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November 2004




Michaela Vieser, Reto Wettach: Übersehene Sehenswürdigkeiten. Deutsche Orte. (Overlooked Sights. German Places.)
Roadbook. ic! berlin 2004

Übersehene Sehenswürdigkeiten. Deutsche Orte. (Overlooked Sights. German Places.)

216 S. mit zahlr. farb. Abb., 24,90 Euro
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Übersehene Sehenswürdigkeiten. Deutsche Orte. Overlooked Sights. German Places.

Die Autoren sind auf der Suche nach dem Deutschland jenseits von Kitsch und Kommerz. Und sie finden es für uns. Ein uneingeschränkt tolles Buch.




Abbildung aus dem bespr. Band

Abbildungen aus
dem besprochenen Band.


Abbildung aus dem bespr. Band

Heute soll’s mal ein Buch sein, dessen Namen ich mir partout nicht merken kann, auch beim fünften Abschreiben noch nicht. Ich denke immer, es heißt "Vergessene Orte". Heißt es aber nicht. Vergesst diesen Namen und merkt Euch den richtigen: "Übersehene Sehenswürdigkeiten. Deutsche Orte", schreibt ihn Euch am besten an die Tapete, denn hey, dieses Buch ist uneingeschränkt toll.

Die Autoren heißen Michaela Vieser und Reto Wettach. Sie schreibt die Texte, die meisten der Fotos stammen von ihm. Zusammen bilden die beiden ein unschlagbares, weil begeisterungsfähiges Team. Nicht umsonst haben sie mittlerweile ihre eigene wöchentliche Kolumne in der Financial Times Deutschland. Ihre Mission: Vergessene Orte in Deutschland aufspüren. Eine alternative Deutschlandkarte anfertigen, auf der möglichst viele der schönen Dinge, an denen wir tagtäglich nichtsahnend vorbeifahren und -gehen, eingezeichnet sind: abgefahrene historische Stätten, seltsame Museen, ungewöhnliche Menschen und ihr Zuhause, witzige Tiergeschichten. Und nicht zuletzt Naturschönheiten, wie man sie mitten in Europa fast nicht mehr vermutet. Die Autoren sind auf der Suche nach dem Deutschland jenseits von Kitsch und Kommerz. Und sie finden es für uns.

Da ist zum Beispiel das "bodenlose Loch" in Franken, ein kleiner Tümpel, nur wenige Quadratmeter groß, der den Eindruck erweckt, er sei endlos tief - eben "bodenlos". Das unscheinbare Hinweisschild am Rand der Straße gibt per Rechtschreibfehler einen hübschen Hinweis auf das fränkische Idiom: "zum bodenlose Loch". Die Menschen erzählen sich, selbst ein Pferdefuhrwerk mitsamt Fahrer sei hier schon verschluckt worden. Da gruselt’s einen mitten in der barocken fränkischen Landschaft. Oder die Licht-Jukebox von Dinkelsbühl, wo man nach 23 Uhr mit vier Euro die ganze Stadt 80 Minuten lang beleuchten kann. Oder der Mecklenburger Pfeilstorch aus dem Jahr 1822, anhand dessen man beweisen konnte, was diese Tiere im Winter machen – sie fliegen nach Afrika und werden dort, wenn sie Pech haben, durchbohrt. Der Storch schaffte es noch zurück nach Mecklenburg, konnte aber aufgrund des Pfeils keine Nahrung mehr jagen und musste verhungern.

Das Buch ist durchgehend deutsch/englisch, womit man auch die zahlreichen Touristen ohne Probleme erreicht – ab 2005 sogar auf japanisch. Wer nach der Lektüre von "Übersehene Sehenswürdigkeiten" immer noch denkt, dass Deutschland stinklangweilig sei, der soll doch bitte nach Südamerika ziehen und dort schlecht drauf sein. Allen anderen wünsche ich jetzt schon viel Spaß, denn den werdet Ihr haben. Bestellen kann man das Buch ganz einfach hier: www.driftingfriends.de. Dort gibt es auch ein schönes digitales Tagebuch sowie Hinweise auf weitere Projekte wie z.B. einen Workshop, in dem man lernt, die Gabe zufälliger Entdeckungen für den kreativen Prozess nutzbar zu machen.