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31. Mai 2009 |
Jörg Auberg
für satt.org |
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AKADEMISCHE KLOPFZEICHENDer Band „9/11 als kulturelle Zäsur“ versucht die traumatischen Erfahrungen des 11. September 2001 aufzuarbeiten, scheitert jedoch an seinem akademischen Konformismus. „Es war unsere Stadt, die bombardiert wurde“, schrieb Paul Auster am ersten Jahrestag der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center im Editorial der „New York Times“. Der 11. September 2001 markiere, meinte der Schriftsteller, einen schmerzhaften Moment des Innehaltens am Beginn einer globalen Katastrophe. Für Auster zielte der Terror nicht auf ein herausragendes Symbol des Kapitalismus im Zielgebiet der Weltmacht USA, sondern auf die Idee einer globalen, zivilen, multiethnischen Stadt der Menschheit. In dieser Wahrnehmung war es nicht lediglich ein kriegerischer Angriff auf die Zivilbevölkerung einer Stadt, sondern der Akt einer einzigartigen Barbarei, aus der das verstörende Gefühl eines gewaltigen Einschnitts in der jüngeren Geschichte rührte. Diese „traumatische Erfahrung der terroristischen Handlungen“ war die Grundlage für ein internationales Symposium unter dem Titel „9/11 als kulturelle Zäsur“ an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz im Februar 2008, dessen Beiträge nun im gleichnamigen Band aus der Produktion des Bielefelder Verlags Transcript vorliegen. Im einleitenden Teil des Buches stellen Thorsten Schüller und Lars Koch kritische Fragen an die akademische Praxis der „Cultural Studies“: In welcher Hinsicht bewegen sich kulturelle Theorien im Kontext von „9/11“ in einem gesellschaftlich grundierten Rahmen oder erweisen sich als „selbstreferentielle, sich selbst genügende Gedankendeklinationen“, fragt Schüller, während Koch auf den neokonservativen Gegendiskurs zum liberalen Säkularismus hinweist, der die islamistischen Anschläge zu einer christlich geprägten Refundamentalisierung der westlichen Gesellschaften im Sinne autoritärer Gemeinschaften zu funktionalisieren sucht. Leider führen die nachfolgenden Beiträge diesen kritischen Faden nicht weiter. Wie schon in dem ähnlich gestalteten Band „Amerikanisches Erzählen nach 2000“ (Edition Text + Kritik, 2008) verharren die Autorinnen und Autoren weitgehend in ihrem abgeschotteten akademischen Territorium ohne Interesse an einem kritischen Austausch mit der Außenwelt. Vorgeblich setzen sie sich mit der Vielschichtigkeit der erschütterten Kultur nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 auseinander, analysieren in literaturwissenschaftlicher Hinsicht Trauer- und Traumageschichten, Brüche in der mimetischen Darstellung, den Tod als „Event“ oder das „Ereignis“ 9/11 als Fortsetzung des Holocausts, spüren die Auseinandersetzung mit dem Terror in der Pressefotografie, im Kino, Fernsehen, Theater, Internet und in Comics auf, wobei jedoch das akademische Räsonnieren weitgehend im selbst formulierten „Einbruch des Realen in die Fiktion“ und in der „Selbstreferentialität“ stecken bleibt. Man muss nicht so weit gehen wie Russell Jacoby, der den akademischen Adepten der „Cultural Studies“ attestierte, keinen Satz jenseits der vom Jargon approbierten Grammatik schreiben zu können. Tatsächlich bewegen sich die der „Post-1989er“ Generation entstammenden Autorinnen und Autoren in einem grellen Ausstellungsgelände der Massenkultur, deren Führer die üblichen Verdächtigen in diesem Milieu sind: Jean Baudrillard, Slavoj Žižek und Jacques Derrida. In erster Linie will der Akademikernachwuchs demonstrieren, dass er sich im kulturwissenschaftlichen Vorrat auskennt und mit den Sprachregelungen des Betriebes konform geht. So wird der französische Romancier Frédric Beigbeder in mehreren Beiträgen als „Skandalautor“ und „Provokateur“ tituliert, um per Klassifikation das Urteil zu sprechen. Die „Texte“ als sinnstiftende Lektüre der popkulturellen Massenproduktion bewegen sich innerhalb eines geschlossenen Systems, in dem die Sprache zu einer desensualisierten Zeichenmechanik geronnen ist, und treten dem Leser als eine Zermürbungsmasse entgegen, in der Zitate und Komponenten aus intellektuellen Frameworks stets aufs Neue montiert werden, um das Immergleiche des Betriebs zu kaschieren. „Anständig gearbeitete Texte sind wie Spinnweben“, konstatierte Theodor W. Adorno: „dicht, konzentrisch, wohlgefügt und befestigt.“ All dies lassen die „Texte“ dieses Bandes vermissen. Die ausdruckslose, technokratische Sprache reduziert sich – mit einem Wort Max Horkheimers – „auf das Zeigen und Erspähen von Erkennungsmarken“. Hinweise, welche Effekte die „kulturelle Zäsur“ des 11. September 2001 auf die kulturellen Produktionsverhältnisse, sucht man ebenso vergeblich wie eine kritische Analyse der politischen und ökonomischen Faktoren, die auf die kulturelle „Post-9/11“-Produktion einwirken. Am Ende geraten der Band und mit ihm seine Urheber in die Falle, vor der der Mitherausgeber Schüller anfänglich warnt: „Theoriebildung ist ... seit jeher“, weiß er zu berichten, „ein gesellschaftlicher Luxus, der nicht in eine profitable Kosten-Nutzen-Rechnung integrierbar ist.“ In der gegenwärtigen akademischen Praxis geriert sich diese Art der „Theoriebildung“ häufig „autonom“, doch auch wenn sie sich von gesellschaftlichen Bedingungen unabhängig wähnt und auf Gesellschaftskritik verzichtet, gerät die wissenschaftliche Arbeit im Betrieb umso schneller in den gesellschaftlichen Verwertungszusammenhang. Gerade weil die akademische Disziplin der „Cultural Studies“ in der unreflektierten Beschreibung massenkultureller Phänomene die kritische Dimension ausklammert, kann sie im Kampf um den akademischen Mehrwert Marketing für das eigene Fortkommen im Betrieb betreiben. Wie die feilen Schreiberlinge in Balzacs „Verlorene Illusionen“ verhökern die Adepten der „Cultural Studies“ die Utopie eines möglich Besseren gegen den Anteil an der Beute im arbeitsteiligen Betrieb. So endet der Forschergeist „im Sumpf der kleinen Rackets“, wie es in der „Dialektik der Aufklärung“ heißt, und macht sich gemein mit den schlechten Zuständen. |
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