Rhythm King and Her Friends ist die explizit queere Elektro-Pop-Band von Linda Wölfel und Pauline Boudry aus Berlin. Seit ihrem Album „I Am Disco“ (2004 bei Kitty-Yo erschienen) und vielen Auftritten, unter anderm als Support von Bands wie Neulander sind sie auch einem breiteren, nicht ausschließlich queeren Publikum bekannt. Jetzt ist „The Front of Luxury“ erschienen, auf dem sie linke Politik und Genderdiskurse innerhalb eingängiger, tanzbarer Elektropopsongs thematisieren. RKAHFs musikalische Einflüsse reichen von Kleenex über Stereolab, Le Tigre bis hin zu Jazz und Chanson. Sie singen auf Französisch, Englisch und Bulgarisch und feiern die Diversität – in allen Bereichen. Hier kommt ein ausführliches Interview mit Linda und Pauline:
CM: Habt Ihr das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren in Sachen queerer Musik einiges geändert hat? In diesem Jahr waren Lesbians on Ecstasy und Kids on TV ziemlich erfolgreich - und die Platte von The Gossip wurde gerade wieder veröffentlicht …
RKAHF: Ja, erfreulicherweise sind seit einiger Zeit viel mehr queere Bands und Musiker/innen sichtbar, das war ganz klar noch anders, als wir angefangen haben mit RKAHF. Damals haben wir uns bewusst gegründet mit dem Ziel, den gängigen Bandgefügen etwas zu entgegnen, da für uns als Musikerinnen so wenige andere Frauen und so gut wie keine queers sichtbar waren, die elektronische Musik machten – da wollten wir mal einen Anfang machen.
CM: Ist es gerade "schick", queerness nach aussen zu tragen, oder hat sich tatsächlich etwas getan? (Popkulturell, gesellschaftlich) Kürzlich hörte ich eine Frau im Museum zu einer anderen sagen: "Es gibt auch ganz schön viele Lesben zur Zeit" - ich glaube, sie meinte das irgendwie positiv, also in dem Sinne, dass es heutzutage "normal" ist, lesbisch, schwul oder queer zu sein und das auch zu zeigen. Es klang aber doch noch reichlich verklemmt …
RKAHF: Wenn Queers schick sind oder so gesehen werden, ist es gut. Wenn viele Lesben zu sehen sind, ist es noch besser! Ich glaube, in der Musikszene hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Viele (egal welche sexuelle Präferenz sie gerade haben) kapieren, dass es eigentlich nicht so cool ist, hetero zu sein, oder eine heterosexuelle Performance zu machen.
CM: Was bedeutet Euch die Wahrnehmung über queere Szenen hinaus?
RKAHF: Wir bewegen uns seit Beginn in nicht nur einer Szene, sondern werden total unterschiedlich rezipiert, was wir natürlich auch so wollen. Alles andere würde wahrscheinlich schnell sehr langweilig werden … wir sind ziemlich froh, dass wir mit unserer Musik und Performance unterschiedlichstes Publikum anziehen und so die Möglichkeit haben, auch viel im Ausland und in diversen Kontexten zu spielen.
CM: Wieso habt Ihr den Titel "The Front of Luxury" für Euer neues Album gewählt? Wo ist der Link zwischen Euch und der italienischen Arbeiterbewegung?
RKAHF: „We are the front of luxury“ stand auf einem Transparent bei einer Demo in Milan 1977. Mit „wir sind die Front des Luxus“ ging es um eine Umbenennung des Begriffs Luxus. Das scheint uns eine sehr aktuelle Frage. Wir finden es auch nicht attraktiv, Luxus nur als Ware zu sehen. Luxus ist für uns woanders, zum Beispiel, wenn man es schafft, andere Pläne zu machen, andere Formen von Zusammenleben und -arbeiten zu erfinden. Desire is working like a factory!
CM: Was hat sich seit "I am Disco" verändert - wie seht Ihr Eure musikalische/inhaltliche Entwicklung?
RKAHF: Wir sind musikalisch und auch inhaltlich vielschichtiger geworden, haben für das neue Album wesentlich mehr Instrumente, Klänge und vocals eingesetzt. Die Arbeitsweise war anders, die Songs sind über einen längeren Zeitraum entstanden, wurden immer wieder komplett verändert oder instrumentiert. Da sich unsere Stimmen stärker überlagern und oft im Dialog stehen, gibt es auch unterschiedlichere Inhalte und mehr Gesang und Text. Seit einem halben Jahr proben wir außerdem mit der Schlagzeugerin Inka Dewitz und schreiben zusammen schon Songs für ein drittes Album.
CM: Ihr singt in verschiedenen Sprachen - ist das ein Statement gegen das englischsprachige Pop-"Monopol" oder hängt der Gebrauch der jeweiligen Sprache vom Song ab (Melodie, Beat, was besser dazu klingt)?
RKAHF: Wir singen gerne in English (mit Akzent), aber auch in anderen Sprachen (auch mit Akzent). Akzente erzählen eigene Geschichten, bringen kleine Veränderungen in die Sprache, machen sie unselbstverständlich und persönlich. Diese „Fehler“ finden wir gerade interessant. Dasselbe könnte man von den verschiedenen Instrumenten sagen, die wir in der Band benutzen. Wir spielen sie auch mit verschiedenen Akzenten.
CM: Man kann in Eurer Musik Bezüge zu Stereolab, zu Luscious Jackson, zu Kleenex ausmachen - müßte ich einen Begriff für Eure Musik erfinden, wäre das sowas wie "elektronische Dance-Chansons" - könntet Ihr damit leben?
