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23. Juli 2025
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Fantastic 4: First Steps (Matt Shakman)


  The Fantastic 4: First Steps (Cover: Phil Noto)


The Fantastic 4:
First Steps
(Matt Shakman)

Originaltitel: The Fantastic 4: First Steps, USA 2025, Buch: Josh Friedman, Eric Pearson, Jeff Kaplan, Ian Springer, nach Figuren und Konzepten von Stan Lee und Jack Kirby, Kamera: Jess Hall, Schnitt: Nona Khodai, Tim Roche, Musik: Michael Giacchino, Production Design: Kasra Farahani, Supervising Art Director: Nick Gottschalk, Kostüme: Alexandra Byrne, mit Pedro Pascal (Reed Richards / Mr. Fantastic), Vanessa Kirby (Susan Storm / Invisible Woman), Joseph Quinn (Johnny Storm / The Human Torch), Ebon Moss-Bachrach (Ben Grimm / The Thing), Ralph Ineson (Galactus), Julia Garner (Shalla-Bal / Silver Surfer), Natasha Lyonne (Rachel Rozman), Sarah Niles (Lynne Nichols), Paul Walter-Hauser (Harvey Elder / The Moleman), Matt Gatiss (Ted Gilbert), Matthew Wood (H.E.R.B.I.E.), 115 Min., Kinostart: 24. Juli 2025

Seit September 2018 habe ich einen festen Job, das hat meinen Kino-Besuch schon mal deutlich runtergefahren. 2017 war ich noch 224 mal im Kino gewesen, 2019 waren es dann 137 Kinobesuche. Dann kam Corona, und seitdem sind es so ca. 12 Kinobesuche im Jahr (2021-23: 13, 13, 11), 2024 war mit 24 ein bisschen besser, mal schauen, wie dieses Jahr so wird (nach sieben Monaten aktuell erst sechs mal im Kino gewesen). Warum langweile ich euch mit meiner privaten Statistik?

Ein seltsames Subgenre hat aktuell junge Zuschauer etwas in den Bann geschlagen, und durch das Ausdünnen meines Kinokonsums schaue ich (anteilmäßig) davon eher noch zu viel. Yup, es geht um Marvel-Filme. Seit die Kinos wieder geöffnet haben, saß ich ruckzuck in Eternals (meh!) und Spider-Man: No Way Home, 2022 und 23 sah ich dann jeweils nur einen Marvel-Film von meinen Lieblingsregisseuren dieser Vehikel, also Thor: Love and Thunder und Guardians of the Galaxy Vol. 3. Dann habe ich 2024 tatsächlich mal pausiert (und auch sonst übrigens gut 24 Monate keine Comicverfilmung im Kino gesehen), und was hat mich zurück gebracht, wo selbst James Gunns Superman mich nicht hinreichend locken konnte? Ein Comic! (Die lese ich nämlich weiterhin, und deutlich mehr, als gut für mich ist.)

Im Comic The Fantastic 4: First Steps (von Matt Fraction und Mark Buckingham) bietet man eine Art Einstieg / Vorgeschcihte zum gleichnamigen Film, arbeitet dabei mit Fotomaterial aus dem Umfeld des Films (aufbereitet wie Magazin-Seiten mit Interviews, Berichten oder auch mal Werbung für Produkte aus der Filmwelt), aber auch eine vertraute Marvelfigur wie Reed Richards trägt hier die Gesichtszüge des Schauspielers Pedro Pascal, wobei vor allem der kleine Schnäuzer auffällt. Zeichner Mark Buckingham hat ihn auch mit einem etwas fleischigeren Gesicht ausgestattet.

Im Comic geht es, wie schon das Cover deutlich ausweist, um die Originalgeschichte des ersten Hefts der Fantastic Four (von Stan "The Man" Lee und Jack "The King" Kirby). Der spätere Erzfeind der FF, Dr. Doom, spielt da noch keine Rolle, der vergleichsweise lachhafte "Moleman" ist hier neben dem Monster auf dem Cover der Gegner, aber für die neue Comic-Version (und vermutlich den Film!?!) hat man dann die ursprüngliche Geschichte auf heutige "liberale"* Grundwerte getrimmt.

