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Januar 2008
Christina Mohr
für satt.org

Elektroboys:
Millionen denken so wie ich

Elektroboys

Wem es nach all der weihnachtlichen Harmonie und (Schein)Heiligkeit danach gelüstet, endlich mal wieder gepflegt die Sau rauszulassen, dem sei die bereits im Oktober 2007 erschienene CD der Hamburger Punkband Elektroboys empfohlen. Die Elektroboys nennen ihr Album ganz bescheiden „Millionen denken so wie ich“ und haben damit wahrscheinlich mehr als recht. In ihren besten Momenten (und davon gibt es viele) klingen die beiden Dülfer-Brüder Leo und Ralf und Paulo de Janeiro mindestens so freundlich-einschüchternd wie Jens Rachuts Kommando Sonne-nmilch, tonnenschwere Gitarrenbretter fegen das letzte Lametta von den Tannenbäumen und gleich der erste Song der CD beinhaltet eine ganze Latte realistischer Neujahrsvorsätze:

Ich mach alles kaputt
Sag nein! Zu Höflichkeit und Entschuldigung (sag nein) Zu Ehrlichkeit und Gerechtigkeit
Geh los! Fahr mit dem Auto ohne Führerschein und hau irgendwo die Schaufenster ein
Ich mach alles kaputt, denn alle Menschen sind verrückt
Ich spreng alles in die Luft, denn alle Menschen sind verrückt
Sag nicht guten Abend und guten Tag, sag nein!

Auch die Textzeile „Alles was ich brauche, ist mein Gaspedal und Platz“ (Song Nummer sechs) rüttelt am lange verschüttet geglaubten anarchischen Potenzial unter der eigenen Hirnrinde und man ist den Elektroboys sehr dankbar für diese knappe Stunde voller Punkrock-Energie. Also: satt.org empfiehlt „Millionen denken so wie ich“ allen Leuten mit kleinen Kindern, Bausparverträgen, Festanstellungen, prekären Lebensverhältnissen, Glatzen, Koteletten, Bierbäuchen und Krampfadern. Alles wird gut in 2008! Aber unbedingt dran denken: „Sag nicht guten Abend und guten Tag. Sag nein!“


CM: Woher kommt die Schwalmstadt-Connection? (Die E-Boys sind zwar eine Hamburger Band, ihre Postfachadresse befindet sich aber in Schwalmstadt/Nordhessen. Anm. cm) Das interessiert mich sehr, weil ich im Vogelsbergkreis zur Schule gegangen bin, einige Mitschüler kamen aus Schwalmstadt. Die haben wir immer nach dem Knast dort gefragt, weil da RAF-Mitglieder einsassen. Also: was bringt Hamburger nach Schwalmstadt?

Elektroboys: Wir finden, dass sich der Knast in Schwalmstadt ausgezeichnet in das Stadtbild integriert. In Hamburg wirkt das örtliche Gefängnis etwas deplaziert.

CM: Wenn Ihr wirklich Hamburger seid: :) Seid Ihr mit anderen HH-Bands befreundet, gibt es eine "Szene", zu der Ihr gehört?

Elektroboys: Wir haben im letzten Jahr in einem Szene-Biergarten in St. Pauli unser schönes Stück "Ich wollt schon immer aus Hamburg wegziehen. Mach ich aber nicht." geschrieben.

CM: Erinnert Ihr Euch an die eine Platte, wegen der Ihr unbedingt selber Musik machen wolltet?

Elektroboys: Die erste Platte, die wir uns gekauft haben, trägt den Namen "From Enslavement to Obliteration" von der Musikgruppe Napalm Death. Wir haben daraufhin sofort mit dem Musizieren begonnen.

CM: Warum Punkrock?

Elektroboys: Wir machen die Musik, die uns gefällt.



CM: Ich habe über Euch gelesen, "Texte über Liebe oder Beziehung gibt es nicht". Warum?

Elektroboys: Wir singen viel lieber über Hasen, Wasserwerfer und Sozialverweigerung. Über Liebe und Beziehung singen ja schon sehr viele andere Leute.

Ärgern oder freuen Euch Vergleiche mit den Ärzten oder den Beatsteaks?

Elektroboys: Wir freuen uns über Vergleiche mit den Ärzten oder den Beatsteaks.

CM: Was macht Ihr neben der Musik - manche Musiker wollen darauf nicht antworten... und Ihr?

Elektroboys: Wir wollen natürlich sehr gerne auf diese Frage antworten. Du solltest wissen, liebe Christina, die Elektroboys sind eine Band. Wir beschäftigen uns neben der Arbeit an der Musik mit den verschiedensten interessanten Dingen. Beispielsweise bügeln wir unsere Hemden und Krawatten, die wir vorher natürlich selber gewaschen haben. Wir schreiben schöne Kurzgeschichten für unsere Website. Wir geben Interviews persönlich, am Telefon und in Schriftform. Zum Anfang des nächsten Jahres planen wir gerade eine schöne Reise. Wir fahren nämlich auch gemeinsam in den Urlaub.

CM: Euer schönstes und Euer schlimmstes Live-/Tourerlebnis?

Elektroboys: Unser schönstes Tourerlebnis: Wir haben einmal nach einem Auftritt auf einem Schulhof etwa 700 Bäuche mit unseren Unterschriften versehen.
Unser schlimmstes Tourerlebnis: Bei einem Soundcheck kam mal einer rein und meinte, es wäre viel zu laut. Da würde ja gleich die Polizei kommen. Wir haben dann freundlich wieder abgebaut und sind nach Hause gefahren.

CM: Wie seid Ihr auf den Namen gekommen? Ich finde es lustig, dass man wegen des Namens Disco/Elektro erwartet und dann kracht einem "Ich mach alles kaputt" um die Ohren... sehr schön.

Elektroboys: Unser Name "Elektroboys" mag zwar den einen oder anderen in die Irre führen. Wir finden aber dennoch, dass er gut zu uns passt, denn schließlich spielen wir ja auch mit elektrischen Instrumenten. Wir freuen uns sehr, dass dir unser schönes Stück "Ich mach alles kaputt" gefällt.

CM: Was wünscht Ihr Euch für 2008?

Elektroboys: Wir wünschen uns gute Laune, volle Häuser und gutes Essen.

Mit sehr freundlichen Grüßen
Leo Dülfer | Paulo de Janeiro | Ralf Dülfer


» www.elektroboys.com
» myspace.com/elektroboys
» youtube.com/elektroboys