RKAHF: Begrifflichkeiten sind oft etwas schwierig, eben weil sie einzuordnen versuchen und auf etwas festschreiben, das man vielleicht nicht sein möchte oder im nächsten Moment schon gar nicht mehr ist. Gerade bei unserem neuen Album hört man, wie ich finde, viele verschiedene Einflüsse und auch, dass die Songs unterschiedliche Entwicklungsphasen durchlaufen haben. Es ist natürlich schön zu sehen, dass Leute, die unsere Musik hören, die unterschiedlichsten Assoziationen haben. So soll es sein.
CM: Welche Bands/KünstlerInnen beeinflussen Euch?
RKAHF: Es gibt natürlich unzählige Bands und Musiker/innen, die uns seit Jahren begleiten,
das sind ganz unterschiedliche Sachen, die klanglich manchmal so gar nichts mit der Musik, die wir mit RKAHF machen, zu tun haben. Mir ist außerdem neulich aufgefallen, dass ich seit langem ganz ganz wenig Musik höre und so gut wie gar nichts neues. Sehr oft entwickeln sich eher aus Büchern, die ich lese, oder Situationen, in denen ich mich bewege, Ideen für ein neues Lied, als dass ich durch Musik inspiriert wäre.
CM: Gerade im Elektrobereich gibt es sehr viel spannende Musik von Frauen - erleichtert elektronische Musik Frauen den Zugang (in dem Sinne, keine machomäßigen Rockposen verwenden zu müssen beim Schlagzeug- oder Gitarrespielen)?
RKAHF: Elektronische Musik erlaubt es, sich mehr auf die Performance zu konzentrieren, da Teile vorprogrammiert werden können, man kann deswegen mehr Gewicht auf Kostüme, Videos, Tanzen, Singen legen. Für viele Frauen in den letzen Jahren war es meiner Meinung nach tatsächlich wichtig, eine andere Form von Auftreten zu erfinden. Dazu gehören wir teils. Wir machen elektronische Musik, haben Visuals, spielen aber dazu viele Instrumente live, (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards), das ist ein wichtiger Aspekt unserer Performance. Lärmteppiche machen wir aber auch gerne und wir mögen es, wenn es zwischendurch so richtig rockt.
CM: In einem älteren Interview sagt Ihr, dass der "Rhythm King" von der rosa Jacke des einen Blondie-Musikers auf deren erster LP stammt - sind Blondie Euch heute (noch) wichtig? Wenn Ihr wählen müßtet - wer ist cooler: Debbie Harry oder Madonna?
RKAHF: Debbie Harry ist definitiv cooler als Madonna, die - glaube ich - keine von uns
ernsthaft beschäftigt hat. Ansonsten hatten Blondie insbesondere dadurch eine wichtige
Funktion für uns, weil wir uns die Jacke vom Plattencover geklaut haben – sie stand uns einfach besser ;-)
CM: Welcher Track auf dem neuen Album ist Euch am wichtigsten? (Ich mag "Talking about Words" am liebsten)
RKAHF: Dieses Lied ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich unsere Musik verändert hat und vielschichtiger, narrativer geworden ist. Inhaltlich geht es darum, wie zwei Leute reden und reden und es ihnen in diesem Schwall von Worten doch nicht gelingt, einander mitzuteilen, was sie eigentlich fühlen und brauchen.
Ich mag an unserem neuen Album besonders gern die experimentellen Fragmente, Klänge, Instrumente und Ideen, die wir zum Beispiel. für „queer diskotek”, „talkin’ about words” und das Instrumentalstück „la fièvre” benutzt haben.
Tourdaten: RHYTHM KING & HER FRIENDS Fr 05.10.2007 Paris - Fleche d`Or Mi 10.10.2007 Lyon - Grrrnd Zero @ Rail Theatre Do 11.10.2007 Paris - Batofar Sa 13.10.2007 Nantes - Female & Queer New Rock Festival Do 08.11.2007 Offenbach - Hafen 2 Fr 09.11.2007 Dresden - AZ Conni Sa 10.11.2007 Oldenburg - Alhambra Fr 16.11.2007 Stockholm - Combustion @ Kägelbanan Do 22.11.2007 Köln - Kulturbunker Fr 23.11.2007 Düsseldorf - Linkes Zentrum Sa 24.11.2007 Remscheid - Kraftstation
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CM: Überhaupt geht es in euren Lyrics oft um Kommunikation – wie wichtig ist der Austausch mit dem Publikum? Wie gehen die Leute auf Euch zu?
RKAHF: Sehr wichtig, insbesondere in Livesituationen. Wenn, was nur selten vorkommt, so gar keine Kommunikation mit dem Publikum zustande kommt, fühlt man sich auf einer Bühne seltsam ausgestellt. Es sei denn, die Kommunkation auf der Bühne zwischen uns dreien (wir spielen seit einem halben Jahr mit der Drummerin Inka Dewitz auch live zusammen) ist so stimmig und intensiv, dass das „draußen” gänzlich verschwindet.
CM: Wie wichtig ist Berlin für Euch? Könntet Ihr Euch auch vorstellen, woanders zu leben, zu arbeiten, auszugehen?
RKAHF: Berlin mögen wir sehr gerne. Wir könnten aber auch in ganz vielen anderen Städten viel Zeit verbringen, wie Buenos Aires, Sofia, Paris, New York …
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