*Das ist für mich kein Schimpfwort, und nicht einmal die vermurkste Auslegung dieses Begriffs durch eine Partei wie die FDP ändert das!

Konkret bedeutet das neben der durch die Schauspielerwahl angedeutete Diversität vor allem, dass sich Reed Richards Mühe gibt, statt vom "Moleman", einem abschätzigen, nicht selbstgewählten Prädikat, von "Mr. Elder" zu sprechen (aber nur so viel Mühe, dass die Marvel-Zombies nicht verwirrt werden), und die unterirdischen Wesen, die zumindest beim zentralen Konflikt involviert sind, beschimpft man nicht als degenerierte Freaks (sie erinnern mich durchaus an die ebenfalls rein fiktiven Morlocks in H.G. Wells' The Time Machine, die Stan lee vermutlich inspiriert haben), sondern sie werden behandelt wie Indigene, mit denen man sich den begrenzten Lebensraum halt teilen muss*.

*Zum Thema friedfertiges Zusammenleben eine Zusatzinfo: interessanterweise schrieb Stan Lee 1961 im letzten Panel von Fantastic Four #1 (nach der Vernichtung der "Monsterinsel") noch: "It's best that way. There was no place for him in our world[...]." Verglichen damit hat Matt Fraction ein echtes Happy End kreiert...

The Fantastic 4: First Steps (Matt Fraction, Mark Buckingham)

© 2025 Marvel.

In das Comicabenteuer, bei dem man schon aufgrund des kurz gezeigten US-Präsidenten-Ehepaares ziemlich klar erkennen kann, dass die Geschichte Anfang der 1960er spielt, die heutige political correctness einzubauen, das wirkt zwar einigermaßen ambitioniert, aber auch irgendwie total schräg. Und da wollte ich mir unbedingt mal anschauen, ob das im Film tatsächlich auch so extrem umgesetzt wird. Ehrlich gesagt, hatte die Comic-Story so nur noch sehr wenig mit typischen Superhelden-Blockbustern zu tun, und zumindest das wollte ich mir mal anschauen.

Hmpf! Viele wird es nicht überraschen, der Comic unterscheidet sich schon sehr vom Film, in dem keine geringeren Gegner bekämpft werden müssen als Galactus und der (abermals deutlich umgedeutete) Silver Surfer.

The Fantastic 4: First Steps (Matt Shakman)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Okay, der Comic erzählt also einen Teil der Vorgeschichte des Films. Im Film indes spult man in den ersten zwanzig Minuten ruckzuck die origin story der Fantastic Four ab, ehe man im Jahr 4 der Geschichte des Teams zum einen feststellt, dass Susan Storm schwanger ist. Während der Zeitpunkt dieser Entwicklung der Original-Heftserie (ja, die nehme ich jetzt mal als Referenz, vertraut mir, das ergibt schon Sinn!) deutlich zuvor kommt, ist der erste Auftritt von Galactus und dem Silver Surfer in The Fantastic Four #48 tatsächlich der Comichistorie nachempfunden.

Und wenn der Weltenfresser Galactus (Ralph Ineson) dann im Film auch noch ein besonderes Interesse am (noch ungeborenen) Franklin Richards äußert (der bekanntlich besondere kosmische Mächte hat, wenn auch deutlich später in der Heftserie), dann wirken die Veränderungen in der Abfolge bestimmter Ereignisse durchaus sinnvoll.

Ob man weitere durchdachte Änderungen im Film positiv werten sollte, will ich nicht vorwegnehmen, aber durch den Kampf um das ungeborene Leben wird der Kernkonflikt sehr dramatisiert, und man kann dann auch noch die Geburt während einer rasanten Weltraumverfolgungungsjagd stattfinden lassen.

