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September 2007
Christina Mohr
für satt.org

3 Normal Beatles:
We Name It Justice
(Buback Tonträger 2007)

3 Normal Beatles: We Name It Justice (buback)

3 Normal Beatles ist die Beat'n'Roll-Band von Klaus Ramcke (Les Robespierres), Thorsten Seif (Buback) und Ted Gaier (Goldene Zitronen) – Hamburger Urgesteine mit beeindruckenden musikalischen Biografien. 3 Normal Beatles spielen ausschließlich Coverversionen, meist von Sixtiesbands, tritt auf der Straße und bei Partys auf und entzieht sich jeglichem popistischen Kontext. Rock'n'Roll ist bei 3 Normal Beatles niemals nostalgische Oldieshow, sondern Mittel zur Agitation, wenn sich das Publikum zum Aufstand aufrütteln läßt, umso besser. Bei Buback erschien kürzlich das Doppel-Vinyl-Album „We Name It Justice“, Anlaß genug, um Ted Gaier zum Interview zu bitten:

CM: Was bedeutet der Bandname? Was wäre denn ein nicht-normaler Beatle? Und warum seid Ihr nur drei?

TG: Mh, da dieser Name 15 Jahre alt ist, erinnere ich mich kaum, wie er zustande kam. Ich glaube, er meinte die Beatles, die in Hamburg um 1961 – 63 Coverversionen US-amerikanischer, meist afroamerikanischer Rhythm'n' Blues-Musiker spielten. Eine normale Band von vielen. Statt dem mysteriösen fünften Beatle (manche bezeichneten Pete Best, den nordirischen Fussballspieler als jenen, andere erinnern sich an Stuart Sutcliffe, der es vorzog, Kunst zu studieren und an einem Gehirntumor starb) sind wir eben nur drei ganz Normale. Ich glaube, das waren die Überlegungen beim Namen, wenn ich mich richtig erinnere.

CM: Ich habe Euch im letzten Jahr auf dem Frankfurter-Film-Festival im Anschluss an den Monks-Film gesehen – wie wichtig sind die Monks für Euch? Oder andere Bands der Sechziger?

TG: Da wir ja von Anbeginn alte Musik auf alten Instrumenten machten und vor allem nur Ccoverversionen spielen, waren alle möglichen 60s-Bands wichtig für uns. Aber mittlerweile, da wir den ganzen Kram eher wie ein folkloristisches Erbe ansehen und ein schlafwandlerisches Verhältnis zu den Stücken haben, ist uns 60s-Musik eigentlich egal. Man kann ja nicht sein Leben lang den gleichen Kram hören. Was die Monks anbelangt, würde ich sagen, dass sie eher für die Robespierres und die Zitronen eine wichtige Rolle spielten. Mitte, Ende der 90er Jahre als Inspiration für eine unrockistische Nervosität.

3 Normal Beatles

CM: Auf Eurem Album und bei Euren Konzerten spielt Ihr viele Coverversionen der Kinks, etc. - was glaubt Ihr, haben diese Songs/Bands heute noch zu sagen?

TG: Kann ich so nicht beurteilen. Für mich sind die Kinks immer ein wichtiger Bezugspunkt gewesen, ich habe aber den Eindruck, dass sie für aktuelle Rockbands keine grosse Rolle spielen. Die letzten, die sich auf eine bestimmte kinkstypische Methode bezogen (Texte über common people), waren meines Wissens Blur, mit teils zweifelhaftem Resultat.

CM: Ihr spielt auch Ton Steine Scherben, "Ich will nicht werden, was mein Alter ist" - wie wichtig ist Euch die Verknüpfung von Pop (bzw. Rock/Beat) und Politik? Was kann/soll/muss Musik erreichen?

TG: Wiewohl mir die Frage bekannt ist, mag ich sie eigentlich nicht. Musik kann alles und nichts erreichen. Müssen oder sollen muss sie gar nichts. Rein für mich gesprochen kann ich sagen, dass bestimmte Songs und Konzerte mein Leben verändert haben. „Teenage Rampage“ von Sweet etwa, die „Never mind the Bollocks“-Platte von den Sex Pistols oder Konzerte von DAF oder Carla Bley oder Supercollider. Für einen Musiker kann die Frage nicht sein, was soll oder muss meine/ihre Musik erreichen, sondern was habe ich zu sagen, was hat über meinen kleinen individuellen Geschmack oder mein Bedürfnis, schöpferisch zu sein hinaus eine Relevanz für irgendjemand sonst.

