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Oktober 2004


Slut: All We Need Is Silence
Virgin 2004

Slut: All We Need Is Silence
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Slut: All We Need Is Silence

Nun also Album Nr. drei nach nach eben "Lookbook" und dem Gitarrenbrecher "Nothing Will Go Wrong", beides Alben, die ganz weit vorne auf der Liste der "guten deutschen Musik mit englischen Texten" stehen.


Bandfoto

Die inflationären Zicken-Shirts sind ja völlig geschmacklos gegen mein während eines Konzerts im Münchner Atomic Café erstandenes Slut-T-Shirt, das ich immer wieder gerne trage – die Reaktionen, die man damit erntet, sind einfach zu belustigend empört, weil noch der letzte Idiot seine verschütteten Englisch-Kenntnisse rauskramt und in Blicke fließen lässt. "Slut?!" Ja. "Lookbook" war schließlich eine Offenbarung damals, ein Konzeptalbum rund um die tragische Figur von Andy, das wie ein Schlag auf den Kopf wirkte. Nun also Album Nr. drei nach nach eben "Lookbook" und dem Gitarrenbrecher "Nothing Will Go Wrong", beides Alben, die ganz weit vorne auf der Liste der "guten deutschen Musik mit englischen Texten" stehen. Was konnte man also erwarten von "All We Need Is Silence"?

Eines ganz bestimmt nicht: Stille. Denn Christian Neuburger und seine Mitstreiter rocken auch auf der neuen Scheibe wieder, was das Zeug hält. Damit führen sie ihre Tradition fort, keiner bequemen Erwartungshaltung nachzugeben, sondern sich treu zu bleiben und trotzdem neu zu erfinden. Christian Neuburgers Stimme mäandert einmal mehr zwischen Thom Yorke und Queens Of The Stone Age, noch druckvoller als bisher. Die Songs sind noch schnörkelloser als beim letzten Album, die Gitarren noch lauter, zwischendurch wird sogar gebrüllt wie am Spieß – Ausbrüche, wie man sie von den Ingolstädtern bisher nicht kannte. Ohne Samples, ohne Schnickschnack, pure Emotion, einer auf CD gepressten Bühnenshow ähnlich.

Soviel Mut zur Ehrlichkeit und Reduktion auf das Wesentliche verdient Anerkennung. Leider bleibt die schöne Melancholie, die die Band von Anfang an auszeichnete, dabei auf der Strecke. Einzig "The Beginning" atmet noch etwas von dieser entrückten Fragilität des Ausdrucks (obwohl der Refrain ganz unverblümt als Auto-Plagiat zurückgreift auf den Song "Time Is Not A Remedy" vom Vorgänger-Album), eine Melange aus Radiohead und Muse, die ich bei Slut immer am gelungensten umgesetzt fand; die restliche gute halbe Stunde wird leider auf hausgemachte Songkost zurückgegriffen, wie sie sich in Jahrzehnten des auf Bühnen und in Übungskellern gelebten Rock bewährt hat. Da mögen die Geschmäcker auseinander gehen – mir ist das zu wenig und ich bin regelrecht ein wenig enttäuscht. Vielleicht erschließen sich der Band mit diesem Album aber auch neue Käuferschichten, denn "All We Need Is Silence" passt größtenteils wunderbar in das Portfolio von Bayern 3. Und wer weiß, was Slut nach der kreativen Pause, die es jetzt erstmal geben soll, noch für uns in petto haben? Ich werde jedenfalls mein mittlerweile ausgewaschenes Slut-T-Shirt auch weiterhin mit Stolz tragen - und nicht nur wegen der immer wieder belustigend empörten Blicke. Da kommt mit Sicherheit noch was nach.