, die elegischen Black Metal produzierte, der mit seinem zuweilen klebrigen Keyboardgedudel fix in den Gehörgängen hängen blieb. 2005 war urplötzlich Schluss damit. Ein Großteil der Band macht seitdem unter dem Namen „Havoc Unit“ weiter. Wie in Robert Louis Stevensons Erzählung „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ klingt die Band wie der bedrohliche Schatten einer einst respektablen Persönlichkeit: Die Leierkasten-Keyboards wurden im Wahn zerstört und durch Sequenzer und Sampler ersetzt. Unbehagliche Rhythmen, extrem tief gestimmte Gitarren, verstörende Sprachfetzen: Havoc Units Sound klingt postapokalyptisch. Auf der CD steht die Warnung: „And for the Parental Advisory, ist explicit content may raise animosity. Listen-Consume-Delete!” – Dies erinnert arg an die Erstausgabe von Aleister Crowleys “Liber Legis“, das laut seinem Verfasser derart tabubrechend und gefährlich sein sollte, dass der Besitzer es nach dem Lesen direkt vernichten müsse. Auch „Havoc Unit“ intendieren, an den (vermeintlich) letzten Tabus zu kratzen. Seien diese sexuell oder religiös konnotiert. Somit geht es musikalisch und textlich (wie angekündigt) sehr lautdröhnisch zu Werke. Das klingt weniger nach klassischem Industrial, als viel mehr nach dem Soundtrack zu Mathias Feldbakkens nihilistischem Skandalroman „Macht & Rebel“.


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