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März 2007
Enno Stahl
für satt.org

Museum of Noise,
Mark Bain und James Beckett

Kölnischer Kunstverein, Die Brücke,
Hahnenstraße 6, Di-So 13-19 Uhr, bis 29. Mai.

Seit man Mitte letzten Jahres von der Verpflichtung der jungen, weiblichen Doppelspitze des Kölnischen Kunstvereins gehört hatte, erwartete man sie mit einiger Spannung: die erste Ausstellung, die das Team Jentjens/Nathan-Dorn gestalten würde. Nun ist es soweit, und eins vorweg: dieser Anfang ist auf jeden Fall ungewöhnlich, unerwartet und viel versprechend.

Das „Experiment“ haben die beiden sich auf die Fahnen geschrieben, und angesichts einer Kunstwelt, in der es von Experimenten nur so wimmelt, ist das Erstellen einer echten, künstlerischen Versuchsanordnung eine schwierige Sache.

James Beckett, Partial Museum of Noise (Structures in Life as in Death), 2003/2007, Foto: Uwe Walter, courtesy Büro Friedrich, Berlin

James Beckett, Partial Museum of Noise
(Structures in Life as in Death), 2003/2007
Foto: Uwe Walter, courtesy Büro Friedrich, Berlin

Die Suche danach hat sie jedenfalls davor bewahrt, den Weg des allzu geringen Widerstandes zu beschreiten. Denn was die beiden Künstler Mark Bain und James Beckett im Kunstverein zeigen, lässt sich gewiss nicht leicht goutieren. Hier ist nicht Kontemplation gefragt, sondern Konzentration. Traditionell tut man sich in Köln mit so etwas schwer, um so besser also!

Bain wie Beckett haben sich in ihren Beiträgen unmittelbar auf die Raumarchitektur des Kunstvereins bezogen, die so genannte Brücke, erbaut von Wilhelm Riphahn. Beckett (geb. 1977 in Harare, Zimbabwe) liefert eine Reihe von Repliken zu Architekturmodellen, die von Riphahns Kölner Originalbauten erstellt worden sind (Leihgabe des Historischen Archivs der Stadt Köln). Becketts Variationen sind gewissermaßen „Schattenreduktionen“, sie nehmen die Strukturelemente der Ursprungsmodelle auf, nicht unbedingt maßstabsgetreu, und stilisieren sie so zu freien ästhetischen Objekten. Werden Architekturmodelle normaler Weise in Vitrinen präsentiert, so dient hier der Kunstverein selbst mit seinen Fensterfronten quasi als Vitrine.

Dieser Arbeit Becketts korrespondiert ein Beitrag Bains, bei dem durch Kontaktmikrofone die Außengeräusche in den Raum übertragen werden. Durch Vibrationsüberträger an den Fensterscheiben werden diese selber zur Boxenmembran, die vorbei fahrenden Autos, Busse und Bahnen werden so extrem verstärkt. Man erfährt sie geradezu körperlich, wodurch der Lärm, mit dem wir alltäglich umgehen, einmal physisch wie akustisch problematisiert und veranschaulicht wird. Dem gegenüber steht die hintere Scheibe mit ihrem Ausblick in den scheinbar idyllischen Garten des Amerika-Hauses, eines Gartens, der aber intensiv bewacht wird. Zwischen diesen beiden vibrierenden Fensterfronten offenbart sich das Raum-Interieur erneut als Vitrine - gerade deshalb, weil durch die akustische Aufhebung zwischen Innen und Außen eine neue Durchlässigkeit erreicht wird. So nämlich wird das, was innen ist, als Raum ganz neu wahrgenommen.

Mark Bain, Sonic architectures, activation system, laufendes Projekt, Courtesy Mark Bain

Mark Bain, Sonic architectures, activation system,
laufendes Projekt, Courtesy Mark Bain

Generell interessiert sich Bain - genauso wie in anderer Weise Beckett - für das Infragestellen bestimmter industrieller oder technischer Zustände. Mit Elektrizität etwa gehen wir tagtäglich um, verlieren keinen Gedanken mehr darüber. An der Wand im Kunstverein hängt nun ein schlichter Kopfhörer, der 220 Volt „hörbar“ macht: es ist ein schier unerträgliches Brummen, das sich direkt in den Körper hinein fortsetzt. Die Problematik von Elektro-Smog wird einem sinnfällig bewusst. Vibrationen und unterschwellige Klänge technischer Geräte - das ist auch für Beckett ein zentrales Thema. Seine zweite Werkreihe in dieser Ausstellung kreiert und thematisiert ein „Museum des Lärms“. In eigenen Vitrinen hat er Objekte, Texte und wissenschaftliche Materialien zusammengetragen, die sich mit der Auswirkung von Lärm auf den Menschen befassen ebenso wie mit seiner Geschichte. Beckett fasst dieses Phänomen in mehrdimensionaler Weise auf, weder nur kulturkritisch noch rein technisch. Vielmehr betrachtet er es als ein offenes Forschungsfeld. Prägnant, weil auch akustisch präsent, ist eine Arbeit zum Thema „Struktur im Leben wie im Tod“, mittels derer die spezifischen Klänge mehrerer verschiedenen Neonröhren in den Raum hinein verstärkt werden. Gleichzeitig liefert Beckett hier eine grafische Wiedergabe der Frequenzen und sinniert in hintergründiger Weise über die Parallelen zwischen Mensch und Technik. Wie der Herzschlag nämlich niemals völlig regelmäßig sein kann, da der Mensch sonst stürbe, sind auch Maschinen und elektronischen Geräten zufallsgesteuerte Rhythmusverschiebungen einprogrammiert, aufgrund derer allein sie dauerhaft funktionieren können. Und sie sind es auch, die für die komplett unterschiedlichen Klangbilder der Geräte verantwortlich sind.

Das Alltägliche wird bei beiden Künstlern in interessanter Weise problematisiert, es werden keine billigen Lösungen angeboten, kein abschließender Befund, sondern tatsächlich Experimente. Mit Klängen, mit Medien, und nicht zuletzt mit dem System Kunst.

Kölnischer Kunstverein, Die Brücke, Hahnenstraße 6, Di-So 13-19 Uhr, bis 29. Mai.