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Januar 2005
Anne Hahn
für satt.org

Rüdiger Warnstädt:
Herr Richter, was spricht er?

Das Neue Berlin 2004

Rüdiger Warnstädt: Herr Richter, was spricht er?

254 Seiten, 14,90€
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Über die wundersame
Vermehrung von Beamten
und anderem Amts-Unfug

Rüdiger Warnstädts
„Herr Richter, was spricht er?“


„Zu den besonderen Eigenschaften von Beamten gehört ja die Vermehrung, wo gestern noch zwei saßen, sind morgen schon drei und in einem halben Jahr vielleicht sogar schon vier anzutreffen. Bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin gab es zu meiner Zeit zwölf Abteilungsleiter, die Zahl hat sich seither mindestens vervierfacht.“

Das ist nur einer der höchst unterhaltsamen kritischen Gedankensplitter des Moabiter Ex-Amtsrichters Rüdiger Warnstädt. Was passt besser zu einem Berliner (oder Provinzler mit Berlin-Faible) als ein vergnüglich zu lesendes Buch, in dem es um Berliner Politiker, Beamte und Schwerenöter geht? Die Berliner Schwerenöter, also die sogenannten Gesetzesbrecher, kommen in diesem Buch wesentlich besser davon als Politiker und Beamte. Denn Rüdiger Warnstädt, der während seiner Amtszeit als „Deutschlands originellster Richter“ schon kaum einer Autorität Respekt zollte, zieht nun richtig vom Leder.

Unlängst erschien im Verlag Neues Leben eine köstliche Sammlung von achtzig Original-Strafurteilen dieses Herrn Warnstädt, der seinen verdienten Ruhestand unter anderem mit dem Verfassen von Büchern verbringt. Aus dem zweiten, vorliegenden Buch, „Herr Richter, was spricht er?“ erfährt der Leser weit mehr über die Person, die hinter den Urteilen steckt: unseren Herrn Warnstädt selbst. Wo er geboren, in Berlin natürlich, wo er aufgewachsen, herumgekommen und wie er sich durchgeschlagen und gemogelt (ja, auch das, zum Beispiel mit einem simulierten Herzfehler, aber dem Herzen auf dem rechten Fleck!) und sich den Aufstieg versaut hat. Denn eines zeichnet den Menschen Warnstädt vor allem aus: Aufrichtigkeit. Anderen gegenüber, aber vor allem sich selbst. Und das ist arg selten. Gerade als Träger einer schwarzen Robe wirkt er so seltsam unverdorben. Wie hat dieser Mann es geschafft, all die Jahre seinen Humor und seine Dreistigkeit im Sinne der Angeklagten nicht zu verlieren? Vor allem wahrscheinlich durch ein überdeutlich ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, unabhängig von Instanzen und Rängen.

Und durch das Fehlen von Eitelkeit. Wie nebenbei lässt der opernsüchtige Ruheständler durchblicken, dass Orden für ihn nicht mehr als ein Haufen Blech seien, dass Autofahren in einer Metropole an Schwachsinn grenzt, dass tennisspielenden Beamten ein Strich durch die Rechnung gemacht werden muss, dass alle Politiker außer Frau Weiss (derzeit Kulturstaatsekretärin) ausschließlich an sich selbst denken, dass immer wieder böse Buben aus dem Gewahrsam entschlüpfen werden … und so weiter.

Dieses Buch, man könnte es eine „wahrhaftige Anekdotensammlung“ nennen, vereint neben den biografischen und amthistorischen Ausflügen Warnstädts natürlich auch Fallbeispiele aus den Jahrzehnten seiner Amtszeit. Da wird von  einem folgenreichen Tomatendiebstahl erzählt, einem Studenten, der zweimal dieselbe Prostituierte mit einem gefälschten Fuffziger zu entlohnen gedachte … es ist alles dabei, traurige und lustige, immer bewegende Geschichten, deren Ausgang zunächst ungewiss ist.

Und Warnstädt? Er führt niemanden vor, er hat Verständnis. So lehrt er uns das Verstehen und das Wohlwollen für Berlin und seine Menschen, nebst Oper und Hoftheater!