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August 2007 | Silke Winzek für satt.org |
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»Ach Glück«
„Oh große Ränder an meiner Zukunft Hut.“ Mit dieser Hommage an die Künstlerin und Surrealistin Meret Oppenheim endet der neue Roman von Monika Maron „Ach Glück“. Bis es soweit ist, muss Johanna, die Hauptfigur, die wir schon aus dem letzten Roman der Schriftstellerin „Endmoränen“ (2002) kennen, einen zwölfstündigen Flug nach Mexiko-Stadt überstehen. Gedanklich lässt sie während des Fluges die letzten Monate Revue passieren und knüpft damit nahtlos an das Ende des erwähnten Romans an. Wir erinnern uns: Johanna, Mittfünfzigerin, fühlt sich perspektivlos. Die Zukunft erscheint ihr als „öde, steppenartige Zeit“. Damals, im Osten, hatte sie ihre Aufgabe darin gesehen, als Biographin in ihren Werken geheime Botschaften zu versenden und so den freien Geist gegen die Diktatur zu verteidigen. Durch die Wende hat sich diese innere Berufung überholt, was von Johanna in der Euphorie der ersten Nachwendejahre kaum registriert wird. Erst mit der allmählichen Gewöhnung an die neue Zeit wird ihr die Lücke in ihrem Leben bewusst und sie beginnt ihr aktuelles Leben zu hinterfragen. Mit dem Ende der DDR scheint auch die Basis und die Verbundenheit mit ihrem Mann Achim verloren gegangen zu sein. Achim, der Kleistforscher, hatte sich damals als Angestellter im sozialistischen Bildungswesen gegen das Mitläufertum und damit auch gegen seine berufliche Karriere entschieden, sich hinter seinem Schreibtisch eine unpolitische Nische gesucht und gefunden. Für diese konsequente Aufrichtigkeit hatte Johanna ihn bewundert, um nach der Wende feststellen zu müssen, dass seine Weltabgewandtheit - am Schreibtisch sitzend mit dem Rücken zu ihr und zum Leben - die neue Gesellschaftsordnung überdauert hatte, also wohl auch ein Wesensbedürfnis, ein grundsätzlicher Charakterzug ihres Mannes zu sein schien. So driftet das Paar auseinander, Johanna sucht die Veränderung, Achim verharrt resigniert hinter seinem Schreibtisch. „Endmoränen“ endete damit, dass Johanna an der Autobahnausfahrt Bredow, die später als Namensgeber fungieren wird, einen ausgesetzten Hund, einen Riesenschnauzer findet und ihn mit nach Berlin nimmt. Mit der gemeinsamen Ankunft von Johanna und dem Hund Bredow in der Stadtwohnung (bei Achim) beginnt der neue Roman. Mit Bredow fängt die „Serie von Erstmaligkeiten“ an. Sie denkt darüber nach, „was so einen Hund befähigt, in jedem Augenblick Freude zu empfinden.“ Gleichzeitig berührt es sie „dass sie für ein Wesen auf dieser Erde das Paradies sein kann, dass allein ihre Anwesenheit genügte um hemmungslose Freude zu entfachen“. Sie fühlt sich verwirrt und schmerzhaft an die ersten Jahre mit Achim erinnert und versucht zu ergründen, was hinter der Fähigkeit des Hundes steckt, kommt aber nur zu dem lapidaren Ergebnis, das er es kann und ihr die Begabung fehlt. Zu der „Serie von Erstmaligkeiten“ gehört auch Igor, der arrogante Russe und Galerist, der schon in „Endmoränen“ in Basekow (dem ländlichen Zweitwohnsitz von Johanna) auftaucht, und mit dem Johanna eine amouröse Nacht verbringt. Von ihm stammt ein Satz, der Johanna fesselt: „Man müsse im eigenen Leben nur dafür sorgen, dass es zu jeder Zeit Anfänge gibt, glückliche Anfänge.“ Sie sucht weiter nach solchen Sinnsätzen und wird bei Hannes, dem Professor fündig, der sich nach dreiunddreißig Jahren New York für seinen Lebensabend mit seiner jungen Frau und seinem halbwüchsigen Kind in Brandenburg eine ländliche Idylle geschaffen hat. “Follow your bliss“ lautet sein Leitspruch, Bliss im Sinne von innerer Bestimmung, innerer Stimme. Obwohl Johanna an einer eigenen vorhergesehenen Bestimmung zweifelt, beginnt sie die gewohnten Bahnen zu verlassen, sich bewusst auf Neues, Ungewohntes einzulassen. Sie verlässt das vertraute Terrain ihres Schreibtisches und hilft in der Galerie des Russen aus, sie nimmt ihre alte Angewohnheit wieder auf, mit Bäumen zu sprechen und sie tritt per E-Mail in Kontakt zu einer über neunzig jährigen russischen Fürstin. Diese sucht in Mexiko nach der längst tot geglaubten Jugendfreundin, Leonora Carrington, und berichtet ihr von ihren eigenen Erfahrungen und vom Leben ihrer Freundin. Dies führt letztlich dazu, dass sich Johanna im Flugzeug nach Mexiko wieder findet, um besagter Russin bei der Suche nach ihrer Freundin zu helfen und vielleicht auch ihrem eigenen Glück auf die Spur zu kommen. „Ach Glück“ ist eine Studie der deutsch-deutschen Verhältnisses mehr als 10 Jahre nach der Wende, er ist ein biographisches Splitterwerk über Künstlerinnen wie Leonora Carrington oder Meret Oppenheim, und bietet Einblicke in die eingefahrenen Leben der Großbürgertums West-Berlins, angereichert mit Erkenntnissen aus der Glücksforschung. Wie bei einem Gemälde, das durch das Aufbringen neuer Farbschichten mehr Tiefe erhält, wird die Figur Johanna durch den Folgeroman noch plastischer und lebendiger. „Ach Glück“ weckt in dem Leser den Wunsch, dass die Autorin in einem dritten Buch dem Porträt weitere Pinselstriche hinzufügen wird. |
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