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Juni 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org

Sascha Westphal, Christian Lukas:
Die Scream Trilogie
 …und die Geschichte der Teen-Horrorfilms.

Wilhelm Heyne Verlag, München 2000

494 S., Taschenbuch
DM 16,90
EUR 8,64

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Zehn kleine Teenager

Alles, was sie nie über die »Scream«-Serie wissen wollten


Durch die "Scream"-Trilogie wurde ein Genre wieder zum Leben erweckt, das man schon als sanft entschlummert dünkte. Aber genau wie Jason, Michael und Freddy nicht totzukriegen sind, ist auch das Sub-Genre des Horror-Films, das sich um Serienmörder und ihre zumeist jungen Opfer dreht, "unkaputtbar".

Das Autorenpaar Sascha Westphal und Christian Lukas ist bisher nur durch einige Veröffentlichung zu "Mystery"-Fernsehserien wie "Buffy", "Akte X" oder "Millenium" hervorgetreten. Mit "Die Scream-Trilogie …und die Geschichte des Teen-Horrorfilms" trauen sie sich an einen sehr viel größeren Fachbereich.

Die Scream-Trilogie ist natürlich der Aufhänger des Buches, hartgesottene Fans der Serie werden sich darum ebenso reißen wie um Merchandise-Artikel wie die an Edvard Munch erinnernde Maske nebst Umhang, aber der weitaus lesenswertere Teil ist "Die Geschichte des Teen-Horrorfilms", die zusammen mit einer umfangreichen Filmographie und einem Kapitel über den "Stalker-Film und seine Regeln" gut die Hälfte des Bandes ausmacht.

Hier erfahren wir von den Anfängen des Genres, von Horror-Klassikern von Jacques Tourneur, jugendlichem Kino-Rebellentum mit James Dean, kassenträchtiger Exploitation wie "I was a Teenage Werewolf" und natürlich von "Psycho", "The Texas Chainsaw Massacre", "Halloween" und allem, was danach Anfang der 80er Jahre auch die bundesdeutschen Videotheken überschwemmte. Die Hintergründe sind gut recherchiert, einige Zusammenhänge werden überzeugend herausgestellt, unterschwellige Themen wie Rebellion, Initiationsriten und der Ausbruch der jugendlichen Sexualität werden ebenso abgehandelt wie die gesellschaftsspezifischen Veränderungen etwa innerhalb des Kino-Zielpublikums.

Das Hauptproblem des Buches ist die wenig überzeugende Themenvorgabe, die Kreation und Definition des Genres "Teen-Horrorfilm". Reichen wirklich schon die jugendlichen Zuschauer und die auf der Leinwand verfolgten Altersgenossen, um eine eigenständige Filmgattung ins Leben zu rufen, die so unterschiedliche Filme wie "How to make a Monster", "Carrie", "Lost Boys" oder "American Werewolf in Paris" ebenso wie die "Friday the 13th"-Serie umfasst?

Wobei gar nicht die unterschiedliche und manchmal sehr fragwürdige Qualität dieser Filme der Angriffspunkt ist, filmwissenschaftliche Untersuchungen etwa über Bergfilme und Pornos haben ja auch ihre Berechtigung. Aber die Autoren sind sich in ihrer wenig kaschierten Begeisterung wahrscheinlich nicht einmal der unfreiwilligen Komik bewußt, wenn sie dem kritischen Leser ein "verschmähtes" Genre nahebringen wollen, indem sie so seltsame Sub-Genres wie "rape revenge movies", "home invasion-Thriller", "Teenager-Monster-Film" und "Puppen-Horror" dazu benutzen, nahezu jedes vermeintlich unterschätzte Werk in eine wenig schmeichelhafte Schublade zu stopfen.

Doch nun zum Teil des Buches, der sich an die Fans der "Scream"-Reihe wendet (und das dürfte bei weitem die Mehrheit der Leserschaft sein). Den wichtigsten Mitwirkenden an der Serie werden ausführliche Biographien gewidmet. Vor allem natürlich Wes Craven, dem Regisseur aller drei Filme, der zuvor bereits als Erfinder der Figur Freddy Krüger aus "A Nightmare on Elm Street" Kultstatus erreichte. Kevin Williamson, der als Autor von "Scream" von den Medien vielfach zum neuen Wunderkind erklärt wurde, konnte neben einigen weiteren Drehbüchern ("I know what you did last summer", "Scream 2", "Faculty") nicht nur mit "Teaching Mrs. Tingle" einen Regieauftrag an Land ziehen, auch seine Fernsehserie "Dawson´s Creek" wurde ein großer Erfolg.

Unverständlicherweise ist der Teil über Neve Campbell, die Hauptdarstellerin, noch größer als der über den Autoren. Hier und in den Kurzporträts der anderen Darsteller kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß der in den Autoren Westphal und Lukas innewohnende Fan wütet wie ein Serienmörder. Wie "Leatherface" keine moralischen Bedenken beim Zusammenstellen seines Ernährungsplans zu haben scheint, vermisst man hier die wissenschaftliche Objektivität schmerzhaft, wenn wie in der "Bravo" die Karriere der Jungstars nebst Affären und Anekdoten geschildert wird, und die Autoren durchaus ihre Probleme dabei haben, Fragen darüber, ob Katie Holmes besser als Sarah Michelle Gellar aussieht, unbeantwortet zu lassen.

Auch die detaillierte Inhaltsangabe mit paralleler Analyse der "Scream"-Reihe kann nicht völlig überzeugen. Zwar geben sich die Autoren Mühe, jede Feinheit, jeden Insider-Joke, jeden Querverweis zu erklären, aber manche Kleinigkeiten sind einfach ärgerlich, und lassen den aufmerksamen Leser daran zweifeln, wie gut die Autoren sich in ihrem Metier auskennen. Das Studium von einschlägigen Zeitschriften wie "Fangoria" oder "Femme Fatales" reicht manchmal halt doch nicht, selbst in einer frühen Kritik zu Scream wird eine "Hommage" an einen zumindest im deutschsprachigen Raum zeitweise berüchtigten Horrorfilm erwähnt, die den Autoren entgangen scheint. Und wenn sogar der "evangelische Pressedienst" sich besser im Metier auskennt, wage ich nicht daran zu denken, was ausgesuchte Experten noch alles wissen, was den Autoren hier entging.

Aber am seltsamsten ist es, daß Cotton Weary, eine der Hauptfiguren der Serie, in der Filmanalyse hartnäckig "Cotton Leary" genannt wird, was mitunter dazu führt, daß man über mehrere Seiten abwechselnd den richtigen und falschen Namen des Protagonisten liest, und sich dann fragt, ob dies wohl eine versteckte Signatur der beiden Autoren ist, denn ihre Nachnamen beginnen ja mit den selben Buchstaben. Wenn mal von "Nero Wulf" gesprochen wird, verzeiht man das Unwissen der jungen Autoren, aber es erfüllt den Leser sicher nicht mit Ehrfurcht, daß sie nicht einmal wissen, wie eine der Hauptfiguren geschrieben wird.

Und wenn man dann noch am Ende des Buches "Die Top Ten des Teen-Horrorfilms" in zweifacher Ausführung bestaunen kann und die Filmographie mit (sehr zweifelhaften) Punktewertungen versehen wurde, kommt man sicher nicht mehr auf die Idee, es hier mit einer ernstzunehmenden filmwissenschaftlichen Abhandlung zu tun zu haben, auch wenn durchaus vielversprechende Anfänge gemacht wurden.