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August 2006
Frank Schäfer
für satt.org

Wacken Open Air:
3. - 8. August 2006

Wacken ist Porno

Das Wacken Open Air, eins der größten Heavy-Metal-Konzertereignisse – wahlweise der Republik, des Kontinents, der Welt … – mit einer nun auch schon 17-jährigen Geschichte, war bereits am Donnerstag ausverkauft. Aber wer unterwegs sei, so versprach man’s auf der hauseigenen Website, dem werde der Einlaß nicht verwehrt. Ein feiner Zug! Uns war es egal, wir hatten wieder V.I.P.-Karten geschnorrt – wie die anderen ziemlich wichtigen Personen: 7000 an der Zahl! Wer als Journalist zur Überheblichkeit neigt, der soll hierher fahren – hier lehrt man ihn Demut.

Wacken - Ortsschild

„Essen ist kein Heavy Metal“, schnauzte ein irgendwie merkwürdig aussehendes Dickerchen vom Nachbarzelt, als er unseren mit Naturdarmspezereien reich belegten Camping-Grill gewahrte, und brach sodann in ein dunkel-gutturales Kunstlachen aus, das man hier öfter hört. Denn „Wacken ist Krieg“ oder je nach Gemütsverfassung und Betrachtungsweise auch „Porno“. So lautet seit einiger Zeit die Sprachregelung in diesen Kreisen.

Unser Zeltnachbar bekam jetzt einen Anruf. „Der Dave“, brüllte er seinen potentiellen Gesprächspartner zur Begrüßung an. So hieß der Dicke offenbar. Er verabredete ein Interview und beschloß das Telefonat mit den Worten: „Ach was, du erkennst mich schon, ich habe Dracula-Zähne.“ Und tatsächlich, jetzt fiel es mir auch auf. Das waren ja echte Reißer – da an seinem Oberkiefer. Deshalb kam er mir gleich so transsilvanisch vor. „Yps-Gimmick oder Erbfehler?“ rief ich und tippte zur Erklärung auf meine Zähne. Er schüttelte gelassen den Kopf. „Zahnklinik. Nicht ganz billig, aber so teuer nun auch wieder nicht …“

Nachdem wir nun uns also Freunde geworden waren, schlurften „der Dave“ und unser kleiner Haufen gemeinsam zum Festivalgelände, denn eine lebende Legende des deutschen Schwermetalls hatte sich in diesem Jahr zur „One Night to Remember“ eingefunden und zu diesem Mordsanlaß all die schon glücklich vergessenen Ex-Haudegen wieder aus ihren Verstecken getrommelt: Uli Jon Roth, Hermann Rarebell und Michael Schenker. Männer ohne Nerven! Kurzum, die SPD-Propaganda-Truppe The Scorpions lief auf und präsentierte sich einmal mehr in Bestform.

„Wenn er anfängt zu flöten, gehe ich sofort ins Zelt!“ sagte „der Dave“, aber „Winds of Change“ blieb einem erspart. Sonst allerdings nicht viel. Später soll dann sogar noch ein gewaltiger Roboter-Skorpion auf der Bühne herumgekrabbelt sein, aber da saßen wir schon längst wieder am Grill – und ich erzählte meine Geschichte, die ich immer als meine ausgebe, die aber in Wirklichkeit so oder ähnlich vom alten Kulirocker Jörg Gülden stammt. „Vor dreißig Jahren, oder so“, hob ich zu erzählen an und ich ließ meinen Blick nachdenklich in die Ferne schweifen, „da habe ich mal auf einer Abi-Feier eine Band gesehen, die hieß The Scorpions, und wir alle waren uns hinterher einig, wirklich alle, daß wir da eine wirklich talentierte Schülerband gesehen hatten. Dann verlor ich Schenker, Meine und Co. etwas aus den Augen – übrigens, wißt ihr eigentlich, daß der in der Hannoveraner Szene nur Maus Kleine genannt wird?“

Nein, das wußten sie nicht. „Egal“, fuhr ich fort, „es gab ein Wiedersehen nach so langer Zeit. Vor ein paar Jahren auf der Expo spielten die Scorpions vor 1,7 Millionen Menschen, oder so, und ich war erstaunt …“, nickte jetzt auch anerkennend mit vorgeschobener Unterlippe. „Das war wirklich eine talentierte Schülerband.“

Dave und stand auf, um sich gleich von irgendwelchen ganz gemeinen Death-Metal-Bastarden „die Flöhe aus dem Sack husten zu lassen“. „Scorpions ist Porno!“ schnauzte er zum Abschied. Und das leuchtete uns allen ganz wunderbar ein.