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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 
Juni 2004
Ron Winkler
für satt.org


Robert & Shana ParkeHarrison:
The Architect’s Brother

Eine Werkschau in Jena
06. Juni bis 22. August 2004

Städtische Museen Jena, Kunstsammlung
Galerie im Stadtmuseum
Katalog 18 Euro

» parkeharrison.com
» www.jena.de/kultur

Optimismus mit
Beckett-Energie


Robert & Shana ParkeHarrison:
The Architect’s Brother
Eine Werkschau in Jena



Die Landschaften, die Robert ParkeHarrison in seinen Fotografien festhält, muten wie Regieanweisungen für die Darstellung von Postapokalypse an. Sie sind wüst, überschattet und von mindestens derangierter Vegetation. Die Fähigkeit, biosphärische Wirkung zu entfalten, scheint hier verloren gegangen.


ParkeHarrison: Flying Lesson
Flying Lesson © ParkeHarrison

Sie wirken in ihrer Darstellung nahezu stofflich, wie ein eigener Aggregatzustand: über dem Boden liegt der Schleier einer Asche aus Dämpfen, Licht und Verschattung – wie der schwelende Dunst eines nachhallenden Traumas.

In diesen Raum hinein inszeniert sich Robert ParkeHarrison als Figur einer poetischen Aktion. Diese ist grotesk und dennoch semantisch, ist magisch und höchst vertrackt. Die Fotografien zeigen einen Besessenen im schwarzen Anzug, der mit verschiedensten Vehikeln gegen Marodität und Leere zu wirken versucht.

In Guardian scheint er sich als Rückgrat für einen nachwachsenden Baum zur Verfügung zu stellen. Tree Stories zeigt ihn an einer Schreibmaschine arbeitend, die über Kabel mit Stapeln gefällter Bäume verbunden ist. Ähnlich Windwriting: Hier ist das Schreibgerät des Protagonisten mit eigenartigen in die Luft ragenden Testikeln verdrahtet.

Man sieht sich in diesen szenischen Fotografien einer Hybride aus Utopie, Existenzialismus und Clownerie gegenüber. Der Protagonist bringt einer abgestürzten Flügelkonstruktion einen dürren Strauß Zweige (Visitation). Er pflockt Wolken an (Suspension), sät Bienen aus (Bee Season) und zieht Rasen über eine Mondlandschaft (Reclamation).

Sein Handeln gilt der Revitalisierung der Natur, der Rückdämmung einer waste situation. ParkeHarrison nimmt als Model seiner eigenen Fotokunst die Rolle diese verzweifelten, unrettbar um Rettung bemühten Helden ein. Seinen Aktionen liegt die Utopie zugrunde, etwas Verlorenes zurückzuholen, zu reorganisieren. Augenfällig wird das in Titeln wie The Exchange, Mending the Earth, Reclamation, The Clearing. ParkeHarrisons Protagonist interagiert auf eine hoch einfühlsame Weise mit (und mittels) der Landschaft.

Man hat in dieser Figur nicht unrichtig die irdische Entsprechung eines Schöpfers gesehen – den Bruder des Architekten. Er ist ein wizard of us, und Verwandter von Don Quixote und Sisyphos. Dass sein Wirken grotesk wirkt, macht die Implikationen der einzelnen Szenen nicht weniger drängend.

Es geht in diesen fotografierten Performanceakten um mehr als Charme. Das, was die Arbeiten zeigen, sind verzweifelte Selbstbehauptungen des Individuums gegen die deutliche Ausmerzung des vegetativen Umfelds.

Viele jener Bewältigungsakte scheinen ins Leere zu laufen. Die Apparaturen und Arrangements, derer sich der Bruder des Architekten bedient, sind augenscheinlich disfunktional und absurd. Dennoch funktionieren sie auf beiden Seiten der Linse als metaphorisches Rüstzeug: Sie dienen als idealistische Sonden, zeigen das Einfinden in eine entfremdete Umgebung – bis hin jedoch zu einer nahezu symbiotischen Existenz (The Exchange).

In seinem Everyman Outfit (schnell lässt der monoton eingesetzte schwarze Anzug an Magrittes Figurationen denken) soll der Protagonist der Bilder sinnbildlich für den modernen Menschen stehen. Und dennoch ist er ein sensitiver Outcast. Einer, der sich eigener, möglicherweise humanerer Technologien bedient. Einer, der sich im Wirkungsschatten einer usurpierenden Welt bewegt, ihr jedoch nicht zuspielt. Derjenige, der außerhalb des Zivilisierenden steht, abseits der kalkulierten Zurichtung von Lebensraum.

Mit seinen Werkzeugen, sagt ParkeHarrison, spiele der Bruder des Architekten der Landschaft eine klagende Sonate. Doch wie auch ParkeHarrison die Kamera als eine Art elfischen Zauberstab benutzt, so sind die einzelnen Unternehmungen nicht nur melodramatisch und fatalistisch, sondern von der Poesie eines wundersam fabulierenden Humors geprägt.

Vor allem, weil sie um ihre theatralische Komponente wissen, um ihre Beckett-Energie. Sie sind über dem bleischwer drückenden Fonds höchst traumhaltig – wenn auch mit äußerst makabren Facetten.

"The Architect’s Brother" stellt die erste große Werkschau der Arbeiten von Robert und der an der Konzipierung der Aufnahmen beteiligten Shana ParkeHarrison dar. In Kooperation mit dem International Museum of Photography Art in Rochester (NY) ist sie derzeit europaexklusiv in Jena zu sehen. Anlässlich der Ausstellung in Jena ist ein Katalog erschienen.