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April 2002
Mascha Kurtz
für satt.org

Joseph von Westphalen:
Der Liebessalat.
btb/Goldmann Verlag 2002

Joseph von Westphalen: Der Liebessalat.
480 Seiten, geb.
EUR 22,90

amazon: Buch | CD

Schaf im Wolfspelz

Joseph von Westphalen:
Der Liebessalat


Dickes Buch, fast 500 Seiten. Hab ich mich gefreut auf den Liebessalat, den von Westphalen für die Leser angerichtet hat! Beim Lesen verging mir aber schnell der Appetit, von der Liebe blieb nur der Salat. Kann das der gleiche Autor sein, der »Die Geschäfte der Liebe« schrieb? Joseph von Westphalen, der Witzige, der Ironische, der Wunderbare?

Zum Klappentext: »Viktor ist Schriftsteller. Als solcher liebt er die Frauen, denn ohne sie fällt ihm nichts ein.« Viktor (!) ist ein Gewinner: lebt in Zürich, hat eine Zweitwohnung in Frankfurt, eine tolerante Gattin, und in jeder Stadt, in der ihn seine Lesereise führt, wartet eine schöne Frau auf ihn. Selbst junge Mädchen kriegt der ältliche Knacker rum, dem Charme des Künstlers kann keine widerstehen. Wählerisch ist er aber schon, der Viktor. Hat doch die Exgeliebte nicht mehr Größe 36, sondern auf Größe 40 zugelegt. Allein aus Mitleid will er sich herablassen, nochmal mit ihr zu koitieren, wird jedoch von einer rassigen Jüdin in ein pikantes Sklavin-Herrscher-Spielchen hineingezogen. Das alles passiert ziemlich am Anfang, aber egal, denn es geht genauso weiter, nur kommen immer neue Frauen dazu, die es gar nicht abwarten können, sich dem Viktor hinzugeben. Viktor (Goldmann mit Nachnamen, aber kein Jude, wie angemerkt wird) freut sich, denn seine seitenlangen brieflichen Ergüsse an die Damen setzt er in Literatur um.

Durch sanfte Ironie im Ton distanziert sich von Westphalen von seiner Hauptfigur, als müsste er sich für sie entschuldigen. Das muss er auch: Viktor ist ein satter, aufgeblasener Bildungsbürger, ein Schaf im Wolfspelz, das stets heim zu Frauchen trabt, damit die vielen Geliebten nicht etwa auf die Idee kommen, Ansprüche zu stellen. Probleme (natürlich keine echten) kriegt er, als sein Terminplan durcheinander gerät, einige der Damen bei ihm Zuhause auftauchen und von der Gattin im Gästezimmer untergebracht werden. Da macht das Fremdgehen ja gar keinen Spaß mehr, die Geliebten verkrümeln sich, und weil Viktor keine Ergüsse mehr ablassen kann, befällt ihn - O Graus! - eine Schreibkrise!

So geht es dahin, mit eingebildeten und echten Liebeleien, Ex-Ehefrauen Nummer eins und zwei, der Gattin und der rassigen Jüdin, die Viktor »Tscherkessin« zu nennen pflegt. Am Schluß begegnet ihm eine, bei der es ihm ernst wird, und wegen der er einen Berg (!) besteigt. Sie rettet ihn (!), vom Berg und auch sonst, die Schreibkrise ist beendet und bald darauf das Buch.

Vielleicht hatte von Westphalen vor, mit diesem Roman als eine Art deutscher John Updike die Befindlichkeiten des Bildungsbürgers in der Midlife-Crisis zu sezieren - herausgekommen ist eine Altmänner-Fantasie, wie sie im Buche steht.