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August 2003
Christina Mohr
für satt.org


Klee:
Unverwundbar

Modernsoul/Ministry of Sound 2003

Klee: Unverwundbar

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Klee
Unverwundbar



"es riecht wie früher und die Farben leuchten"
(Erinner Dich)


Klee hießen mal Ralley, wohnen in Köln und haben sich aus Bewunderung für den Maler Paul Klee "Klee" genannt, weil der in seinen Gemälden eine kindliche, unverfälschte Betrachtungsweise bewahrt habe. "Kindlich" trifft sicherlich auf die Stimme von Suzie Kerstgens zu, die sich durch 14 sommerlich-leichte Lieder haucht. Wer Paula und 2raumwohnung mag, wird auch Klee mögen, ganz klar. Das Bandkonzept ist bei allen dreien ähnlich: unauffällige männliche Musiker bilden den Background für Kindfrau mit großen staunenden Augen, die vom grauen Alltag ein wenig erschöpft wirkt. Auch die frühen Cardigans könnte man noch ins Gespräch bringen …. aber das führt wohl ein wenig zu weit.

Hört man "Unverwundbar" und "In Wirklich" (Goldrush, 2002) von 2raumwohnung hintereinander, drängt sich der Vergleich quasi auf. Allerdings sind 2rw musikalisch experimentierfreudiger, klingen auf "In Wirklich" satter und tanzbarer. Klee spielen noch mit ihrem 80er-Jahre-Soundbaukasten, den 2rw schon auf dem Dachboden verstaut haben. Wo Klee bitten "Erinner Dich", resümieren 2rw nur noch "Wir erinnern uns nicht". Inga Humpe ist sowas wie die große Schwester oder die abgeklärte Großstadtkusine für Suzie Kerstgens, quasi die Elaine aus dem gleichnamigen 2raumwohnung-Song.

Klee können eine gewisse Vorliebe zum Discofox nicht verbergen, der häufig die Grundlage für die luftigen Melodien im 80er-Synthiekleid bildet; besonders bei "Hey wenn Du lachst": dazu können auch die Großeltern tanzen! Die 2002er-Single "Erinner Dich" hört sich an wie New Order auf'm Sonnendeck (..oder im Solarium …) und das ist ja eine total sympathische Kombination. "Unverwundbar" verbreitet die Atmosphäre eines unendlichen Sommernachmittags, der nicht durch Lärm gestört werden sollte. Federleicht perlen die Melodien, über allem schwebt eine ganz kleine freundliche Tristesse und Suzie Kerstgens singt dazu mit ihrer zarten Kleinmädchenstimme. Ein wenig schmunzeln muss man, wenn man Suzie Ausdrücke wie "Wut im Bauch" wispern hört, umso harmonischer klingen Worte wie "Lichtstrahl" und "Sterne" aus ihrem Mund … Beinahe trotzig singt sie: "Ich trinke, nein nicht immer, aber jetzt; ich lass mich gehn, nein nicht immer, aber jetzt …" ("Nicht immer aber jetzt).

Die Texte sind eher allgemein(-gültig) gehalten, im großen und ganzen geht es - klar - um Liebe und Beziehungen. Konkret werden sie nicht und müssen sie auch nicht: Klee wirken eindringlich durch sanfte Wiederholung ("Ein Liebespaar. Ein Liebespaar. Ein Liebespaar. Ein Liebespaar. Ein Liebespaar." - Standard Kompakt).

Klee pflegen das Kindfrau-Image ihrer Sängerin und das funktioniert bei den eigenen Stücke auch sehr gut; problematisch kommt ihre Version von "Heut Nacht" (Spliff) daher – durch Suzies unpassendes Gehauche und Geseufze kippt das Lied ins satinbettwäschen-erotische und wird dadurch seiner eigentlichen Stimmung beraubt. Viel besser paßt ihre Stimme zum letzten Song auf der Platte, der französisch gesungen wird. Vielleicht falle ich auch nur auf das Vanessa-Paradis-Lio-Klischee herein, wer weiß. Aber es klingt sehr nett.

Auf Dauer finde ich das Kindfrauen-Getue ein wenig ermüdend und spüre leichte Ungeduld (mein Gott, Ihr seid nun mal über 30 ….) – aber wer bin ich, um zu richten? Und Fragen zum Erwachsenenleben beantworten Ihnen gerne Bernadette La Hengst und Britta.