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April 2005


Psapp:
Tiger, My Friend

Grönland 2005

VHS Or Beta: Night On Fire
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Psapp:
Tiger, My Friend

Wer hätte gedacht, dass so etwas subtiles ausgerechnet auf dem Grönemeyer(!)-Label passiert? Eine Niedlichkeit, die bei anderen möglicherweise aufgesetzt oder berechnend wirken könnte – hier findet man es einfach nur total süüüß und zum Liebhaben. Als wären Moloko mit den Erfahrungen junger Erwachsener ins Kinderzimmer zurückgekehrt, um die alten Teddys und Tapes herauszuholen.

Psapp: Das ist das Geräusch einer mit Eis befüllten Tüte, die auf einem Pappkarton zerplatzt. Sagen jedenfalls Psapp. Und im Gegensatz zu im Wind tanzenden und Hobbyfilmer zu philosophischen Monologen verführenden Plastiktüten ist das auch ein hinreichend pathosfreies Bild, dem wir uns gerne für einige Minuten hingeben.
Das Bild passt zu Galia Durant und Carim Clasmann, der Sängerin und dem Producer, die zusammen das Duo Psapp bilden. Carim hat bereits für so unterschiedliche Künstler wie u.a. Natacha Atlas und die Einstürzenden Neubauten gearbeitet. Galia ist die Expertin für Spielzeugkeyboards und verspielte Sounds.

Zusammen sorgen die beiden für eines der erstaunlichsten Debüts dieses noch jungen Jahres. "Tiger, My Friend", das ist Liebeskummer in Bubblegum, das sind reihenweise Ungereimtheiten, Escher-Perspektiven in Musik übersetzt. Die Sicht der Dinge ist relativ und variiert mit der Stellung zum Objekt. Hinter manche Melodien kommt man auch nach wiederholtem Hören nicht ganz, anderes wirkt seltsam bekannt. Mal quietscht etwas, das ein Kätzchen sein könnte, mal fällt der Regen, wie er nur im Frühling fallen kann, dann wieder zwitschern Vögel im Hintergrund oder ein Wecker klingelt. Die Soundgadgets sind jedoch immer so perfekt in die Songstruktur eingebettet, dass sie organisch und pulsierend wirken. Das Songwriting ist bei aller Verspieltheit ganz die alte Schule. Und auch die Texte sind alles andere als oberflächlich: "Leaving In Coffins" macht klar, dass es Situationen gibt, in denen nur die Hoffnung noch nicht gestorben ist ("You’ll never come back"). Ein anderes großes Thema ist der Liebeskummer, doch wo andere weinen, haben Psapp immer eine Lachträne im Knopfloch. "Velvet Pony" präsentiert in seiner Quietscherei eine Niedlichkeit, die bei anderen möglicherweise aufgesetzt oder berechnend wirken könnte – hier findet man es einfach nur total süüüß und zum Liebhaben. Als wären Moloko mit den Erfahrungen junger Erwachsener ins Kinderzimmer zurückgekehrt, um die alten Teddys und Tapes herauszuholen und dann beim wunderschönen "The Counter" zuletzt doch heillos sentimental zu werden.

Klackern, Clippen, Piepen und sich dabei ein Loch in den Hintern freuen, das können Psapp natürlich auch – und doch ist, wenn die sanfte Stimme von Galia einsetzt und die Gitarre angeschlagen wird (akustisch geht hier nämlich auch) die Wärme sofort wieder da (siehe "Curuncula").

Man möchte eine Eistüte sein, um einfach so platzen zu können – vor Glück.