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Mai 2005
Christina Mohr
für satt.org


Erika Stucky:
Princess

Traumton 2005

Erika Stucky: Princess
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Erika Stucky:
Princess

Prinzessin auf der Knallerbse

Once a princess - always a princess
I see princesses all over. I see them in babystrollers, at the playground with their proud daddys, in magazines, in trains, at the supermarket counter, and then with a sheer unbelievable elegance trippeling through seniorhomes.
Plus ! so many queens and princes wander the musikworld. So I guess it was only a question of time, when I would let my "princess-thing" happen.
All songs have a royal air, either by their interpretes or composers ( prince, queen, king of pop, the king … ) or my own "royalties" composed into these tunes.

MAY THY BE AMUSED.
love,
erika stucky

Erika Stucky

"File under Jazz/Vocal/Stucky" steht im Presseinfo zur neuen Platte der Schweiz-Amerikanerin Erika Stucky und man realisiert schnell, dass es für die Musikerin nur eine Kategorie geben kann: ihre eigene. Mit niemandem könnte sie eine Schublade teilen, ohne dass an allen Ecken eine Tuba, eine Posaune oder sonst ein sperriges Instrument herausragen würde, um die sowieso schon weit gefaßten Grenzen des Jazz zu sprengen. Jedes der 14 Stücke auf Princess ist Mini-Drama, Dada-Kunstwerk oder eigenwillige Neuinszenierung von Altbekanntem. Virtuos und spielerisch verfolgt sie eine eigene Choreographie, läßt sich dabei von Musikern wie zum Beispiel Franz Treichler von den Young Gods unterstützen; vorherrschend sind Tuba und Trombone, entsprechend dunkel und brummig klingen die Songgerüste.

Ihre Interpretationen – Coverversionen mag man zu ihren Bearbeitungen gar nicht sagen – von You Know You're Right von Nirvana, Killer Queen/Queen, Jailhouse Rock oder Sometimes it Snows in April von Prince sind Erlebnisse der ganz besonderen Art. Zunächst verblüfft das reduzierte Tempo, das den Songs Raum zur Entfaltung gibt; popgeschulte Hörgewohnheiten erfahren eine Revision, denn trotz der dunklen Blasinstrumente klingen Stucky-Stücke niemals träge oder unelegant, sondern unheimlich, sonderbar, aber auch lustig. Erstaunlich bei so viel versponnenen Ideen, verspielten Details, die in ihrer Eigenartigkeit an Björks Experimentierfreudigkeit erinnern (auch wenn beide Musikerinnen wohl von verschiedenen Planeten stammen) ist Stuckys Bekenntnis: "Ich liebe Grenzen, mag Behinderungen. Ich finde es gut, wenn mir jemand zwei Buntstifte gibt und sagt, er habe die anderen 15 verloren. Genauso mag ich es, wenn ich einen Hendrix- oder Zappa-Song habe, den ich mit einer Tuba, einer Posaune und meiner Stimme umsetzen muss." Erwartbarer wären Statements à la "Ich liebe es, Grenzen zu verwischen, Hörgewohnheiten aufzubrechen …", aber nein, die in San Francisco aufgewachsene Musikerin liebt die sie begrenzenden schroffen Steine im Wallis, fühlt sich von den Schweizer Bergen kuschlig behütet. Und offeriert so eine Sichtweise, die man sonst geneigt ist, umzudrehen: nicht die unendliche Vielfalt, nein, die Begrenzung läßt Kreativität entstehen. Zumindest bei Frau Stucky.

Als einer der – vielen – Höhepunkte auf Princess kann Bad gezählt werden, ihre Version des Michael Jackson-Hits, verwoben mit Muhammed Alis Rufen "I'm the Greatest! I am superbad!" – für Erika Stucky eine Selbstverständlichkeit und keine große Anstrengung, den Boxer und den alienhaften Popstar in einem Track zusammenzubringen. Die Musikerin liebt "bad boys", große und größenwahnsinnige Persönlichkeiten, von Marilyn Manson über Dean Martin zu Jim Morrisson. Ihre musikalischen Hommagen oder besser "Aneignungen" des genuin männlichen Materials geraten aber nicht zu kleinmädchenhaften oder groupiemäßigen Anbiederungen. Denn Stucky ist die Princess, die Domina und Queen Mom in einer Person (wenn man von den Titeln ihrer eigenen Songs ausgeht), sie bestimmt die Regeln: auf Domina, einem Stucky-Song, fordert sie explizit: "Lick my Boots, that's what you paid for", untermalt von massivem Trommeleinsatz – die Prinzessin kann auch anders, kann herrschend, sadistisch, berechnend sein. Doch böse ist sie nicht – sie ist superbad wie Muhammed Ali, dabei so liebenswert, wie es eine Schweizerin nur sein kann.