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22. Juli 2008
Anne Hahn
für satt.org
Uwe A. Oster: Die Frauen Kaiser Friedrichs II

Das Weibsbild eines Kaisers

Über die feinfühlige Biografie des Stauferkaisers Friedrich II. aus der Sicht „seiner“ Frauen

Um es vorwegzunehmen, der Autor dieses Buches erfindet keine neue Biografie. Keine neuen Damen und Histörchen, keine ausschweifigen Phantasien. Das ist ebenso schade wie vernünftig. Über Friedrich II., den letzten großen Kaiser des mittelalterlichen Abendlandes, den „Stupor Mundi“ genannten, den geliebt wie gehaßten Staufer, ist viel geschrieben und geredet worden. Etliche Biografen und Romanschreiber haben sich mehr oder weniger erfolgreich am Stoff versucht. Geblieben sind in Realita ein achteckiges Kastell in Apulien, eine Skulptur ohne Nase, einige Münzen, ein Falkenbuch und viele Legenden. Nicht zuletzt die urdeutsche Sage vom Kyffhäuser und den kreisenden Raben, die auf die Wiederkehr des Kaisers weisen, zeugt von Friedrich, der sich lieber Federico rufen ließ.

Uwe A. Oster, Historiker und stellvertretender Chefredaktuer eines Geschichtsmagazins, hat sich des dankbaren Themas angenommen, Friedrichs Frauen genauer zu untersuchen. Ergebnis ist ein umfangreiches, locker geschrieben und dennoch fakten- wie abbildungsreiches Buch, das einiges Lesevergnügen bietet. Dem bisherigen Manko, die zahlreichen Frauen an der Seite des Kaisers als arme und geknechtete Randfiguren zu zeichnen oder gänzlich ins Reich der Phantasie zu deligieren, setzt Oster seine konsequente Darstellung entgegen. Er erzählt die Biografie, die Auseinandersetzungen um die deutsche Königskrone, die Kaiserkrönung, die gelungenen wie missglückten Kreuzzüge und die Exkommunizierung Friedrichs – ausschließlich aus der historisch gesicherten Perspektive der Frauen. Das ist wirklich neu und fruchtbar. Die Lektüre wird nicht durch Fußnoten erschwert, eine Zeittafel, Karten, Stammtafel, Personenregister und Quellennachweis ermöglichen am Ende des Buches individuelle Aufklärung und Vertiefung.

Chronologisch und folgerichtig begonnen wird mit der Mutter Konstanze (Tochter des Normannen König Roger II. von Sizilien). Schon die Geburt des künftigen „Antichristen“ ist von Geheimnissen umwittert, Konstanze stand im 40. Lebensjahr, als der langersehnte Thronfolger Friedrich Roger am 26. Dezember 1194 auf dem Marktplatz von Iesi das Licht der Welt erblickte. Auf einem Marktplatz, um sich des Volkes der Zeugenschaft der legitimen Geburt zu versichern. Dennoch wucherten Gerüchte um die Herkunft des Königssohnes, war seine Thronfolge alles andere als gesichert. Die Eltern starben jung, Friedrich wuchs als Streuner in Palermos Gassen auf und fand mit 15 Jahren in der etwa 10 Jahre älteren Konstanze von Aragonien seine erste Gemahlin, eine Freundin und eine Ersatzmutter.

Oster beschreibt glaubhaft, welch wichtige Rolle sowohl die Mutter als auch seine erste Frau gleichen Namens im Leben des jungen Prinzen gespielt haben. „Wir wissen nichts über das Aussehen der Prinzessin aus Aragonien; an Kultur und Intellekt dürfte sie dem jungen Staufer nicht nur wegen ihres höheren Alters weit voraus gewesen sein. Aragonien war ein Zentrum der höfischen Kultur in dieser Zeit. Troubadoure aus dem Süden des heutigen Frankreich hatten die hohe Dichtkunst nach Zaragoza und Barcelona gebracht. Sie sangen von reiner Liebe (Minne) und ritterlicher Ehre ...“ Der später für die an seinem Hofe versammelten Dichter, Philosophen und Musen berühmte Kaiser hat sich also durch seine Gattin inspirieren und bilden lassen. Er verehrte Konstanze.

Nach ihrem frühem Tod vermählte sich Friedrich noch zweimal, nachgewiesen widerwillig. Die jungen Isabellen wurden aus entgegengesetzten Ländern der damaligen Welt (Isabella von Brienne wuchs im Heiligen Land auf, die andere Isabella war Prinzessin von England) an seinen Hof verweht, fanden aber nie zu einer gleichberechtigten Partnerschaft, wie sie Konstanze erleben und gestalten durfte.

Die besondere Rolle der Geliebten (und Mutter seiner Lieblingskinder) Bianca Lancia d´Agliano wird bei Oster erstmals umfassend und quellenorientiert gewürdigt. In früheren Abhandlungen neigten Biografen wie Kantorowiz zu abfälligen und emotionalen Interpretationen der dürftigen Faktenlage. Einfühlsam und mit vielen Fragezeichen schildert der Autor diese Jahrzehnte währende, leidenschaftliche Beziehung auf gleicher Augenhöhe. Friedrich lernt 1226 die 15-jährige Bianca im Hause des Grafen Asti kennen. „Sie sei mit einer solch seltenen Schönheit ausgestattet gewesen, dass man nur schwer ein vergleichbar hübsches Mädchen hätte finden können, schwärmte schon ein zeitgenössischer Chronist.“ Binaca wird seine Geliebte und Beraterin, kam jedoch niemals als Gemahlin in Betracht. Friedrich schenkt ihr Kastelle, Güter, Gedichte und Kinder. Wann sie genau gestorben ist und ob sie sich tatsächlich auf dem Totenbett noch mit dem Geliebten vermählte, muss offen bleiben.

Tröstlich und bisher nicht in dieser Abfolge beschrieben, ist Osters letzte Episode zu den Frauen Kaiser Friedrichs II. Nach dem Tod des Kaisers 1250 und der Verfolgung, Hinrichtung bzw. Einkerkerung der letzten legitimen Nachfolger scheint das Geschlecht der Staufer um 1270 erloschen. Aber da ist noch Konstanze, der Name, mit dem alles begann und alles fortgeführt wird: Konstanze II. von Aragonien, Enkelin Kaiser Friedrichs und seiner geliebten Bianca Lancia, Tochter Manfreds, des Königs von Sizilien. Sie wird die einzige sein, die dem Gemetzel entkommt, die die Würde und Kultur des staufisch-sizilianischen Hofes pflegt und vermehrt ...



Uwe A. Oster: Die Frauen Kaiser Friedrichs II
Piper Verlag München 2008. 285 S., 18 €
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