The Fantastic 4: First Steps (Matt Shakman)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Dass der Silver Surfer plötzlich weiblicher Gestalt ist, ist nicht nur dem Drang zur Diversität zu verdanken, auch innerhalb der Geschichte gibt dieser Twist einigen Entwicklungen zusätzliche Brisanz bzw. unterfüttert Charaktermomente. Dass Mädchenschwarm Johnny Storm aka The Human Torch (Joseph Quinn) analog zu Galactus ein "besonderes Interesse" entwickelt, das sich aber wissenschaftlich ausdrückt, weil er versucht, die Muttersprache der Surferin zu entschlüsseln, ist zumindest interessanter als seine Frauengeschichten in den bisherigen Verfilmungen. Denn hier kann man ihn zwar trotzdem erst deswegen veräppeln, aber dann trägt er zur Errettung der Erde bei, ohne dauernd als "Hitzkopf" unterwegs sein zu müssen. Ganz der wissenschaftlichen Grundidee entsprechend, muss er einen "kühlen Kopf" bewahren. Das ist schon eine clevere Herangehensweise.

Der Name des Regisseurs Matt Shakman sagte mir gar nichts. Als nahezu kompletter Streaming-Verweigerer habe ich seine "Visitenkarte" Wanda-Vision, eine von ihm mitproduzierte und inszenierte Mini-Serie allerdings auch verpasst (die Comicvorlage von Tom King ist schon ziemlich gut). Laut Presseheft hat er eine besondere Affinität zu der Heftserie um Marvels First Family, aber das wird ja nahezu jedes Mal behauptet. Allerdings hat er keinen Drehbuch-Credit, und da mag man natürlich anzweifeln, inwiefern die guten Ideen jetzt alle unbedingt von ihm stammen sollen.

Rein drehbuchtechnisch fällt auf, dass man sich Mühe gegeben hat, die vier Hauptfiguren in allen möglichen Konstellationen unterschiedliche Synergien entwickeln zu lassen (Johnnys Beziehung zu seiner Schwester und Schwager kommt dabei noch am wenigsten ausdefiniert raus, aber da hat man vielleihct drauf vertraut, dass ein Großteil des Publikums mit dieser Situation hinreichend vertraut ist. Dafür hat Johnny halt die erwähnte girlfriend situation.

Der Moleman (ja, Reed nennt ihn im Film so, und Harvey ist nicht erfreut!) kann sich für meine Begriffe im "Comic zum Film" deutlich besser profilieren, im Film ist er wenig definiert.

The Fantastic 4: First Steps (Matt Shakman)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Galactus ist so eine Comicfigur, wie sie mich nie ansprach. Ob Thanos, Darkseid, all diese superbösen übermächtigen Figuren haben mich nie wirklich interessiert. Nach einem beeindruckenden ersten Auftritt leidet er dann unter dem bekannten Emmerich-Problem: das Riesige kann immer nur so riesig sein, dass es zumindest in die Locations reinpasst. Das ist hier nicht so arg wie bei Godzilla, aber er eckt in New York zwar immer mal wieder an, aber manchmal ist die Größe halt doch wichtig.

Meine mit Abstand liebste Galactus-Szene lässt ihn den auf ihm herumkrabbelnden ("Clever litte bugs!") Reed Richards aufklauben und probiert dann mit der Bösartigkeit eines kleinen Jungen (wie hieß noch der Nachbarjunge in Toy Story?), wie elastisch dieser Mr. Fantastic denn wirklich ist. Für einen Moment dachte ich sogar, er flitscht ihn weg wie ein Gummiband... wäre nur konsequent gewesen...