CM: Und wie wichtig ist dabei der Style? Buback-Star Jan Delay wird für sein Verständnis Soulhut = Haltung nicht überall geliebt. Was bedeutet Euch der Sixties-Anzug?






* Herr von Eden:
High-brow-Anzugladen in Hamburgs Karoviertel.

TG: Stil hat man oder eben nicht. Nach meiner bescheidenen Meinung reicht es nicht, sich bei Herr von Eden* in der Marktstraße drei dezente Anzüge zu holen und sich dann zum Stylekönig zu erklären. Wenn's recht ist, möchte ich auf Jans reproduzierte patriachale Männerklischees (irgendwas zwischen pimp, Soulgebärdensänger und Entertainer-Machertyp) nicht weiter eingehen. Mir bedeuten Sixtiesanzüge erstmal genausowenig wie 60s-Musik. Ich mag extravagante Kleidung und bin glücklicherweise aus dem Alter raus, wo eine bestimmte Epoche eine Rolle spielt. Die Tatsache, dass wir bei 3 Normal Beatles-Konzerten zerfetzte 60s-Anzüge tragen, hat mit bereits erwähntem folkloristischen Selbstverständnis zu tun. Mit unseren vermoderten Anzügen und Instrumenten und nicht mehr ganz taufrischen Visagen sind wir die Untoten des entwichenen Geists jener Musik, von der Leute einmal dachten, sie könnte die Welt umstürzen.

CM: Ihr spielt ähnlich lange und exzessiv und publikumsverschleissend wie Superpunk - gibt es Parallelen zwischen Euch?

TG: Nein, es hat meiner Meinung nach nichts miteinander zu tun. Ich glaube auch nicht, dass die ähnlich lange spielen. Der Unterschied ist vor allem der, dass wir keine Ambition haben, eigene Stücke zu machen und Genres wie zum Beispiel Soulmusik mit zeitgenössischen, deutschen Indierocktexten zu verbinden. Ausserdem glaube ich, die Superpunkjungs hören privat wirklich 60s-Musik.

CM: In einem Artikel über Euch habe ich den Satz gefunden, "3 normal Beatles sehen sich nur als Partyband" - ist das so?

TG: Kommt darauf an, was man mit Party meint. Auf der Platte befindet sich ja eine ganz passende Passage zu dem Thema. Als Klaus versucht, den Begiff 'Rezession' zu erklären und jemand aus dem Publikum schreit "das is ne Party hier" und Klaus sagt, es sei ihm scheissegal, ob das eine Party sei, bestimmte Sachen müssten gesagt sein. Interessant sind Konzerte für uns nur, wenn wir eben nicht nur die Partyband zur Party sind, sondern die Band, die das Publikum zwingt, selbst in Erscheinung zu treten. Wenn das Publikum genauso bereit ist, die Grenzen von bestimmten Party- und Konzertkonventionen zu überschreiten. Die Grenze zwischen Vortragendem und Konsumenten.

CM: Wie wichtig ist Hamburg - gäbe es 3 Normal Beatles auch in einer anderen Stadt/Umgebung? Hattet Ihr früher den Eindruck, dass Hamburg popkulturell schneller ist wegen der Nähe zu England?

TG: Ich glaube vor allem, ohne Klaus Ramcke gäbe es die Band nicht. Klar war Hamburg traditionell immer näher an England. Ich glaube nur, dass das immer weniger eine Rolle spielt.

CM: Euer Album heisst "We name it Justice" - Justice für wen und warum?

TG: Gute Frage. Gerechtigkeit für den erwähnten entwichenen Geist, für die Untoten. Für die magische Kraft, die man in Oldieshows und poliertem, smarten Oberflächen-Rebellions-Rock nicht finden kann. äh..so ungefähr …

CM: Das Cover Eurer LP ist von Daniel Richter gestaltet, Ihr seid alle ausser in der Band noch anderweitig im Kulturbetrieb aktiv (Label, Theater, etc.) - empfindet Ihr Euch als "angekommen"? Haben die Punks von damals Ihre Karrieren gemacht oder denkt Ihr nicht so?

TG: Die Diskussion darum würde den Rahmen sprengen. Es ist ja so, dass sich schon die offensichtlich Angekommen nicht angekommen fühlen und insofern die Durchwurschtelnden genausowenig. Aus meiner Sicht fühlt sich der ganze Kram nach wie vor derat prekär an, dass ich mich guten Gewissens als nicht angekommen betrachten kann



» www.3normalbeatles.com
» www.buback.de