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April 2003
Tobias Lehmkuhl
für satt.org

Uwe Johnson:
Leaving Leipsic next week

(hrsg. Erdmut Wizisla)
Transit, Berlin 2002

Uwe Johnson: Leaving Leipsic next week

128 Seiten
14,80 EUR
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Uwe Johnson:
Leaving Leipsic next week


"Lieben Ziem. Herr Kraetzig oder Kretzig fragt: ob sie nicht hätten ein demokratischer Schriftsteller werden wollen. Ja sage ich das ging nun nicht." So beginnt der erste Brief, den Uwe Johnson, am 21. 3. 1955, Joachim Ziem schrieb. Die beiden Schriftsteller, der eine berühmt, der andere vergessen, hatten sich wenige Monate zuvor an der Uni Leipzig kennen gelernt und angefreundet. Bald darauf aber ging Ziem in den Westen und blieb dort. Johnson, der die DDR später ebenfalls verließ, versuchte ihn hier noch zur Rückkehr zu bewegen, weniger aus politischer Anschauung, denn aus Sorge um Ziems berufliche Zukunft (er stand in Leipzig kurz vor dem Examen) und seine Familie (Frau und Kind blieben im Osten).

Der Transit Verlag hat nun alle erhaltenen Briefe und Postkarten, die Johnson bis zum Sommer 1957 an Ziem schrieb, danach zerbrach die Beziehung, veröffentlicht. Ziems Antworten sind leider nicht erhalten. Dabei wäre es spannend gewesen zu sehen, wie dieser ebenfalls aufstrebende Schriftsteller auf Johnsons verrenkten und pointierten Stil reagiert hat, der sowohl "literarische Etüde" ist, als auch ein Mittel, um "Konventionen zu vermeiden und auf diese Weise Nähe herzustellen", wie der Herausgeber Erdmut Wizisla in seiner umfangreichen Einleitung sagt. Schon die Grußformeln zeugen davon. "Lieben Ziem, Joachim mit Vornamen" heißt es da, oder "Sozusagen ehrenwerter Joachim Ziem", "Ich grüße Sie verschiedentlich" oder "Ich grüße Sie voraussichtlich". Den Reiz des ganzen Buches macht aber noch etwas anderes aus: seine Aufmachung, die kunstvoll schlichte Umschlaggestaltung mit einem minimalistischen Selbstportrait Johnsons, das elegante Format, die hervorragende Qualität des Drucks und der zahlreichen Faksimiles.