The Fantastic 4: First Steps (Matt Shakman)

© Marvel. Alle Rechte vorbehalten

Was aber auf jeden Fall positiv in diesem Film auffällt: der Showdown ist nicht so ein riesiges Spektakel, wie es mittlerweile bei Marvel-Filmen ja der Standard ist. Ich glaube, spätestens seit The Incredible Hulk* ist das immer wieder mein ärgster Kritikpunkt an diesen Filmen (vor allem, weil oft Metropolen zu Klump gehauen werden, es sich dann aber nur zwei Frauen die Knöchel verstauchen, die aufgrund ihrer Absätze eh in großer Gefahr schwebten.

*Zufällig habe ich herausbekommen, dass der hier besprochene Film mit 115 Minuten der zweitkürzeste im gesamten MCU ist (ich bevorzuge kurze Filme). Erstaunlicherweise ist The Incredible Hulk tatsächlich noch 3 Minuten kürzer. Ich nehme an, das hing damals eher mit dem Budget zusammen. Und die Sache mit den Szenen in den End Titles hatte sich da noch nicht so ausgeufert.

Der Showdown war für mich genau richtig in seinen Ausmaßen: genug Dramatik, jeder der Helden hat seinen Moment, aber es zieht sich halt nicht wie ein Kaugummi.

Dreieinhalb abschließende Bemerkungen noch: der sehr auf ein Familienpublikum zugeschnittene Roboter H.E.R.B.I.E. mag einiges an Merch einspielen, blieb aber auch fast im Hintergrund. Ich frage mich, was die Geschichte dahinter ist, dass Ben einen sehr ähnlichen Roboter im Comic mal bei einem Wutanfall zerdeppert, wobei man beim leicht verfremdeten Hamlet-Zitat dann erfährt, dass er hier K.E.R.B.I.E. heißt. War Matt Fraction das zuviel Disney-Anpassung? Ich kann's verstehen.

*Humanoid Experimental Robot B-type Integrated Electronics bzw.
Kinetic-type Experimental Robot Biomimetrics-Integrated Electronics.

Beim retro-futuristischen 1960er-Look New Yorks musste man an Locations wie dem Times Square auch mal fiktive Riesenplakate ersinnen, und mir fiel besonders Subzero Intel mehrfach auf. Eine Frage, die sich mir dabei stellte: Vom Look her wirkte das wie die Werbung für einen Action-Film (Musical oder Rasierschaum passte nicht so richtig). Warum macht man dafür dann vier Jahre lang Werbung? Naja, wird sicher irgendwo erklärt werden... (bei mir gibt's keinen No-Prize, sorry!)

Ben Grimm verändert im Verlauf des Films mal seinen Look. Very nice!

Im Abspann erfährt man mal, dass die Titelhelden in Avengers: Doomsday wieder auftauchen werden. Wahrscheinlich gibt es immer noch Hunderttausende von Menschen, die jederzeit auswendig wissen, wie die nächsten vier Marvel-Filme heißen werden. Mir war der Filmtitel unvertraut, und ging sogar nicht augenblicklich auf, dass der aktuell in den Comics die Marvelwelt aufmischende Standard-Gegner der Fantastic Four da wohl eine prägende Rolle spielen wird. Dr. Doom taucht nicht wirklich im Film auf. Ein Vertreter von Latveria glänzt an zwei Stellen des Films durch Abwesenheit, und sogar der übliche Schlussgag weit hinten im Abspann behandelt das Thema wirklich stilvoll.

"Earth 828" ist das eigens kreierte Universum, in dem der Film spielt. (Da ich mir die blöden Zahlen nie merken kann, wäre mir das nie aufgefallen.) Beim Abspann gibt es den Hinweis darauf, dass die Nummernfolge einen Sinn hat, denn Jack Kirby hatte am 28. August (1917) Geburtstag. Weil man ja neugierig ist, habe ich mal nach dem Geburtstag von Stan Lee geschaut, aber Earth-1228 bezeichnet im Grunde nur den Spielort von What if #11. Dumm gelaufen, Stanley! Und wieder was gelernt!

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Interview-Schnipsel aus dem oben erwähnten Comic

Zitat und Bild © 2025 Marvel.